Die Stephanuskirche Neuweiler Klaus-Peter Lüdke, Neuweiler Im 12. Jahrhundert kam es in Mitteleuropa durch glück­liche politische Umstände, günstige klimatische Bedin­gungen und den Aufbau internationaler Handelswege zu einem rasanten Bevölkerungs- und Siedlungswachs­tum. Dafür wurden Rohstoffe wie Metall und Holz, zusätzliche landwirtschaftlich nutzbare Flächen und Neuerschließungen von Siedlungsgebieten benötigt. An spirituell bedeutsamen Orten waren schon früher auf alten Handels- und Pilgerpfaden Wegkapellen errichtet worden. Wo es dazu noch genug Wasser und bestellbare Flächen gab, da wurden nun Waldhufensiedlungen ge­gründet, die dem Mischwald auf der Nagold-Enz-Platte immer mehr Waldweiden-, Wiesen- und Ackerflächen abrangen. In Neuweiler ist der älteste Teil der dem hl. Stephanus geweihten Kirche die alte romanische Wegkapelle, über deren Tonnengewölbe im 12. Jahrhundert der Turm errichtet wurde. Die fürs 12. Jahrhundert typischen Zangenlöcher der Ecksteine am Turm und genauer datierbare, bauartgleiche Türme(z.B. in der Burganlage Zavelstein) bestätigen dessen Errichtung im 12. Jahr­hundert. Damals fehlten noch die spätere Glockenstube und das barocke Spitzdach, die dem heute 36 Meter hohen Turm(mit Hahn) seine typische Gestalt geben. Damit ist der Turm so alt wie die im 12. Jahrhundert entstandene Waldhufensiedlung Neuweiler, die kirchlich zunächst von Ebhausen, später von Zwerenberg aus versorgt wurde. Ein Symbol der zunehmenden geistlichen Selbstständig­keit der Neuweiler Kirche ist die 240 kg schwere Vier­Evangelisten-Glocke aus dem Jahre 1456, vom Reutlin­ger Glockengießer Hans Eger im wohlkingenden Cis gegossen. Von ihm stammen auch die größte Glocke im Ulmer Münster und die Mittagsglocke der Herrenberger Stiftskirche. Zu dieser Zeit wurden die Glocken auf­grund der mangelnden Transportmöglichkeiten vor Ort modelliert und gegossen. Die Glocke rief die auf der Hufe lebenden und arbeitenden Menschen zum Gebet und zum Gottesdienst. Die Glocke schwang offen und für alle sichtbar auf dem flachen Turm. An den ältesten Glockenstuhlbalken in Neuweiler sind noch die Witterungsspuren von Wind und Wetter gut zu erkennen. Die Glocken wurden von Hand geläutet. Noch heute sind die Seilhülsenlöcher in dem Tonnengewölbe der früheren Kapelle sichtbar. Doch für die Uhr und den Stundenschlag gab es seit barocker Zeit halbautomatisierte Lösungen, wovon das alte Neuweiler Turmuhrenwerk Zeugnis ablegt. In Folge des Reichsdeputationshauptschlusses ver­pflichtete sich die bürgerliche Gemeinde Neuweiler, sich So hat Neuweilers Kirche nach einer 1930 versandten Post­karte von der Hofstetter Straße her fotografiert ausgesehen. Bild: Archiv Schabert Witterungsspuren am Neuweiler Glockenstuhl Foto: Klaus-Peter Lüdke 47