Gemeine teilnehmen. Zum Berittenmachen der Offiziere rc. sind 82 Pferde erforderlich.
Berlin, 29. Juli. Schon feit längerer Zeit macht sich bei der Kavallerie der Notschrei bemerkbar: „Mehr Futter — weniger Gewicht!" Das Gewicht zu vermindern, ist, wie ein bekannter Stabsoffizier und einer der schneidigsten Reiter der Preußischen Kavallerie schon mehrfach betonr hat, geradezu eine Lebensfrage für die Kavallerie und jede Sorgfalt sollte darauf verwendet werden, das Gepäck der Kavalleristen so weit nur angänglich zu beschränken. Es ist deshalb Folgendes in Vorschlag gebracht: 1) Kleinere Packtaschen mit vermindertem Inhalt (kein zweites Paar Stiefeln rc.); 2) statt 4 Hufeisen 2 (ein hinteres und ein vorderes); 3) statt 50 scharfe Patronen nur 30 (in der zu vergrößernden Patronentasche unterzubringen); 4) statt 32 Hufeisennägel nur 16 (in der Hufeisentasche); 5) Schabraken, Karabinerfutteral, Umlaufriemen fallen weg (Karabiner über den Rücken); 6) leichtern Säbel, Steigbügel u. s. w. Hierdurch hofft man eine Gewichtserleichterung um mindestens 46 Pfund zu erzielen.
Die Kronprinzessin hat ein neues größeres Oelbild vollendet. Die Scene spielt, wie die „Potsd, Ztg." erzählt, auf dem krvnprinzlichen Gute Born- städt; als Modell diente ein niedliches blondlockiges Bauernmädchen, welches in aufgelöstem Haar barfüßig und auch sonst dem Aussehen der Dorfjugend an Werktagen entsprechend in phantastischer Stellung auf einem Schilfdache sitzend, gedacht ist. Prinz Heinrich arbeitet zur Zeit an einem größeren Gemälde, welches ein im heftigsten Sturm auf See befindliches Kriegsschiff darstellen wird.
Bismarck hat sich zwar alle Zuschriften u. s. w. verbeten, aber auf der Bärenhaut liegt er in Varzin nicht. Täglich dreimal werden ihm von Berlin die wichtigsten Einläufe und Aktenstücke zugesendet und er arbeitet sie auf mit Hülfe seiner beiden Söhne, des Gesandten in Holland und des jungen Negierungsrates. Er macht sich viel Bewegung, ist guter Laune und bei guter Gesundheit.
Aus dem Reichsland, 24. Juli, wird der „Magdeb. Ztg." geschrieben: „In der letzten Zeit sind verschiedene Anzeichen hervorgetreten, welche aus ein Anwachsen und entschiedeneres Hcrvortreten der gegen Deutschland feindlichen Strömungen im Lande hindeuten. Bei dem vor einigen Wochen in Weißen- durg zusammengezogen gewesenen Landwehrbataillon, dessen Mannschaften aus Einheimischen bestanden, hat sich bei der Entlassung eine gewisse Renitenz be- merklich gemacht. Es tritt ein Geist des Widerspruchs gegen Anordnungen der Behörden hervor, der unter Umstünden höchst bedenklich werden kaun. Sodann haben sich an dem Tage des französischen National- festes in verschiedenen Orten Demonstrationen ereignet, welche der Revanche-Idee und der baldigen Wiedervereinigung mit Frankreich Ausdruck gaben. Verschiedentlich wurde die französische Flagge aufgehißt. In Thann, einer Stadt mit ganz besonders deutschfeindlichen Elementen, erkühnte man sich sogar, das dort abgehaltene Kriegerfest zu verhöhnen. Alle diese Symptome stehen unzweifelhaft in enger Beziehung zu dem Revanche-Kultus, welcher in Frankreich getrieben wird."
Trier. Vor einigen Tagen haben Arbeiter non Kü- rcnz ein „Gespenst" erlöst. Dieselben waren in der Nähe des städtischen Kirchbofs beschäftigt, und weil sie wacker geschafft und die Arbeit schnell sertiggcstcllt haben, gab der Arbeitgeber ihnen ein Fäßcheu Bier zum besten, bei dessen Vertilgung cs etwas spät wurde. Zwei der Frauen dieser Arbeiter beschlossen, ihre Männer „furchten zu thnn". Die eine hing ein Bettuch um, zog weiße Strümpfe über Hände und Arme und ging bis an die zwischen Karenz und der Ruwerner Chaussee gelegene Baumschule. Als die Männer endlich hcrannahten, trat das „Gespenst" ihnen in den Weg. Der erste der Männer stutzte und fragte: „Bist Du ein Geist des Himmels oder der Hölle?" Keine Antwort. „Geist der Unterwelt sprich!" Keine Antwort. Das „Gespenst" erhielt nun eine gehörige Portion Schläge, bis cs sich als die Frau eines Arbeiters entpuppte. Nun wurde mit den Schlägen Einhalt gethan. Die Frau hat deren aber so satt, daß sie heute noch krank ist und nie mehr als „Gespenst" erscheinen will.
Ein Bahnwärter der Station Barmen-Ritters - Hausen hatte soeben seinen Schlagbaum geschlossen, als ein Mann über das Geleis schritt. Im Nu hatte er ihn gepackt und znrückgerissen, als er auch schon selber von dem heranbrausenden Zuge erfaßt wurde. Es gelingt ihm noch, den Puffer der Lokomotive zu fassen und sich krampfhaft sestzuhalten. So wird er mit rasender Geschwindigkeit bis zur Station fortgeschleppt, wo er lebend, aber mit völlig ergrautem Haar ankommt. Von seinen Stieseln waren die Sohlen verschwunden und seine Beinklei
der waren an einer Weiche hängen geblieben. Der Mann, den er zurückgerissen, war unversehrt geblieben.
In Chemnitz hat dieser Tage eine geheime, von ca. 100 Personen besuchte' Versammlung der Anhänger der Sozialdemokratie stattgefunden, zu der sich auch Liebknecht cingefunden hatte. Die Polizei sprengte indessen, wie das „Chemn. Tgbl." meldet, die Versammlung und verhaftete Herrn Liebknecht. Derselbe wurde am nächsten Tage der königlichen Staatsanwaltschaft vorgeführt. Von dieser ist er vorläufig aus der Haft entlassen und hat Chemnitz wieder verlassen. Wie dem genannten Blatte wieder mitgeteilt wird, soll die Anwesenden beim Eintritt der Beamten ein panischer Schrecken ergriffen haben; denn nach allen Richtungen hin stoben die Teilnehmer auseinander, durch Fenster und Thüren, zum Teil die Kopfbedeckungen im Stiche lassend.
Der Festzeitung für das Bundesschießen in Leipzig entnehmen wir
Der Genügsamste.
Bier sidelc Schützenbriider Stiegen einst zur Hölle nieder.
Vor dem höllischen Palast Machten sie ein Weilchen Rast.
Alle schwitzten sic erklecklich,
Denn die Hitze war erschrecklich,
Und der Höllen-Rcaumür Stand auf Achtzehnhundertvier.
„Na, ick danke!" rief der Preuße,
„So 'ne jottverdammtc Reise!
Hier kann eener ja verkochen —
Ick bin schönstens Haut nn Knochen!"
„Gibt's denn nöt a Bier, zum Geier, Himmelsakra!" schrie der Bayer.
„Jesses, nn bei dera Hitzen,
Na, do mag der Deixel sitzen!"
„Chrischtli!" jammerte der Schwabe,
„Läg i liewer noch begrabe!
Schwäbli, jetz gehl'S iewer's Köpfli —
I verschwitz in lauter Tröpfli!"
„Heernsc", sprach der Sachse: „schwiele Find ich's nicht. Nich grade kiehle,
's Klima scheint c bißchen siedlich,
Awcr sonst nich ungcmiedlich!"
Georg Bötticher.
Die eigentümlichste Ehrengabe, welche wohl je gegeben wurde, ist dieser Tage zum 8. deutschen Bundesschießen angemeldet worden. Dieselbe besteht in 100 Ztr. Steinkohlen. Der glückliche Schütze, der dieselben erhält, kann wohl mit Beruhigung dem Winter und seinen Launen entgegensehen.
(Der Rausch als Lebensretter.) Wie selbst die ernstesten Ereignisse von scherzhaften Vorfällen begleitet sind, zeigt folgende kleine, der „Brest. Ztg." als wahr verbürgte Episode aus dem Schwientochlswitzer Unglücksfall, der einen so unverhofft glücklichen Ausgang hatte: A!S die Katastrophe eintrat, wußte man nicht genau, wie viele Bergleute verschüttet seien. Die Frau eines Bergmannes, der sonst in denselben Schacht entfuhr, betrauerte nun mit ihren Schicksalsgenossinucn ihren vermeintlich toten Mann — als derselbe am Abend ganz „gemütlich" auf seine Wohnung zuschritt. Die Frau, im höchste» Grade abergläubisch, bekreuzt sich und glaubte den Geist ihres Mannes vor sich zu haben. Derselbe rief ihr aber schon von Ferne zu: „Er sei es wirklich und leibhaftig, er hätte sich bei Schweitzer (einem Bierlokal, nicht weit von dem Orte der Katastrophe) einen „Rausch" angetrunken und sei anstatt ein- zufahren, bis jetzt liege» geblieben und so dem sichern Tode entronnen." „Und nun wirst Du hoffentlich," so schloß er seine Rede, „nicht mehr schelten, wenn ich wieder einmal eins über den Durst nehme; denn Du wirst cingeseben haben, wie gut dies mitunter sein kaun!" Und in den Armen lagen sich beide und weinten vor Schmerz und Freude.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 30. Juli. Bei einer Postsendung der Zentralstaatskasse an die Staatskasse nach Pest ist ein Abgang von 30000 Gulden entdeckt worden.
Gastei u, 30. Juli. Erzherzog Albrccht von Oesterreich ist heute früh hier eingetrofscn und stattete im Laufe des Vormittags Kaiser Wilhelm einen längeren Besuch ab, welcher vom Kaiser kurz darauf erwidert wurde.
Prof. Jägers Verfahren, alle Genuß- und Nahrungsmittel durch Imprägnierung von Haardust weiblicher Personen „nervenbelebend und geschmackreicher" zu machen, hat das hiefür nachgcsuchte Privilegium in O esterreich nicht erlangen können. Das nieder-österreichische LandessanilätSdepartement hat sich mit aller Entschiedenheit gegen die Privilegierung ausgesprochen und es u. a. für ganz unzulässig erklärt, animalische, möglicherweise von Kranken herstammende Stoffe, denen gewisse Zersetzungsprodukte und niedere Organismen anhaften, den Nahrungsmitteln beizugeben. Uebrigens ist die Bereitung von Nahrungsmitteln in Oesterreich ohnehin nicht privi-
legierbar und Jägers Gesuch hätte demnach so wie so zurückgewiesen werden müssen.
Die Deutschen in Siebenbürgen rüsten sich, um das 700jährige Jubiläum der Einwanderung in das Karpathenland würdig zu feiern. Ein großangelegter historischer Festzug, etwa 1000 Personen werden daran teilnehmen, soll am 24. August d. I. in Hermannstadt stattfinden, um dies für die Geschichte Ungarns denkwürdige Ereignis zu verherrlichen. Möchten doch — so wird von dort aus geschrieben — aus dem Reiche und aus Oesterreich recht zahlreiche Besucher zu den Festtagen in Hermann- stadt sich einfinden, um Zeugnis abzulegen für die Sympathie des Mutterlandes. Die Sachsen bedürfen derselben, um mutig auszuharren im Kampfe für deutsche Sitte und Sprache.
Frankreich.
Das französische Ehescheidungsgesetz wird im Lause dieser Woche im „Journal oisiciell" bekannt gemacht werden. Im Pariser Justizpalast soll man seiner Veröffentlichung mit Schrecken entgegen- schen und für die erste Woche schon 2—3000 Gesuche getrennter Gatten erwarten, welche die Trennung von Tisch und Bett in Scheidung umzuwandeln wünschen. Es ist sogar davon die Rede, einen besonderen Gerichtshof cinzusetzcn, welcher sich nur mit solchen Fällen zu beschäftigen hätte; denn sonst laufen die Beteiligten Gefahr, einige Jahre des erlösenden Spruches harren zu müssen.
Die Zeitung „Figaro" in Paris schreibt einen Leitartikel für ein Bündnis Frankreichs mit Deutschland. Wir wissen, sagt sic, was wir den Franzosen zumuten, unser Vorschlag ist der allerunpopulärste, wir müssen uns aber überwinden, weil cS zum Wohls Frankreichs notwendig ist. Wir müssen einen starken Freund haben, um vorwärts zu kommen. England bekämpft uns unter freundlicher Maske überall, Oesterreich hält sich zurück, Rußland ist zu weit, Italien mißtrauisch und neidisch, bleibt also nur Deutschland, das uns nichts neidet und nichts sucht als Friede und uns der mächtigste nnd zuverlässigste Verbündete sein würde u. s. w. Figaro will sogar wissen, daß der Ministerpräsident Ferry in aller Stille nach Deutschland reisen und mit Bismarck zn- sammenkommen werde. — So schön der Gedanke ist, so wollen mir die Sache vorläufig nicht zu ernsthaft nehmen, sondern daran denken, daß Figaro der Barbier aller Barbiere ist.
Wenn die vom „Figaro" gegebene Anregung sich bewahrheiten und Frankreich zu Deutschland wieder in ein freundschaftliches Verhältnis treten würde, so Hütte man auf beiden Seiten alle Ursache, sich dessen zu freuen. Es ist auch kaum zu bezweifeln, daß „Figaro" mit seinem Vorschlag recht vielen Franzosen ans dem Herzen gesprochen habe. Aber vorläufig dürfte doch auch die unter dem Druck der Chauvinisten stehende öffentliche Meinung sich scheuen, vor aller Welt zu dem Figaro-Artikel sich zu bekennen und noch hat sich kein Franzose in hervorragender Stellung in diesem Sinne verlauten lassen, im Gegenteil hat man bis jetzt durch ein brüskes Auftreten gegen Deutschland sich nur zu empfehlen geglaubt. Allerdings aber sind die Ränke und Kniffe Englands gegen Frankreich der Art, daß es einen nicht Wunder nehmen dürfte, wenn auf einmal den französischen Politikern die Schuppen von den Augen fallen und sie mit dem „Figaro" erkennen würden, wo ihr wahrer Vorteil liegt.
Wie man in Paris heutzutage „Fliegen sängt". Eine sein gekleidete junge Dame ging dieser Tage die Ruc de Sövres entlang, ihr zartes Kindchen aus dem Arme tragend. Plötzlich tritt ein nicht minder feingekleideter Herr auf sie zu und sagt, indem er mit vollendetem Anstand seinen Hut lüftet: „Madame, ich erlaube mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß eine anscheinend giftige Fliege auf dem Capotehütchen Ihres reizenden Kindes sitzt." Die erschreckte junge Mutter, die in diesem Augenblicke in der Thar das Summen einer Fliege zu hören glaubt, griff nach ihrem Battisttaschentuch, um das garstige Tier zu verscheuchen, und der liebenswürdige Herr schlug mit einem Glacehandschuh nach dem Insekt, welches er bald auf der Schulter, bald aus der Tournnre der jungen Frau zu bemerken schien. Endlich zeigte er mit einem triumphierenden „^.lr voilä." der geäugstigten Dame zwischen seinen Fingern den zerdrückten Leichnam einer feisten Fliege vor und ging dann, abermals den Hut ziehend und von der Muster mit Dankesbezeugungen überschüttet,