Der gute Einfall.

Erzählung.

„Wahrlich ein köstlicher Einfall vom Bruder Aurich! Ich freue mich königlich, einmal ein anderes Land, andere Gegend, andere Menschen zu sehen; denn hier, in dieser märkischen Sandbüchse, in der ich nun zwei Jahre stecke, will mir's gar nicht behagen, da ich aus einer Berggcgcnd bin — ich möchte einmal Berge steigen! Das Böhmerland mag schon hübsch seyn, wie —"

„Ei wohl, Bruder Tor ring! Nun wart' nur, bis wir an Ort und Stelle kommen — wenn wer durch das freundliche Voigtland kommen, dann über Hof, Wunsiedel, wo der verrückte Sand wohnte, auf's Fichtelgebirge kom­men — wenn wir uns dann links ins Böhmerland schwen­ken nach Egcr, dann nach Franzcnsbad, und dann den hohen Kapellenberg an der sächsischen Gränze besteigen werden — nun ich sage Dir, Du wirst —"

„Ach ich freue mich wonniglich, Bruder Schwarz­bach, ich möchte vor lauter Fidclität auf dem Kopfe spa­zieren gehen! Aber höre, wenn wir den Einfall Aurich's realisircn wollen, so dürfen wir nicht lange zaudern; über­morgen beginnen die Ferien — und sechs Wochen brau­chen wir zu unserer Suite, bei der wir nicht jagen und Hetzen wollen, sondern recht gemächlich dahin spazieren und wandern, — Wenn aber nur Bruder Aurich bald käme und gewünschte Nachricht mitbrachtc!"

„Ei wohl ist das die Hauptsache, denn wenn wir Aurich nicht haben, da müssen wir freilich zu Hause hocken bleiben. Ich denke aber, daß er bald kommen muß, es ist schon über vier Uhr, und vier Uhr kommt die Post und bringt Wechsel mit, wenn sie welche hat — er kann nicht lange —"

Da schritt ein eiserner, wenigstens bespornter Fuß die Treppe heran — herein trat Aurich.

„Nun, gute Botschaft?" jubelten die Harrenden und sahen nach dem Brief hin, den der Eintrctende in der Hand hielt, der aber — o Schrecken! — statt fünf Siegel nur eins an sich hatte.— „Nichts? nichts? garnichts?" fragten die Erwartenden ziemlich langgedehnt.

„Ich wollte, daß mein verehrter Herr Onkel und Vormund Lcibschmerzcn kriegte, daß er müßte sechs Wo­chen lang den Bauch halten! — Da hat er den dummen Einfall, mich einzuladen, ich solle dießmal die Ferien in Bremen halten, da er mich, den er nun seit sechs Jahren nicht gesehen habe, doch auch einmal sehen wolle; auch wolle er, daß ich bei seines Sohnes Daniel Hochzeit mit seyn möchte, darum habe er mir absichtlich den vierteljährigen Wechsel, der ohnedieß erst in drei Wochen fällig sey, bis dahin Vorbehalten, lege mir aber dreißig Thaler in Kas­senanweisungen bei, um wenigstens bis Leipzig zu kommen, wo ich bei Frege solle einen Wechsel nehmen und dann mit Ertrapost vollends nach Bremen rutschen. — Nein, daraus wird doch nichts! ich komme nicht nach Bremen, mag nichts wissen von der Hochzeit meines bockledernen Cousins! — Ach, wenn ich doch nur ein Jahr älter wäre!

da würde ich sprechen: Licbwerthcster Herr Onkel, ich bin mündig, und kann meine 180,000 Mark schon selbst ad- ministrircn, e,^o! — Aber ich kann freilich mit der alten Seemöve nichts machen, denn er klebt eisern am Buchsta­ben — der alte Esel hat uns den Spaß abscheulich ver­dorben, statt hundert Dukaten schickt er mir lumpige drei­ßig Thaler — mein Seel', damit könnten wir nicht eine Nacht im Franzensbade ausdauern, noch weniger bis dort- ' hin kommen. Verwünschter, dummer Einfall!"

„Nun, da bleiben wir zu Hause!" sprach kleinlaut Schwarzbach, „ich hatte mir eine so köstliche Freude ein­gebildet, und zwar besonders Deinetwegen, denn ich kenne das Böhmcrland in- und auswendig — nun haben wir l uns umsonst gefreut. Ja, wenn ich nur Moneten hätte, da spräche ich: „fort und vorwärts!" Aber eine Reise machen ohne Geld, ist gerade, wie auf den Ball gehen ohne Schuhe — nein, Aurich, das ist doch von Deinem chrenwerthen Herrn Onkel ein recht eselhafter Einfall."

„Ei so wollte ich doch gleich," rief unwillig Torring, „daß der alberne Onkel müßte zwei Stunden betteln ge­hen, damit er nur wüßte, wie denen zu Muthe wäre, die kein Geld haben. Nun, 's bleibt weiter nichts übrig, als zu Hause zu bleiben!" ;

„Ja wenn ich wüßte," fiel Schwarzbach ein, „daß mir der Professor mein Stipendium von vierzig Thalern im Voraus bezahlte, da brächten wir doch etwas Erkleck­liches zusammen, aber ich trage großes Bedenken —"

„Es hätte nichts Fataleres kommen können," grollte Aurich, „als der leere Brief! Ja, wenn ich nur noch bei einiger Kasse wäre! Aber soll mich — ich habe kaum noch ! vier Thaler, und diese erbärmlichen dreißig Thaler dazu, ' da lassen sich, wie Jeder, der nur ein Bischen addiren und subtrahircn kann, leicht einsehcn muß, keine großen Sprünge machen, wenigstens nicht von Berlin ins Böhmerland —

's ist ärgerlich! —" !

Die armen drei Reiselustigen saßen da, wie Einer, der am Brunnen sitzt und hincinguckt, da ihm der Krug hineingefallen ist. Aurich trommelte am Fenster, Torring stopfte sich in lauter Aerger seine Pfeife und Schwarzbach rannte auf und nieder. Das Kleeblatt war eine lange Zeit stumm, aber Torrings Pfeife dampfte, daß er wie in ei­nem Heiligenscheine dasaß.

Da auf einmal blieb Schwarzbach mitten in seiner Rennbahn stehen. „Hört, Brüder," rief er, „ich habe einen Einfall, und ich denke, keinen albernen! Wollt Ihr ihn hören?" ,

„Nun wahrscheinlich einen tüchtigen Pump machen i und hinterdrein Kommisbrod speisen?" meinte Torring, ! — „nein! Wer Schulden macht, der zerschneidet seine Stiefeln, wenn er ins Wasser gehen will — hast Du kei­nen besseren Einfall?"

„Ei so laß mich doch nur erst meinen Einfall auspacken! Nein, vom Pump und Credit mag ich auch nichts wissen, denn das ist gerade so viel, als wie geknebelt im Bette liegen, und tausend Stück Flöhe am Leibe zu haben, die man nicht fortkratzen kann."

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