Handwerksleute haben in den Tagen vor der Kirchweihe vollauf zu thun. Fast unbegreiflich erscheint es, wenn man erfährt, dass in manches Haus 12 Pfund Fleisch nur ftir die Kirchweihzeit geliefert wird. Diese fleischliche Kirchweihe ist eineArt Gemeindefest, welches jede Familie in ihrem eigenen Haus zu gleicher Stunde feiert. Nachmittags kommen die jungen Mädchen auf Haufen zusammen und besehen beieinander die Kleider (das Häs), dawird gemustert, werwohl das schönste an diesem Tag auf dem Leib trägt. Wochenlang hatten die Nähterinnen (Näherinnen) vollauf zu thun. Ist das Sonntagskleid schon mitten im Sommer für den Sonntag sehr schäbig, so bekümmert sich die Besitzerin nicht sehr darum, es muss doch getragen werden bis zur Kirchweihe, das sehen ja doch alle andern ein. Nur die Kirchweihe bringt ein neues Häs, sei es für das Mädchen oder für den Knaben, für die Frau oder für den Mann. Von einer besonderen Tracht kann schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr geredet werden. Nur noch ein Mann wandert mit seiner gelben Lederhose zur Kirche. Um noch näher auf die Kleidung einzlugehen, kann zu der Einfachheit gesagt werden, dass nicht ein einziges Mädchen sonntags einen Hut trägt. Dies würde als der höchste Grad des Hochmuts angesehen. Nur spärlich richtet sich die Kleidung nach der Mode. Die Reinhaltung der Kleidung 1ässt bei den meisten Familien sehr zu wünschen übrig. Man sieht den Schmutz nicht mehr, das Loch, den Riss. Viel zu spärlich wird das Wasser zur Reinigung der Kleiderund des Körpers benützt, so dass es scheint, als habe man eine gafize Scheu vor dem nassen Element. Indoch ist jetzt Hoffnung auf eine Anderung in dieser Hinsicht vorhanden, dass das Wasser immer mehr zu seinem Zweck benutzt wird. Seit vorigem Sommer ist das reichlich vorhandene sehr gute Wasser in die Häuser geleitet. Es muss doch nach und nach, wenn auch erst nach einem halben Jahrhundert, die Macht über Gewohnheit weichen, und die Leute müssen doch die wohltdtrge Wirkung der Reinlichkeit fühlen, wenn das neue Geschlecht anfängt solche zu pflegen, eingedenk wiederholter Belehrungen und Ermahnungen in der Schule. Erst charakteristisch ist es, wenn man in der Heidelbeerzeit bei Weibern schon von Ferne auf den Heidelbeergenuss, durch die dunkle Färbung der weiten Umgebung des Mundes, schließen kann. Doch keine Regel ohne Ausnahme, es herrscht in einigen Häusern auch die Rein-lichkeit. An der Konfirmation zeichnet kein besonderer Schmuck den Knaben oder das Mädchen aus. Von einem Sträußchen oder Kränzchen ist keine Rede. Vereinzelt tragen noch die Mädchen auf dem Kopf an den genannten Tagen ein Netz, wodurch das Mädchen einen weiberartigen Eindruck macht, doch wird dieser eigentümliche Kopfschmuck b ald ganz vers chwinden. Es sei noch bemerkt, dass die Kinder ihre Kleider mit Heidelbeersammeln verdienen müssen, auch bei Kindern der wohlhabendsten Eltern. Dabei wetteifern bemittelte mit unbemittelten Kindern. Bei alt und jung gibt es im Hochsommer keinen Feierabend. Ja die meisten können vom Frühling bis zum Winter von keinem Feierabend sprechen. Eine Feierabendbank vor dem Haus fehlt überall. Wer sich sommers vor dem Eintreten der Dunkelheit auf eine Bank vor dem Haus setzen würde, könnte leicht als Faulenzer schief angesehen werden. Es gibt Schaffgeister, gerade unter den Wohlhabendsten, denen es gar nicht wohl ist, wenn sie nicht die letzten von der Feldoder Waldarbeit Heimkehrenden sind, auch wenn zu Hause noch ein Haufen Arbeit auf sie wartet. Mit vorübergehend neidlichem Blicke wird der weniger an Gütern Besitzende von Einzelnen betrachtet, wenn er abends vor seinem Hause unthätig stehend sich sehen laßt. Vollends der Schullehrer, der einzige Herr im Filialdörflein, nach der Meinung der Bauern, der kleinen und großen, ist der einzige, welcher nach ihrer Ansicht es gut hat. Der darf nicht schaffen, heißt es, und hat dazt sein gutes Auskommen, so dass er alle Tage herrlich und in Freuden lebt. O, dieser viel beneidete Filialschulmeister. In der Heuund Fruchtund Öhmdernte mag.er sich nicht blicken lassen, wenn er die Leute so sehr rennen und jagen sieht. Abends wird noch das nötigste im Haus und Stall besorgt, zu Nacht gegessen, der Abendsegen mit ganz besonders leierndem Ton 31 |
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