muß nicht nur die Angriffe von Außen Zurückschlagen, son­dern auch die Umtriebe im Inneren bekämpfen." Ich hatte Ew. Majestät davon benachrichtigt," bemerkte Sa- vary. Ich habe mit meinen eignen Augen sehen wol­len. Die Stimmung war schlecht, das steht fest. Aber da wir uns einmal eingelassen hatten, konnten wir nicht mehr zurück. Eine feindselige Stimmung im Volke erhalt erst dann Kraft, wenn man sich gegen sie verschanzt." Aber, Sire," entgegnen Savary,ich werde mir die Freiheit nehmen, zu bemerken, daß wir sehr unbesonnen handelten, als wir zurückkehrten."Sie wollen sagen, wir hätten den Teufel versucht," entgegncte der Kaiser. Hätten sie es denn lieber gelchen, daß ich unter dem Eindruck der Mißstimmung geblieben wäre, die man mir bezeigt hätte? Der letzte Eindruck haftet immer fest. Als ich kalt und ruhig dem aufgeregten Volkshaufen entgcgen- trat, da unterstützte mich die unwiderstehliche Macht der moralischen Kraft über die materielle. Der Gefahr gegen­über hilft nur Kühnheit. Merken Sie sich, daß nichts schlimmer ist, als Unschlüssigkcit und halbe Maßregeln."

Ich billigte die Gründe des Kaisers, aber ich wandte ein, daß die Unbesonnenheit des Dragoners uns leicht hatte übel bekommen können. -Die Unbesonnenheit des Dra­goners," erwicderte der Kaiser, ist ein Ziegel, der vom Dache fällt. Er hat wohlgethan; da cs aber bei allen Dingen auf die rechte Zeit ankömmt, so hätte er uns leicht einen schlimmen Handel zusichcn können. Dennoch war uns die Unbesonnenheit meines braven Dragoners von großem Nutzen."Ja, Sire," sagten wir,Dank der ergötzlichen Anrede Eurer Majestät."Ich weiß, wie wandelbar die Eindrücke der Menge sind; die öffent­liche Stimmung gehört dem, der sie an sich zu reißen weiß; rin großer Thor-aber, wer sich auf das Straßengeschrci verläßt."

Wir waren beim Palast der Ehrenlegion angekom­men. Der Kaiser stieg vom Pferde und besichtigte mit Fontaine die Arbeiten. Er prüfte das Holz und die Bau­materialien, und fragte nach dem Einkaufspreise. Die Richtigkeit seiner Bemerkungen setzte die Leute von Fach und die Arbeiter in Verwunderung. Der Besuch des Kai­sers dauerte lange. Er munterte die Arbeiter zum Fleiße auf, aber nicht, indem er ihnen ein Trinkgeld versprach, was nicht in seiner Gewohnheit lag, sondern, indem er laut den Befehl gab, jedem Arbeiter, der 25 Tage im Monat gearbeitet hätte, eine Prämie von 5 Franks aus­zuzahlen. Es läßt sich nicht sagen, mit welcher Begei­sterung dieser Befehl von den Arbeitern ausgenommen wur­de. Als er sich entfernte, drängten sie sich um ihn und geleiteten ihn bis zur Thür:Lebt wohl, meine Kinder," sagte er;während wir das Vaterland vertheidigen, ar­beitet Ihr und sorgt für Eure Familien."

Wir kehrten hierauf nach den Tuilericn zurück. Auf unserem Wege ließ sich kein Zuruf vernehmen; die Vor­übergehenden entblößten das Haupt, aber sie blieben stumm. Auf dem Pont-Royal schritt eine Frau in Trauerkleidcrn, in deren Gesicht sich ein tiefer Schmerz aussprach, uns

entgegen. Als der Kaiser sie bemerkte, verdüsterte sich seine Physiognomie, und als er bei ihr vorüberkam, zog er ehrfurchtsvoll den Hut ab. Diese Bewegung erweckte sie auS ihrer Träumerei. Der schmerzliche, vorwurfsvolle Blick, welchen sie auf Denjenigen warf, den sie für den Urheber ihres Unglücks zu halten schien, läßt sich nicht beschreiben. Bestürzt wich sie gegen das Geländer zurück und bedeckte mit ihren Händen die verweinten Augen. Der Kaiser war tief erschüttert. Einige Schritte weiter neigte er sich zu Savary und sagte ihm leise einige Worte. Die-! ser wendet sich zu einem Ordonnanz-Gensd'armen der augenblicklich Kehrt macht und über die Brücke sprengt. Als der Kaiser im Flur der Flora-Pavillons abstieg, trat Savary wieder zu uns und sagte:In zwei Stunden wird Se. Majestät den Bericht erhalten."

Ich allein ging mit dem Kaiser in sein Kabinet. Cr warf den Hut und den Degen auf ein Zimmergeräth, und zog den vom Schnee genäßten Rock aus; seine heftigen Bewegungen deuteten auf ein inneres Leiden. Unser Aus­flug hatte mancherlei Eindrücke in ihm hintcrlasscn. Auf seiner gefalteten Stirn waren die kummervollen Gefühle zu lesen, die ihn bestürmten. Ich selbst wußte mich vor Müdigkeit nicht mehr zu lassen.Ruhen Sie sich aus, Caulaincourt," sagte er zu mir, und kommen Sie um 3 Uhr wieder; wir müssen die Aktenstücke sammeln, welche sich auf die Mannheimer Unterhandlungen beziehen. Sie müssen noch heure Abend beim Erzkanzler niedergelegt werden."

Von dem weiteren Verlaufder Episode auf der Brücke sagte mir der Kaiser nichts, aber ich erfubr ihn von Savary.Seine Majestät," erzählte dieser,befahl mir, einen Gens'dar- men hinter der Dame herzuschickcn, um ihre Wohnung und ihren Namen zu erkunden und dann sogleich Bericht zu erstatten. Noch im Laufe des Tages erfuhr er, daß sie die Wittwe eines Kapitäns sey, der bei Dresden gefal­len war, und seine Familie ohne Vermögen znrückgclasscn hatte. Am Abend mußte ich mich an seinem Bureau nie- dcrsetzen, und eine Pensions - Bewilligung von 2000 Franks für die Kapitäns- Wittwe niederschreiben. Als sie fertig war, änderte er seine Gedanken. Er ließ sich 25 Billets von 1000 Francs geben, legte sie selbst in ein Couvert, siegelte sie, und trug mir auf, sic selbst der Wittwe zu überbringen. Ueberdies sorgte er noch für die beiden Söhne der Wittwe, die im L)-cee Napoleon ausgenommen wurden."

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Thürmer und Todtengräber.

Der Tbürmer in seiner Stube, Der saß in finstrer Nacht,

Sah aus nach allen Seilen Und hielt getreue Wacht.