Uwe Gast · Das Kloster Hirsau und seine mittelalterlichen GlasmalereienDreifaltigkeit und aller Heiligen geweiht. UnterAngabe des Jahres 1488 weiß Trithemius ergänzend zu berichten, dass Abt Blasius diese Kapellevon Grund auf neu errichtet und für 400 Guldenmit einer Altartafel und einem Gestühl ausgestattet hat. Der Bau diente als Grabkapelle desAbtes, nach seinem Tod 1503 wurde er hierbeigesetzt. Anneliese Seeliger-Zeiss sieht in demBau ein Spätwerk des Hans Spryß.15Es ist hier nicht der Ort, alle Bau- und Ausstattungsmaßnahmen aufzuzählen, die im Kloster im15./16. Jahrhundert ausgeführt wurden. NachAbschluss der Arbeiten in den 1530er-Jahren mitder Ausmalung der Klosterkirche dürfte die Anlagejedenfalls äußerst prachtvoll anzusehen gewesensein. All dies ging zu Grunde, als die Stadt Calwund das nahe gelegene Hirsau 1692 im PfälzischenErbfolgekrieg zerstört wurden. Vom Kloster bliebeine Ruine, die in der Folge als Steinbruch diente.Erst im Lauf des 19. Jahrhunderts begann man,sich um seinen Erhalt zu bemühen.16Rüdiger Becksmann hat den ehemaligen Kreuzgang mit folgenden Worten beschrieben:„Derunmittelbar südlich an die romanische Klosterkirche anschließende, um das ausladende Querhaus herumgeführte Kreuzgang[…] bildetezwischen dem Kapitelsaal im Osten, dem Sommer- und Winterrefektorium im Westen undSüden ein Rechteck von 52,5: 44,0 m. Insgesamt 38 dreibahnige, zweizeilige Fenster“ –gemeint ist damit die vertikale Unterteilungdurch steinerne Pfosten und die horizontaleUnterteilung durch Armierungen, doch müsstees richtig„dreizeilige Fenster“ heißen –„mitvielfältig wechselndem Fischblasenmaßwerk undein vierbahniges Fenster[…] durchbrechen dieAußenwände zum Innenhof. In der heute bis aufdie Grundmauern abgetragenen Brunnenkapellekamen noch zwei dreibahnige und drei zweibahnige, dreizeilige Fenster hinzu. Eine schon inihren Abmessungen ungewöhnliche Anlage,deren aufwändige künstlerische Ausgestaltungselbst die wenigen noch erhaltenen Fenstermaßwerke, Gewölbeansätze und Schlußsteine erahnen lassen.“17Von Glasgemälden im Kreuzgang ist erstmals inden Annales Hirsaugienses des KlosterchronistenJohannes Trithemius zu lesen.18Dort heißt eszum Jahr 1491, Abt Blasius habe Fenster mitButzen(„rotundis[id est Schyben]“) und Bildern(„picturis“) auf drei Seiten des Klosterkreuzgangsmachen lassen(„ad tria ambitus Monasterij fieriiussit“), wofür er mehr als 300 Gulden ausgegebenhabe(„pro quibus plus quam trecentos auriflorenos exposuit“). Das heißt, dass mit derVerglasung des Kreuzgangs frühestens 1484begonnen worden sein kann. Um 1482/83 war jader Ostflügel unter Dach und stand für seineVerglasung bereit. Wenn die Verglasungskampagnen sich unmittelbar an die bauliche Fertigstellung der Flügel angeschlossen hatten, müsstenSüd- und Westflügel bald nach 1489 bzw. nach1493 verglast worden sein. Trithemius hätte dieeinzelnen Kampagnen summarisch unter demJahr 1491 zusammengefasst. Der an die Klosterkirche angelehnte, 1494/95 vollendete Nordflügelwar zur Zeit der Abfassung der Annales Hirsaugienses(1509–1514) anscheinend nur mit Butzenverglast. Trithemius erwähnt zwar Bilder ohneButzen(„picturas sine rotundis“), doch scheint essich hierbei um einen Irrtum zu handeln, der in„Butzen ohne Bilder“ aufzulösen ist. Tatsächlichsind Verglasungsarbeiten am Nordflügel erst fürdie 1530er-Jahre überliefert(siehe hierzu S. 114,linke Spalte).Mehr als diese müßigen, letztlich nicht mehr zuklärenden Datierungsfragen ist von Interesse, wasin den Fenstern des Kreuzgangs dargestellt war. Esgibt im Wesentlichen zwei Schriftquellen, in denenseine Glasmalereien vor ihrer Zerstörung beschrieben werden: Zum einen die Beschreibung„Historiae noui Testamenti de Christo, Dei et hominisfilio, Vna cum typis et prophetijs veteris Testamenti, in fenestris Circuitus Monasterij Hirsaugiensis depictae“ in den Kollektaneen des JohannesKarg(Parsimonius, 1525–1588), des zweitenevangelischen Abtes von Hirsau seit 156919; zumandern die Beschreibung ebendieses Zyklus in denKollektaneen des Weingartener Mönchs Hieronymus Rainolt(1591–1635), der sich in den Jahren1630 bis 1632 in Hirsau aufgehalten hatte.20106