Vollendung der Schiffswerft in Danzig den Plan gefaßt hat, diese See-Festung in gleicher Weise als Flotten-Station wie Kiel und Wilhelmshaven auszubauen.
Berlin. Das benachbarte Wei ßensee befindet sich seit Dienstag Nachmittag in begreiflicher Aufregung. Dort ist ein dreifache r Selbstin ordresp. Selbstmordversuch halbwüchsiger Burschen, von denen einer auf der Stelle todt blieb, der zweite sich lebensgefährlich verwundet hat, während der dritte unverletzt blieb, vorgekommen. Zu den allgemein als Schläger bekannten Burschen, die trotz ihrer Jugend auch schon ihre „Bräute" hatten, gehörten der Gärtncrlehrling Wilhelm Schmidt, genannt Jhrke, der 17jährige Sohn einer respektabel!, Wittwe, ferner der Klempner Krüger,,Sohn des Chaussie-Aussehers, 18 Jahre alt und ein gewisser Brosin, 16 Jahre alt, der in Berlin bei einem Goldarbeiter früher in Arbeit gestanden hat. Die drei Burschen hielten stets zusammen und führten ihre Streiche gemeinsam aus. Am Sonntag entdeckte man nun im Hanse des Herrn Curio, daß aus der verschlossenen Lade des Dienstmädchens durch gewaltsamen Einbruch ein Portemonnaie mit allerdings geringem Inhalt gestohlen war, und da der Verdacht sich aus Schmidt lenkte, so wurde derselbe von Herrn Curio entlassen. Am Montag Morgen nun kauften sich Schmidt, Krüger nnd Brosin, nachdem sie vorher ihre Uhren versetzt hatten, aus dem Erlös derselben je ein Doppel-Terzerol u. trieben sich den ganzen Tag und auch am Dienstag Vormittag in der Umgegend von Weißensee umber, wobei sie eine Menge Pulver verknallten. Mittags um 3 Uhr kehrten sie in den Ort zurück, begaben sich zu ihren Angehörigen und erklärten denselben, daß sie sich nunmehr erschießen würden. Dem Schmidt und Brosin glaubte man nicht, die Mutter und Schwester Krüger's jedoch hielten seine Drohung nicht für unwahrscheinlich, und als sie ihn baten, erklärte er, sich vor ihren Augen erschießen zu wollen, wenn sie ihn nicht in Ruhe ließen. Dann trafen sich die drei Burschen wieder und zogen Arm in Arm und laut „Morgenroth, Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod" singend, die Bcrnauer Chaussee entlang. . . . Um vier Uhr hörte man plötzlich von Neuem lebhaftes Schießen in großer Nähe. Als die Bewohner aus den Häusern stürzten, sahen sic die Drei an der Chaussee: Krüger stürzte hin, und die beiden Anderen liefen davon. Als man zu Krüger kam, fand man, daß derselbe schwer, ja lebensgefährlich verwundet war. Eine Kugel war ihm in den linken Lungenflügel gedrungen. Während er von Ortsbewohnern schnell in das Haus seiner Eltern getragen wurde, machten sich andere Leute mit dem Ortsvor- stehcr Schnltze an der Spitze, an die Verfolgung Schmidt und Brosin, die einen Borsprung von 1000 Schritt gewonnen hatten. Plötzlich ein neuer Knall, Schmidt stürzt nieder, und als man herankommt, findet man eine Leiche. Die Kugel war mitten in's Herz gegangen. Der Dritte, Brosin, lief noch einige Schritte, dann feuerte er einen Schuß in die Luft und gleich darauf einen zweiten auf sich. Auch er stürzte. Als mau aber keine Spur von Verwundung an ihm entdecken körnte, griff der Ortsvorsteher zu einem Mittel, das zwar etwas drastisch war, sich aber als sehr wirksam erwies: Er gab dem Jungen eine Ohrfeige, die ihn auch sehr schnell auf die Beine brachte. Die Kugel war dem Burschen zwischen dem Arm und der Brust durchgegangcn. Ob er nur Komödie gespielt, als er sich aus die Erde warf, oder ob er, wie er selbst behauptet, wirklich geklaubt hat, daß er todt sei, ist nicht aufgeklärt. Brosin gibt gn, daß eine Anregung zu dem gemeinschaftlichen Selbstmord von Schmidt ausgegangeu sei. Die Burschen hatten sich vorher noch bei einem Schnellphotographcn auf schwarzumränderten Karten abnchmen lassen und hatten diese „Andenken" in weh- müthigen Abschiedsbriefen an ihre „Bräute" — von denen Jeder eine Anzahl besessen zu haben scheint -- hinterlassen.
Die „Nordd. Mg. Ztg." bezeichnet die Nachricht eines Berliner Blattes, daß zwischen dem Reichskanzleramt und den Bundesregierungen eine lebhafte Korrespondenz über die angeblich beabsichtigte Vereinigung des Reichsjustizamtes mit dem preußischen Justizministerium geführt werde, als völlig auS der Luft gegriffen. (St.-A.)
Im prenß. Finanzministerium (so schreibt man der Frks. Z.) wird jetzt an einer Vorlage über die Aörsensteuer gearbeitet; auch der neulich von dem konservativen Abg. v. Hetchen hei der Budgetdebatte geäußerte Wunsch, daß eine Quittungssteuer in das Bereich der Finanzplane gezogen werde, solle nicht spurlos an Herrn Bitter vorübergegangen sein.
Der Besuch, welchen der französische Botschafter Graf Saint Ballier dem Reichskanzler in Varzin abstattet, muß als ein Beweis der intimen Beziehungen betrachtet werden, welche zwischen den beiden Staatsmännern bestehen. Der Ausflug des Kanzlers hat Aufsehen gemacht. Es sei bei dieser Gelegenheit con- statirt, daß die Hoffnung auf Besserung in den Beziehungen Deutschlands und Frankreichs, welche sich an die Ernennung des Grafen St. Ballier zum Botschafter knüpften, vollkommen erfüllt wurden. Dem Grafen selbst ist an einer Verständigung mit Deutschand viel gelegen. Man erzählt sich von ihm die Aeußerung, er werde unwiderruflich zurücktreten, falls die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten ihren freundschaftlichen Character verlieren werden.
Bei'm Kaiser hat sich ein Mädchen schriftlich die Gnade erbeten, unter die schwarzen Husaren eingereiht zu werden.
Oesterreich—Ungar».
Wien. 14. Nov. Das dänische Königspaar
und das russische Thronfolgerpaar sind gestern Nachmittag 4*/, Uhr hier eingetroffen und wurden von dem Kaiser, dem russischen Botschafter, dem dänischen Gesandten und den Spitzen der Behörden empfangen. In der Hofburg wurden die hohen Gäste von der Kaiserin bewillkommnet. (St.-A.)
Wien, 14. Nov. Die Begrüßung zwischen den hohen Herrschaften war eine sehr herzliche. Der Kaiser begrüßte mit Handkuß die Königin von Dänemark und die Großfürstin wechselte einen Händedruck mit dem Könige von Dänemark und umarmte und küßte den Großfürsten mehrmals. Nach Besichtigung der Ehrenkompanie und Vorstellung der Gefolge verließen die Herrschaften den Perron, wobei der Kaiser die Königin und der König von Dänemark die Großfürstin geleitete, während der Großfürst und der Herzog vom Cumberland folgten.
Wien, 14. Nov. Bei dem gestrigen Empfang des Zarewitschs am Bahnhof fiel es auf, daß Letzterer nicht die Uniform seines österreichischen Regiments, sondern eines russischen Generaladjutanten trug. Die Erzherzöge waren nicht am Bahnhofe. Sowohl das Publikum am Perron, als auch dasjenige auf der Straße verhielt sich eisig kalt. Kein einziger Hochruf wurde laut.
Schweiz.
Vergangene Woche ist man bei Bohrung des Richtstollens am Gotthardtunnel auf der Nordseite wieder einmal auf weiches Terrain gestoßen, welches Unterholzung nothwcndig machte. Im Ganzen sind jetzt noch 613 m zu durchbohren.
Dänemark.
In Dänemarck scheint man auch eine Annäherung an Deutschland anzustreben. In der dänischen Volksvertretung, im Folkething, sprachen sich verschiedene Abgeordnete bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Revision der Militärgesetze und den Landesvertheidigungsplan im deutschfreundlichen Sinne aus; überhaupt scheint im dänischen Volke in dieser Richtung eine Sinnesänderung immer mehr zur Geltung zu kommen, die vielleicht nur von den Hofkreisen durch persönliche Beziehungen noch fern gehalten wird.
Spanien.
Madrid, 13. Nov. Kammer. Auf die gestrige Anfrage Carvajals erwiderte der Minister des Auswärtigen: Die Vermätzlung des Königs habe überhaupt keine politische Bedeutung. Die Souvcrä- netät Spaniens über den Suliarchipel sei eine absolute; Marokko gegenüber werde Spanien den Status guo beobachten. (Tüb. Ehr.)
Die Vermählung des Königs Alphonso von Spanien mit der Erzherzogin Christine, ist definitiv auf den 17. November festgesetzt.
Frankreich.
Paris, 15. Nov. Anläßlich des an der gestrigen Börse verbreiteten Gerüchtes beschäftigte sich der Ministerrath heute mit den auswärtigen Angelegenheiten. Der Minister des Auswärtigen, Waddington, erklärte, es lägen ohne Zweifel im Orient Schwierigkeiten vor, die der Lösung harrten. Nichts lasse eine Actiou der Mächte außerhalb des diplomatischen Terrains befürchten. Das Journal „Le National" sagt, Finanzminister Leon Sah habe erklärt, daß die Baisse an der gestrigen Börse lediglich von der Speculation herbeigeführt worden sei. England.
Englische Blätter beschäftigen sich neuester Zeit viel mit Niederland und bestreben sich, den Niederlanden Furcht für die Sicherheit ihrer ostindischen Colonien und ihre eigene Existenz einzuflößen, indem sie darauf anspielen, daß dem deutschen Reiche eine Vergrößerung durch die fruchtbaren und reichen Lan- destheile Hollands sehr gedient sein müsse. Einige sprechen sogar den Wunsch aus, die beiden niederländischen Staaten, Holland und Belgien wieder vereinigt zu sehen, um dadurch eine Macht herzustellen, in welcher England einen Bundesgenossen auf dem Continent finden würde. Holland wird aufgefordert, die Ereignisse nicht schläfrig abzuwarten, sondern bei Zeiten Maßregeln zu ergreifen, um nöthigenfalls seine bedrohte Unabhängigkeit zu wahren. Es wird dabei auf das deutsch - östreichische Biindniß als drohend hingewiesen. Das Amsterdamer Handelsblatt erwidert darauf, daß man sich auf die Politik Englands nur gar nicht verlassen könne. Staaten wie Holland, Belgien oder Dänemark müssen es sehr bedauern, daß man zu den englischen Versprechen und Garantien nicht das mindeste Vertrauen haben könne,
denn England würde seine Bundesgenossen sofort fallen lassen, wenn das im augenblicklichen Interesse Englands sei.
Wenn man dem englischen Premier Glauben schenken könnte, so hinge jetzt der politische Himmel voll Friedensgeigen. Lord Beaconsfield's Rede beim letzten City-Bankek war wenigstens eitel Hoffnung und Frieden. Freilich unterließ der edle Lord in seinem Speech das Verhältniß Englands zu Rußland in der Türkei zu erwähnen; da dies aber die Hauptpunkte sind, welche die englische Friedenspolitik irritiren könnten, so sehen wir nicht gut ein, wieso man einer Rede, die gerade das wichtigste todtschweigt, eine so große Bedeutung beilegen kann, wie dies bezüglich der Aeußerung Beaconsfield vielseitig geschieht. Mit wahrem Hohngelächter ist der Theil der Rede des Premiers in Irland ausgenommen worden, der sich auf die schlechte Ernte und die traurige Lage dieses Königreichs überhaupt bezieht. Beaconsfield tröstet die Irländer damit, daß England eine noch schlechtere Ernte als sie gehabt hätte und daß der Appell Irlands an die Großherzigkeit Englands in diesem noch stets offene Ohren gefunden habe. Wer die über alle Beschreibung jammervolle Lage der irländischen Pächter kennt, kann sich nicht wundern, daß sic diesen Trost voll Hohn aufnahmen. Man läßt das Land von den englischen Lords aussaugen und verspricht dagegen den der Verzweiflung nahen Bauern und Pächtern — englische Almosen! Und dann wundert man sich, daß diese Leute rebclliren und Verschwörungen anzetteln! Millionen über Millionen wirst das reiche England für unfruchtbare Kriege in allen Welttheilen hinaus, für Irland hat es nur — Almosen!
Rußland.
In Rußland ruft das Gerücht große Mißstimmung hervor, England wolle vom Sultan die Er- laubniß zu Errichtung von Seestationcn im Schwarzen Meere erwirken. Dieser drohenden Gefahr, daß dieses Meer in einen englischen See verwUidelt würde, muß Rußland mit allen ihm zu Gebote stehenden Maßregeln entgegentreten, um so kräftiger, als das Schwarze Meer Jedermann zugänglich ist, wenn der Sultan es erlaubt. Also entweder schlägt der Sultan England das Verlangen nach Seestationen im Schwarzen Meere ab oder tritt auch Rußland Ankerplätze an irgend einem Punkte der Küste Süd-Kleinasiens in der Nähe deS Einganges zum Schwarzen Meere ab.
Ein Gegenstand öffentlicher Meinung im ge- sammtcn Europa war bisher fast ununterbrochen der frühere Polizeimeister Graf Schuwaloff, ein ausgezeichneter russischer Staatsmann. Derselbe zählte zu den Wenigen, welche freie Ueberzeugung genug besaßen, den „panslavistischen" Ideen der russ. Politiker entgegenzutreten. Die Panslavisten, also Diejenigen, welche das russ. Slaventhum zum Alleinherrscher in Europa erheben wollen, und demzufolge in erster Linie in dem Deutschthum ihren bittersten Feind sehen, boten natürlich Alles auf, den ihnen mißliebigen deutschfreundlichen Staatsmann zu stürzen. Graf Schuwaloff war ein Mann des Friedens und der Mäßigung, der offen aussprach, ein Krieg würde auch im günstigen Falle den inneren Frieden des in einer schwierigen Uebergangsphase begriffenen ungeheuren russ. Reiches erschüttern — und auch Recht behielt. Als vollends bekannt wurde, daß Graf Schuwaloff den Czar zum 1878er Frieden gerathen, als die Nachricht noch kam, daß er nicht nur die Beschickung des Berliner Congresses, sondern auch im Mai 1878 in Friedrichsruh mit dem Fürsten Bismarck, dem Gegner des russ. Kanzlers Unterhandlungen gemacht habe, ward er der unpopulärste Mann in Rußland. Der Berliner Congreß ward in den Augen der Russen zum Vaterlandsverrath. - Graf Schuwaloff, der wärmste Freund Deutschlands, ist darum aus der russ. Diplomatie ausgeschieden! Das fällt um so schwerer ins Gewicht, als man in St. Petersburg augenblicklich von der Absicht geleitet zu werden scheint, Deutschland gegenüber wieder einzulenken, wenn auch allerdings nur zum Scheine.
Kandel L Werkehr.
Heilbroun, 14. Nov. Die Futter- und Getreidepreise sind im Kaukasus dieses Jahr sehr hoch. Der Walzen kostet dreimal, Heu und Gerste (Gerste wird als Roßfutter benützt) vier- bis fiinfmal so viel als in andern Jahren. Heuschreckenschwärme, große Anzahl von Mäusen, Schwärme von Spatzen und Käfern, sowie die Dürre wirkten zusammen, um im ganzen Kaukasus die Ernte zu einer sehr geringen zu machen.