Berlin, 12. Febr. Die Vorlage über die Strafgcwalt des Reichstages ist dem Reichstag zugegangen. DerRcichstags-Abgeordnete Stumm brachte den Antrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung obligatorischer, nach dem Muster der Änappschafts - Vereine einzurichteuder Altersversorgungs- und Invaliden - Kassen für alle Fabrikarbeiter, wieder ein.
Berlin, 15. Febr. Die Gerüchte, das; direkte Verhandlungen zwischen Dr. Falk und dem Vatican stattfänden, sind widersinnig und unrichtig. Ebenso sind die Gerüchte über eine Spannung zwischen Bismarck und Maybach leere Erfindung.
Berlin, 15. Febr. Eine Deputation aus Hadcrsleben ist cingetrvfsen, tun anlässlich der Aushebung des Artikels 5 des Prager Friedens dem Kaiser eine Dankadresse zu überreichen. Die Deputation wird Morgen , um 1 Uhr von dem Kaiser in Audienz empfangen.
Die Thronrede nimmt in dem Exemplar, von welchem der Kaiser sie abgelcsen, nicht weniger als 22 Folio-Druckseiten ein, so groß ist die Schrift, die dazu verwendet worden, damit der Kaiser sie ohne Anstrengung zu lesen im Stande sei. Das „B. F." bemerkt dazu, „das; jede von einem gekrönten Haupte gehaltene Thronrede stets in großer Schrift besonders gedruckt wird."
Folgenden Brief an den Kaiser hatte ein Schnlknave in Kosen abgesandt: Kosen, 12. Jan. 1879. Mein allergnädigster, durchlauchtigster Kaiser. Ta ich den 17. Februar 1879 das 14. Lebensjahr erreiche, so verlasse ich Ostern die Schule, und dann bin ich ganz verlassen, denn ich habe keine Eltern mehr und meine alte, ganz arme Großmutter kann nichts verdienen, sic ist tvdtkrank. Mein Vater ist 1860 am 6. Juli bei Königgrätz als preußischer Soldat vom Feinde erschossen worden und meine Mutter ist in Frankreich spurlos verschwunden. Deshalb habe ich eine Bitte an Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit, die doch Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit zu erfüllen eine Kleinigkeit ist, nemlich mich ans eine Militairschnle zu thnn, denn ich bin ganz militairisch, selbst in der Nacht träume ich immer davon. Wenn ich, mein allergnädigster Kaiser, Ew. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit Ihren Namen nicht hoch genug gepriesen habe, so bitte ich um gütige Verzeihung. Ew. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit unterthänigster R. 6. — Als Antwort auf diesen am 13. Jan. abgegangenen Brief traf am 31. Jan. von der Direktion des Soldatcnknabeninstituts in Annaburg bei dem Magistrate in Kösen die Aufforderung ein, über die Verhältnisse des kindlichen Bittstellers schleunigst sich zu äußern, was denn auch prompt und mit dem Hinzufügen geschah, das; die Schilderung der Verhältnisse des Jungen durchaus wahrheitsmäszig sei.
Braunschweig, 13. Febr. Der Bericht der Rcgentschastsgesetzkommission hebt hervor, die Landes- versammluug habe der Weigerung des Herzogs von Cumberland, die deutsche Bundesverfassung anzuer- kenncn, die Folge beigclegt, das; der Herzog von Cumberland sich damit für die Thronfolge in einem deutschen Bundesstaate unmöglich gemacht habe. Oesterreich-Ungarn.
Wien, 13. Febr. Die „Wiener Abendpost" würdigt die Bedeutung der deutschen Thronrede. Sie sagt, Kaiser Wilhelm habe sich in dieser wichtigen Kundgebung an die Spitze der europäischen Friedens- mächtc gestellt. „Bei der Machtstellung Deutschlands ist diese Kundgebung mehr als eine Friedensbotschaft; sie ist zugleich eine Friedensbürgschaft."
Wien, 14. Febr. Die Kabinetsbildung mit Stremayr als Präsident und Taaffe als Minister des Innern gilt als abgeschlossen. Auersperg wird Präsident des obersten Rechnungshofes; Dr. Unger wird wieder Universitäts-Professor. Die Publikationen erfolgen wahrscheinlich am Sonnabend.
Prag, 13. Februar. Das Grubenunglück scheint von schlimmen Folgen für der Teplitzer Bäder zu sein. Seit heute früh blieb das Wasser des städtischen Bades aus, dagegen nimmt das Gru- benwasscr, das sehr wärmehaltig ist, zu. Die Stadtvertretung von Teplitz ist zusammengetreten und hat telegraphisch in Wien um die Absendung einer Kommission der geologischen Reichsanstalt gebeten.
Teplitz, 14. Febr. Es ist eine Permanenz- Commission gebildet worden, welche ohne Unterbrechung den Wasserstand und die Wärme in den Duxer Schächten und Bädern zu untersuchen hat. Die Be
stürzung der Bevölkerung ist über alle Beschreibung groß. Der Theater-Maskenball und der Gewerbe- Ausstellungsball sind abgesagt worden. Nachmittags wurden gegen 80,000 Gulden Sparkasseu-Eiulagcu erhoben. Die Stadt-Badeguelle rieselt nur noch schwach. Das Wasser im Bassin ist per Stunde 6 bis 7 Ceutimeter gefallen, so das; es um 5 Uhr Abends von 104 aus 13 Etin. gesunken war. Die Wassertemperatur ist von 39Vs auf 34'sto Grad gesunken. Der Minister-Präsident meldete auf das Gesuch der Stadtverordneten, das; die geologische Commission bereits eruanut sei und morgen ciutresfen werde. Im Nelsonschachte ist seit Mittag das Wasser 3 Meter über dem Niveau geblieben, im Dvllinger- schacht ist cs seit Mittag über 2 Nieter gestiegen. Neuerdings steht auch der Univnsschacht unter Wasser und der Rallingerschacht mußte ebenfalls geräumt werden.
Teplitz, 14. Febr. Tic vom Ministerium zur Untersuchung der Sachlage hinsichtlich der Dux-Ossc- ger Kohlengruben und der hiesigen Heilquellen ab- gesendeteu Geologen Professor Laube und Bergrath Wolfs sprechen sich nach eingehender Prüfung dahin aus, daß der gesunkene Urquell im Stadtbade nicht verloren gegangenl vielmehr baldige Aussicht aus Wiederherstellung der früheren Leistungsfähigkeit vorhanden sei. Der Wasserstand ist den Kohlengruben von Dnx-Ossegg ist noch im Steigen begriffen.
Italien.
Rom, 16. Febr. Kath. Blätter veröffentlichen ein apostolisches Papstschrcibcu vom 15. d. M., betr. die Anordnung einer allgemeinen Jubelfeier. Der Papst bestimmt zur Jubelfeier gemäß allem Gebrauch seiner Vorgänger den Jahrestag der Papstwahl, namentlich in Hinblick ans die veklagenswerthen Ver hältnisse die,er Zeitepoche und der Kirche. Die Jubelseier dauert vom 2. März bis 1. Mai.
Frankreich.
Die reaktionären Blätter erheben großen Lärm über einen Beschluß des Pariser Gemeiudcraths, wornach dem Konnte, welches sich mit der Unterstützung der zurückkehrendcu Kommunarden beschäftigt, 100,000 Frs. auS städtischen Geldern zugewiescn werden. Der Pariser Gemeinderath hat schon manche Thvrheiteu begangen, aber gleichviel von welcher Absicht er sich in dieser Angelegenheit leiten läßt, so kann im Grunde Niemand darüber aufgebracht sein, das; man au die Versorgung der zurückkehrendeu Sträflinge denkt. Das „PayS" bemerkt dazu: 100,000 Frs. vom Gemeinderath votirt! Eine öffentliche Sub- scriptiou! Alles dies für die Leute, welche Paris in Brand gesteckt haben. Man glaubt zu träumen. Man bringt nicht nur die Schufte wieder zurück, sondern man zwingt auch noch die Steuerträger, die von ihnen ausgcplüudert, gcbrandschatzt, erwürgt worden sind, ihnen noch Geld zu geben. Wie wir früher die Milliarde für die Emigranten hatten, so haben wir jetzt die Milliarde für die Communards. Am Ende wird man ihnen noch eine Entschädigung dafür bewilligen, daß sie sich von Paris hatten wegbemühen müssen. Eine wahre Apotheose des Verbrechens."
Aus der Abgeordnetenkammer in Frankreich kommt eine kurze aber recht wichtige Nachricht. Es ist nämlich von dem Abgeordneten Laisant der Antrag gestellt worden, die Einrichtung der Einjahrig- Freiwilligen aufzuheben und die Dienstzeit der Soldaten von 5 auf 3 Jahre herabzusetzen. In der Commission haben sich 9 von 11 Mitgliedern für den Antrag ausgesprochen.
England.
London, 13. Febr. Gerüchtweise verlautet, daß die eingebvrncn Truppen in Südafrika ihre Offiziere masfakriren und in Masse desertircn. — Im ganzen Lande wächst die Aufregung wegen der Niederlage im Kriege gegen die Zulu's.
London, 14. Febr. Der ehemalige Kriegsminister Peel ist gestorben.
^ Türkei.
Der Frieden, welcher zwischen Rußland und der Pforte jetzt endlich zu Stande gekommen ist, bedeutet für die Türkei die Degradirung zu einem Staatengebilde zweiten Ranges. Bor dem Kriege bezeichnte man noch die Türkei als einen Eckstein des curopäichen Staatenshstems. Jetzt ist ihre Macht und Kraft total gebrochen. Im Schipkapassa, in Plevna und bei Kars erwiesen sich die letzten heroischen Anstrengungen des Halbmonds vor der Ueber- macht Rußlands als vergeblich und nur die Prcis-
gebung der wichtigsten Gebiete retteten das Reich MvhamedS vor dem gänzlichen Untergänge. Gede- müthigt, zerstückt nnd verstümmelt spielt das gewaltige Osmauenreich heute eine ebenso traurige als jammervolle Rolle. Es kann nicht mehr leben, denn seine Schuldenlast benimmt ihm den Odem, eS kann aber auch nicht sterben, den» seine Freunde, die ihm stückweise die herrlichsten Provinzen vom Leiste reißen, wollen doch sein gänzliches Hinscheiden glicht, so lange der eine oder andere noch Aussicht hat, einen extra fetten Brocken, den Helfershelfern zum Tort, für stich zu erschnappen. So siecht die einst viel gefürchtete Türkei nunmehr langsam dahin und bietet "der Welt das Schauspil eines an seiner eigenen Fäulnis; zu Grunde gehenden Staates. Es wäre wahrlich besser gewesen, die europäischen Mächte hätten mit dem Jammergerichte diesmal tabula, rasa gemacht. Der verwünschte Alp, genannt orientalische Frage, wäre dann doch aus der Welt geschafft, während er nun, wenn auch in weniger drohender Gestalt, noch immer als Schreckbild vcgetirt.
Handel H Verkehr.
Stuttgart, 14. Febr. Der Preis für 1 Kilo Weihes ist auf 26 4, für l Kilo schwarzes Brvd aus 24 4 und für I Kilo Hausbrod auf 18 bis 20 4 von heute au herabgesetzt worden.
Mittlere Fruchtpreisc per Eeiitncr
vom ö. bis 8.
Februar.
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Gerste.
Heber.
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... 9. 52.
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5. 62.
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6. 66.
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8. 89.
6. 81.
7. 12.
Winnenden
... 8. 90.
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5. 16.
Bopfnigen
... 9. 78.
7. 40.
7. 16.
5. 38.
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... 9. 60.
7. 40.
5. 20.
Esingen . .
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7. 80.
6. 50.
5. 49.
Heidenheiw .
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7. 17.
5. 43.
Kottweil . .
... 9. 56.
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6. 24.
Ulw . . .
... 9. 29.
6. 98.
6. 59.
5. 67. (St.-A.)
In der polytechnischen Gesellschaft iu Berlin kam jüngst das Crvwnleder zur Sprache, das heißt das Leder, das nicht mittelst Lohe, sondern durch Ghemicalien gegerbt wird, und zwar iu der kurzen Zeit von drei Tagen, während man nach früherem Verfahren neun Monate zum (Verben brauchte. DaS neue Verfahren ist von dein Professor Knapp in Brannschweig erfunden und dort kürzlich beim Militär ein Versuch mit diesem Leder angestellt worden. Bdan gab einer Compagnie Soldaten Stiefel, deren einer mit lohgargegerbtem deren andere mit Crownleder besohlt war. Das Letztere ist aus diese», „Wettgang" als Sieger hervorgegangen nnd hat sich als das dauerhafteste bewährt. Es wird jetzt bereits ln Petersburg in großen Massen hergestellt nnd soll von dort ans auch auf den deutschen Markt kommen. Auch schweben Unterhandlungen, um ln Buenos AhreS eine Fabrik zu gründen, mit deren Zustandekommen sich mnthmaßlich die Verhältnisse des Imports überseeischer Häute bedeutend andern dürften.
weltens der französischen Regierung ist die Ein- und Durchfuhr von Kartoffeln, sowie von Säcken, Fässern nnd sonstigen Emballagen, welche zu Kartoffel-Transporten gedient haben, ans Deutschland verboten worden.
Die letzte Hypothek.
(Fortsetzung.)
Es war ein prächtiger Tag, an welchem Lobe zum Niederwald aufstig; wie er so durch das Waldesgrün wanderte, durch welches die Sonnenstrahlen glitzerten, da hob sich seine Brust, und er begann mit frischer, fröhlicher Stimme das alte Volkslied zu singen:
„Zwei hellgrüne Birken Steh'n oben ans',, Rain,
Die sind wohl recht fröhlich,
Sie sind wohl allein.
Sie haben zwar Arme,
Die können sie nicht rühren,
Sie haben dran Finger,
Die können sie nicht biegen.
Und da sie nicht selber Sich können berühren,
So bringt sie der Zugwind Recht oft aneinander.
Dann stiegen die Arme So lieb in einander,
Dann fassen die Finger Sich fest wie ein Band.
Sie drücken, sie Herzen,
Sie küssen sich warm,
Sic stehen bei einander,
Wohl Arm in Arm. —
Mein Schätzchen, so gicb mir —
Hörst' nicht den Zugwind? —
Ein Küßchen und flieg mir In die Arme, geschwind."
— Bravo, bravo, erscholl es plötzlich aus dem Waldesdickicht, und als Lobe in verzeihlicher Neugierde seine Schritte beschleunigte, die nächste Krümmung des