Das Spinnerin-Kreuz bei Zavelstein von Dr. Klaus Pichler ­Zavelstein Wer von Zavelstein dem Fußweg Richtung Calw folgt, kommt etwa Vz Kilometer vom Ortskern entfernt an einem alten Steinkteuz, dem Spinnerin-Kreuz, vorbei. Es nimmt unter den Steinkretzen in unserer Region eine besondere Stellung ein. Mittel­alterliche Steinkreuze finden sich viele in Württemberg, wobei es sich fast ausschließlich um Sühnekreuze handelt. Die mittelalterlichen Rechtsbräuche verlangten als Teil der Sühne bei einem Tötungsdelikt das Aufstellen eines steinernen Kreuzes am Tatort. Sühnekreuze wurden recht grob behauen und weisen entweder gar keine Inschrift auf oder wurden mit einfachen, auf den Beruf des Getöteten hinweisenden Zeichen versehen. Der Sühne­pflicht musste zwar Genüge geleistet werden, doch ein besonderer Gestaltungsaufwand bei der Herstellung des Steinkreuzes hätte ja erhöhte Kosten bedeutet und eine derartige Über­erfüllung einer ungeliebten Pflicht wäre des Guten entschieden zu viel gewesen. Das Spinnerin-Kreuz bei Zavelstein. Auf dem Lcingsbalken" deutlich erkennbar die Kunkel (der Rocken) mit der herabhcingenden Spindel. Auf dem Querbalken in gotischer Minuskel-schrift: Anno D(omi)ni M CCCC XL VII (1447) Das Spinnerin-Kreuz jedoch zeigt in allen Details eine ungewöhnlich sorgfältige Bearbeitung. Schon durch die Sorgfalt der Gestaltung wird deutlich, daß die Person, ftir die das Kreuz bestimmt war, demAuftraggeber am Herzen lag: Es handelt sich somit um ein Gedenkkreuz! Auf der Wegseite ist eine Jahreszahl deutlich zu lesen: Anno Domini 1441. Am Längsbalken macht eine Kunkel (Rocken) mit einer am Faden hängenden Spindel den Beruf der hter zt Tode Ge­kommenen deutlich. Sogar ihr Name ist bekannt: An der Außenwand des Kentheimer Kirchleins findet sich die Grabplatte einer Margret Meyr aus Holzgerlingen, die am 23.Januar l44l verstorben ist. Die Grabplatte weist dieselben Gestaltungsmerkmale wie das Gedenkkreuz auf, ist ebenfalls durch eine Kunkel mit Spindel gekennzeichnet und wurde offensichtlich vom gleichen Stei nmetz gefertigt. Daß diese Margret Meyr l44l tn Kentheim und nicht in Zavelstein begraben wurde, liegt darin begründet, daß Kentheim mit seinem um das Jahr 1000 gebauten, dem heiligen Candidus geweihten Kirchlein in der Mitte des l3.Jahr­hunderts zur selbständigen Pfarrei erhoben worden war. Hier mussten alle Toten des Kirchspiels begraben werden, bevor Zavelstein zur Pfankirche erhoben wurde und 1569 seinen eigenen Friedhof bekam. Noch bis zur Bebauung in den 60-er Jahren hielt sich in Zavelstein der Name ,,Totengäßle" als Bezeichnun_e für den Weg, über den die Toten von Zavelstein, Röten-bach, Emberg, Schmieh, Weltenschwann und Spesshardt ,,diesseits des Bachs" zum Begräbnis auf dem ,,Kentener" Friedhof gebracht werden mußten. Von Rötenbach kommend führte er durch die heutige Sonnenhalde über die Schul-straße weiter nach Sommenhardt und über Ltitzenhardt nach Kentheim. Die Geschichte des tödlichen Unfalls der Margret Meyr wird in Zavelstein üblicherweise 31