Stefan Wintermantel Der Grundriss von St. Aurelius in Hirsau Wie der Codex Hirsaugiensis berichtet, wurde Hirsau von einem Grafen Erlafried zur Regie­rungszeit Ludwigs des Frommen um 830 als Benediktinerkloster gegründet. Dessen Sohn Noting, Bischof im norditalienischen Vercelli, hatte die ursprünglich in der Mailänder Diony­siuskirche verwahrten Gebeine des hl. Aurelius auf väterlichen Grund gebracht. Sie seien zu­nächst in einem dem hl. Nazarius geweihten Kirchlein, welches auf einem Berg lag, aufbe­wahrt worden, später in der am Fuß des Berges errichteten Klosterkirche. Dieses erste Hirsauer Kloster geriet in späteren Jahren in Verfall. Als im Jahr 1049 Papst Leo IX. seinem Neffen, dem Grafen Adalbert II. von Calw, einen Besuch abstattete, hörte er vom ehemaligen Aureliuskloster. Daraufhin suchte man nach den Gebeinen des Aurelius, zunächst allerdings erfolglos. Erst ein Fachmann, der mit seinen Söhnen aus Venetien gekommen war, wurde durch den Widerhall der Hammerschläge auf eine kleine unterirdische Kammer aufmerk­sam, in der der Sarkophag mit den Gebeinen des Heiligen aufgefunden wurde. Der Papst trug daraufhin seinem Neffen auf, das Kloster wie­derherzustellen. Es sollte dann aber noch ge­raume Zeit vergehen, bis 1059 mit dem Bau der neuen Aureliuskirche begonnen wurde. Am 4. Dezember 1065 traf aus Einsiedeln Friedrich ein, der erste Abt des neuen Klosters, begleitet von einigen Mönchen. Graf Adalbert setzte diesen jedoch nach nur dreijähriger Amtszeit 1069 wieder ab; zum Nachfolger berief er den Mönch Wilhelm aus dem Regensburger Kloster St. Emmeram. Am 4. September 1071 wurde die Aureliuskirche geweiht. Den nun folgenden Machtkampf zwischen Graf und Abt entschied Wilhelm klar für sich, als Adalbert 1075 das Kloster aus seiner Herrschaft herauslöste. Nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Eigenklosterherrschaft des Grafen stellte sich Wilhelm im gerade ausbrechenden Investiturstreit zwischen Heinrich IV. und Papst Gregor VII. folgerichtig entschlossen auf die Seite der geistlichen Macht. Einen entschei­denden Entwicklungsschub erhielt das Kloster, als Wilhelm 1079 mit seinen Constitutiones Hirsaugienses die Lebensgewohnheiten des bur­gundischen Klosters Cluny übernahm. In der Folge blühte das ehemals unbedeutende Provinz­kloster nicht nur im Inneren auf; durch Neu­gründungen, Übernahme der Hirsauer Reform durch bestehende Klöster und die Berufung von Hirsauer Mönchen auf Abts- und Bischofsstühle entstand eine bedeutende Reformbewegung, deren räumliche Verbreitung als Hirsauer Klos­91