Stuttgart, 12. Nov. sKartoffel- Obst- und Krautmarkt.j Leonhardsplatz: ISO Säcke Kartoffeln » 3

bis ^ 3.30 pr. Ztr. Wilhclmsplatz: 100 Säcke Mostobst t 5.20 5.so pr. Ztr. Marktplatz: 3000 Stück Fildetkraut j 45 pr. 100 Stück.

Tcttnang, 13. Nov. Die Hopsenbefftzer können ihre Vorräthe zur Zeit wieder besser verschließen, als dies bisher der Fall war. Auswärtige Hopfenhäudlcr, welche größere Ein­käufe mache», bringe» mehr Leben in den Handel. Der im Bezirk noch vorhandene Hopfenvorrath wird auf 400500 Ctr.

geschätzt.

Weinpretfe.

Reutlingen, 14. Nov. Nach den von den Keltern- schreibern gesührlen Registern beträgt der höchste Preis für den heurigen Wein 25 «A, der mittlere 21 der niederste 18 66 ^ per Hektoliter. Uebrigens ist nur ein kleiner Theil des diesjährigen Weins verkauft worden.

Lm unbekanntes derbrechen.

(Fortsetzung und Schluß.)

Alle diese Umstände, vielleicht ursprünglich nur durch meine lebhafte Phantasie bedeutsam gemacht, be­schäftigten meinen Geist auf das lebhafteste. Es gab Augenblicke, wo ich mir sagte, daß ich bei meinem leidenschaftlichen Interesse an der Sache, die meine ganze Seele ausfüllte, zu viel in dieses zufällige Er­eigniß hineinlegte. Indessen ich wurde den Gedanken daran nicht los. Es ist unbestreitbar, daß, wenn der menschliche Geist sich lauge und beharrlich in eine Sache vertieft, wenn er alle seine Kräfte auf die Lösung eines Problems mit ganzer Ausschließlichkeit richtet, seine Macht sich gleichsam verdoppelt. Er erlangt eine Divinationsgabe, die ihn die Beziehungen zwischen Dingen, die scheinbar nichts mit einander zu thun ha­ben, entdecken läßt, wo bei geringerer Präoccupation der Geist Anderer sich mehr oder weniger indifferent verhalten würde, sonst könnte ich mir die feste Ueber- zeugnng nicht erklären, die mit der Schnelligkeit und mit der Bedeutung des Blickes sich mir in dem Au­genblick aufdrängte, wo die erwähnte Erscheinung meinen Augen sich darbot.

Jetzt handelte es sich darum, die Spur des Reiters wieder aufzufinden. Schnell aus dem Hause zu stürzen, dem galloppirenden Pferde nachzueilen, wäre unnütze Mühe gewesen. Hatte ich auch die Richtung wahrgenommen, welche der Mörder Theresens doch ich sage wohl schon zu viel ich will sa­gen : der scheue Reiter eingeschlagen, so zählt doch der Grunewald der Reitwege zu viel, als daß man auf ein Zusammentreffen mit einem Besucher derselben eini­germaßen rechnen konnte. Ein anderes Mittel lag näher.

Am nächsten Tage gegen zwei Uhr bewegte ich mich in Berlin Unter den Linden, das war die Zeit, wo der Hof, die Aristokratie, und was sonst nicht blos Equipagen oder Reitpferde besitzt, sondern auch die Muße und das Bedürfniß hat, sich in freier Luft den Appetit zum Diner zu stärken, nach dem Brandenbur­ger Thor zu passtrte. Die Person, die ich suchte und die unstreitig der Aristokratie angehörte, konnte mir hier oder im Thiergarten, dem Sammelplatz der fa- schionabeln Welt, kaum entgehen. So war mein Rai- sonnement. Es dauerte nicht lange, so hatte ich die Genugthuung, mich von der Richtigkeit meiner Berech­nung zu überzeugen. Kurz vor 3 Uhr sah ich meinen Unbekannten ankommen, denselben Rappen reitend wie am Tage zuvor. Mit einem einzigen Blicke erkannte ich den Reiter und das Pferd wieder. Dieses Mal hatte Jener aber eine Dame bei sich, eine elegante Amazone, durch deren Schleier sehr feine und vornehme Züge hindurch leuchteten. Das Paar vermuthlich doch Mann und Frau nahm die Richtung nach dem Brandenburger Thore zu. Ich folgte erst zu Fuß, dann bestieg ich an dem Thore, wo Wagen hiel­ten, welche auf Fahrgäste nach Charlottenburg und Spandau warteten, einen derselben allein und gab dem Kutscher Anweisung, dem Reiterpaare zu folgen, ohne solche Fühlung auffällig zu machen. Der Herr und die Dame schwanden uns zwar wiederholt aus den Augen, doch auf kürzeren Wegen erreichten wir sie immer wieder. Gegen 5 Uhr kehrten wir durch das Potsdamer Thor in die Stadt zurück.

Vor einem der ersten Häuser der Leipziger Straße hielt das Reiterpaar an; ein großes Thor öffnete sich und schloß sich hinter ihnen. Diesem Hause gegenüber befand sich ein Grünthaler-Bier-Keller. Wo hätte ich mich bester über den Gegenstand meiner Verfolgung unterrichten können? Der Wirth stand vor dem Keller. In dem Augenblicke, wo ich mich ihm näherte, um die Stufen zum Souterrain herabzusteigen, bemerkte ich, daß die beiden Pferde, die soeben in das gegenüber­liegende herrschaftliche Haus eingelassen waren, von einem Reitknechte wieder herausgeführt wurden, ver­

muthlich um sie nach ihrer Pension in der Dorotheen­straße zurückzubringen.

Zwei schöne Thiere," sagte ich zu dem korpu­lenten Bierwirthe.Wem gehören sie?"

Dem Grafen P., dem Besitzervon dem Hause da."

Glücklicher Maun; ein reizendes Weib hat er auch; ich habe es eben erst gesehen."

Allerdings es sind ein paar beneidenswerthe Leute."

Wie lange sind sie schon verheirathet?"

Kaum sechs Monate. Sie sind erst vorige Woche von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrt. Bei solchem Vermögen läßt es sich schon leben."

Wie so?"

Der Graf hatte nichts; der war ein simpler Legationssecretär oder so etwas bei der ... . 'schen Gesandtschaft. Ein vergnügtes Leben und Schulden, das findet man oft zusammen. Da verliebte sich die Tochter von dem Commerzienrath schon in ihn, die einzige Tochter des steinreichen alten Banquier- hauses. Er machte sie zur Gräfin, sie ihn zum hal­ben Millionär. Das glich sich so ziemlich aus. Aber was half's? Die Tochter wäre eher gestorben, als daß sie den Grafen hätte fahren lassen, und der Gras gab sie auch nicht so leicht wieder heraus . . ."

In diesem Augenblick ging ein Bedienter in Livree an uns vorüber und stieg die Stufen zum Keller hinab.

Das ist des Grafen Diener," flüsterte mir der Wirth zu.

Ich folgte ihm in den engen Raum.

Guten Abend, Joseph," sagte der Kellner zu dem verdrießlich ein Glas Bier fordernden und an einem Tische sich niederlassenden Diener,wie geht es?"

Schlecht. Man hat keinen Augenblick Ruhe in diesem Hause. Heute Abend geht es wieder in die russische Gesandtschaft, und morgen reisen wir nach Baden-Baden.

Ich hatte keinen Augenblick zu verlieren, wenn ich mich nicht um die Gelegenheit bringen wollte, in meiner Untersuchung einen großen Schritt weiter zu kommen. Also schnell aus der Bier- und Bedienten- Atmosphäre heraus!

Meine Schritte lenkte ich nach meiner Berliner Wohnung, die ich nicht betreten hatte, seitdem ich in Charlottenburg installirt war. Wenn in der russischen Gesandtschaft Abendgesellschaft war, so mußte ich noth- wendig daselbst eingeladen sein. War ich doch den ganzen Winter regelmäßiger Gast bei Excellenz . . . gewesen. In der That lag die Einladung bei meiner Wirthin, die sie mir nicht nach Charlottenburg nach­geschickt hatte, weil sie mich erwartete. Ich nahm mein Diner bei Gabel ein, legte dann zu Hause den Frack mit allem Zubehör an, und fuhr um 9 Uhr beim Hotel der russischen Gesandschaft Unter den Linden vor. Was wollte ich da eigentlich? Mich amüstren? Tanzen? Den Damen den Hof machen? Das wohl nicht.

Ich mochte eine Viertelstunde anwesend sein, als man den Grafen P. meldete. Er war allein. Einige Herren näherten sich ihm und erkundigten sich nach seiner Frau Gemahlin. Er antwortete, die Gräfin sei leidend, und, da am andern Tage die Reise nach Baden vor sich gehen sollte, so hätte sie zu Hause bleiben müssen. Er drückte auch selbst die Absicht aus, sich frühzeitig zurückzuziehen; während dieser Unter­haltung konnte ich ihn sehr bequem beobachten. Es war ein sehr stattlicher Herr von bestem Aussehen. In seinen Manieren lag Ungezwungenheit und Vor­nehmheit. Sein schwarzer Schnurrbart hob sich etwas scharf von einer außerordentlichen Beweglichkeit.

Ich bemerkte, wie er nach einem Spielzimmer sich begab. Mein Weg ging eben dahin. Zwei Her­ren seiner Bekanntschaft, die an einem Wirthstisch sa­ßen, plauderten mit einander, als sie ihn bemerkten und zum Spiel aufforderten, gleichzeitig sich nach einem vierten Spieler umschauend. Ich ließ mich dem Grafen und seinen Freunden durch einen Attachö der russischen Gesandtschaft ein. Der Graf P. war mein erster Partner.

Er spielte ziemlich schlecht, zerstreut, unruhig, wie in einer nervösen Aufregung. Ich selber war auch mehr mit etwas Anderem als mit dem Spiel beschäftigt.

Wäre es auf den Grafen P. angekommen, so wäre die Partie vielleicht bald abgebrochen worden, aber die anderen Herren zeigten mehr Passion, und ich selber hatte keine Ursache, der Fortsetzung zu wi­dersprechen.

Gleich zwei Uhr," sagte der Graf, seine Uhr Ziehend.

Oh, dann kann ich ja nicht mehr'nach Char­lottenburg, bemerkte ich.

Der Graf zeigte dabei nichts Auffälliges in sei­nem Benehmen, aber es entging mir doch nicht der eigen- thümliche Blitz aus seinem Auge, der in flüchtigster Weise mich traf. «

Sie wohnen in Charlottenburg, Herr v. A.?" fragte er mich ganz gleichgiltig und als wenn er nur etwas sagen wollte.

Ja, seit einigen Wochen", antwortete ich lachend, in einer wahrhaften Dichter- oder verliebten Einsam­keit, im verborgensten Winkel, am äußersten Ende der Schloßstraße, an der Ecke der Grunewaldstraße, fünf­hundert Schritt von jenem bewohnten Hause, in einem Garten, wo es denken sie sich wo es allen Ernstes spuckt, schon seit sieben oder acht Monaten..."

Die Aufmerksamkeit des Grafen spannte sich schnell, und ich mußte die Augen abwenden, um nicht von dem Feuer der seinigen verzehrt zu werden. Unsere beiden Mitspieler erinnerten uns ans Spiel. Jetzt aber ging der Graf so mit den Karten um, daß er die elementarsten Regeln des edlen Whist vergessen zu haben schien. Er konnte sich nicht wieder sammeln. Das Spiel mußte abgebrochen werden. Die Salons waren fast alle schon leer. Es war sogenannter klei­ner Empfang, d. h. Thee ohne eigentliches Souper.

Gehen wir noch ein Stündchen zu Gabel," schlug ich dem Grafen vor.Ein Glas Wein und ein Beefsteak wird uns noch wohl thun." Der Graf machte erst allerlei Einwände, zeigte dabei aber doch einiges Schwanken, als wenn es ihm nicht so ganz gleichgültig wäre, von mir zu gehen, als wenn er mir noch etwas zu sagen hätte, oder von mir noch etwas hören wollte. Kurz er folgte mir, anscheinend ziemlich ruhig. Wir waren bald bei Gabel installirt, und saßen dort in einem Zimmer ganz allein. Der Graf, anfangs ganz stumm, nichts, aber sehr hastig ein Glas Raut goutoruos nach dem andern, bestellte dann Champagner, trank ihn noch hastiger, und ver­fiel bald in eine ermüdende Schmätzigkeit.

Wiederholt fragte er mich nach meinem Sommer- Aufenthalt in Charlottenburg, brach aber so schnell wieder davon ab, auf einen ganz gleichgültigen Gegen­stand überspringend, daß ich nie mehr zu Worte kam. Mit einem Male senkte sich sein Haupt. Er schlief am Tische ein. Es gelang mir, ihn zu wecken. Ich bot ihm eine Tasse Kaffee an. Er lehnte das ab u. verlangte mitten in einer lauen Sommernacht und im schmalen Zimmer ein Glas Grogk. Es war bald zur Stelle. Er leerte es in einem Zuge und lehnte sich dann in seinem Stuhle zurück, um wieder einzuschlafen, wobei das Glas auf die Erde fiel und laut zerbrach.

Was war da zu thun? ich wandte mich an den einzigen Kellner, der unseretwegen noch anwesend war.

I, da ist bald zu helfen," erwiderte derselbe, der Wagen des Herrn Grafen hält noch draußen."

Richtig, ohne daß ich es wußte, war der Kutscher des Grafen uns von der russischen Gesandtschaft nach der Weinstube gefolgt und wartete draußen noch auf seinen Herrn. Mit Hülfe des Kellners schleppte ich den von Schlaf erstarrten Grafen in seinen Wagen u. rief dem Kutscher zu: Nach Charlottenburg, Schloß­straße rc.

Erst unterwegs stiegen Bedenken bei mir auf. That ich recht? Abermals schlug mich das ganz und gar beherrschende Interesse alle andern Rücksichten nieder. Zudem hatte, so vollständig ich auch meiner Sinne mächtig war, doch der Wein auf mich Wirkung genug ausgeübt, um kühner zu handeln, als ich es sonst wohl gethan hätte. Ich fühlte die schwere Ver­antwortlichkeit meiner Handlung und unterlag doch der Versuchung, die für mich in dem Gedanken lag, in eben dieser Nacht meinen Prozeß zu Ende zu führen, den Mörder zu confrontiren mit mit seinem Opfer. Die ersten Folgen, die eine solche Gewaltthat für mich haben konnte, machten in meiner Aufregung sich nicht geltend genug, um von meinem Vorhaben abzustehen. In jedem Augenblicke, wo ich dem Kutscher zurufen wollte, umzukehren, kam ein höherer Wille über mich, der mich selber willenlos machte. Ich wagte es.

Wir waren nach einer Fahrt, die mir unendlich lang schien, an Ort und Stelle. Es war längst Heller lichter Tag, fast fünf Uhr Morgens. Ich ließ den Kutscher zurückkehren, nachdem ich vorgegeben hatte, sein Herr hätte den Wunsch ausgedrückt, den Som-