Karl J. Mayer„Inventuren und Teilungen“ und ihreBedeutung für die GeschichtsforschungEine Quellengattung, ihre Aussagekraft und ihre GrenzenAllein im Stadtarchiv Calw lagern circa 10 000so genannte„Inventuren und Teilungen“. Auchin anderen Stadt- und Gemeindearchiven desLandkreises Calw finden sich diese über Jahrhunderte hinweg angefertigten Besitzinventarein großer Zahl. Hochgerechnet auf den Landkreis dürfte es nicht übertrieben sein, von biszu 100 000 Inventuren und Teilungen in denhistorischen Archiven der Gemeinden auszugehen. In ganz Württemberg, so wurde geschätzt,sind wohl trotz zahlreicher Verluste in etwanoch vier Millionen Einzelinventare vorhanden. Damit zählen sie vom Umfang her zweifelsohne zu den wichtigsten„seriellen Quellen“für die lokal- und regionalgeschichtlicheForschung.1Die Zahl vorhandener Quellen sagt naturgemäßnicht allzu viel über deren Erkenntniswert fürdie Forschung aus. Aber auch diesbezüglichzählen die Inventuren und Teilungen zu denaussagekräftigsten Überlieferungen in württembergischen Kommunalarchiven. Bevor im Folgenden auf den Informationsgehalt(und dessenGrenzen) sowie die Auswertungsmöglichkeitender Inventuren und Teilungen für den Historiker an etlichen Beispielen stichpunktartig eingegangen wird, hier zunächst einige allgemeineAnmerkungen zu diesen Quellen.Inventuren und Teilungen sind, kurzgefasst,Vermögensauflistungen, die im Todesfall(Eventual- und Realteilung) und bei der Heirat(Beibringens- oder Zubringensinventar) von amtlicher Seite angefertigt wurden.2Bei einer Eventualteilung wurde das Vermögen einer oder einesVerstorbenen zwar aufgelistet und der ehelicheZugewinn(oder Verlust) festgestellt; das Erbewurde aber nicht oder nur in Teilen den Erbberechtigten zugewiesen. Erst bei einer Realteilungwurde das gesamte Erbe tatsächlich verteilt.Im Herzogtum Württemberg waren solcheVermögenslisten im Todesfall bereits seit demErsten Landrecht aus dem Jahr 1554 vorgeschrieben; zunächst nur im Todesfall, seit 1610auch bei der Heirat(Braut und Bräutigam gabenihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen jegetrennt an), wodurch es möglich wurde, denehelichen Zugewinn beim späteren Tod einesEhepartners festzustellen. Frauen behielten imÜbrigen die uneingeschränkte Verfügungsgewaltüber ihr in die Ehe„beigebrachtes“ Vermögen,und Töchter waren Söhnen beim Erben gleichgestellt. Die Pflicht zur Aufstellung von Besitzinventaren bei Heirat und im Todesfall wurdebei der Entstehung des Königreichs Württemberg im Jahre 1806 auch auf die neuwürttembergischen Gebiete ausgedehnt und blieb bis139