mit. Ich hielt fünf Monate durch, bis ich bei der Werkzeugfabrik Jung in Neuenbürg als Hilfs­arbeiter unterkam (in meinem eigentlichen kaufmännischen Beruf konnte ich wegen der Zerstörung Pforzheims nicht arbeiten). Die Arbeitszeit betrug damals 48 Stunden pro Woche. Auch am Samstag Vormittag wurde gearbeitet. Lebensmittel waren noch vier Jahre lang, bis 1949, rationiert. Man hatte zwar etwas Geld, aber es gab nichts zu kaufen. Der Tauschhandel blühte. Von meinem neuen Chef konnte ichWerk­zevge zum Gewindeschneiden käuflich er­werben. Dadurch hatte ich günstige Ausgangs­bedingunger Tauschgeschäften. Ich wußte durch persönliche Bekanntschaft, dass solche Werkzeuge in der Tuttlinger Schuhindustrie benötigt würden. Auf diese Weise gedachte ich Werkzeug gegen Schuhe einzutauschen. Arbeitsschuhe wiederum konnte man bei Bauern gegen Naturalien tauschen. Ich entschloss mich also zu einer,,Hamster­fahrt" nach Tuttlingen. Um 6 Uhr musste ich mit dem Fahrrad in Calw am Bahnhof sein, da in Brötzingen die Eisen-bahnbrücke gesprengt war. Mit meinem Werkzeug ausgestattet besuchte ich in Tuttlingen Schuhfabriken. Meine Rechnung ging auf. Die Tauschaktion Werkzeuge gegen Arbeitsschuhe kam zustande. Für das nächste Tauschgeschäft Arbeits­schuhe gegen Feldprodukte schien mir die Tuttlinger Gegend gerade recht, weil es dort mehr Landwirtschaft gab als rund um Neuen­bürg. Auf gut Glück fuhr ich mit meinen Schuhen mit der Bahn weiter nach Beuron. Hier konnte ich in einem Gasthaus übernachten. Von Beuron aus ging ich am nächsten TagztFuß eine Stunde bergauf in das kleine Bauerndorf Buchheim. Dort konnte ich tatsächlich bei einem Bauern die Arbeitsschuhe gegen Weizen eintauschen (Mehl war auch für die Bauern knapp, weil sie nur mit Mahlschein mahlen durften und dann vom Mehl den größten Teil abliefern mussten). So konnte ich die Heimfahrt mit 50 kg Weizen antreten. In zwei Kartons verpackt habe ich den Weizen mit einem geliehenen Karren zum Bahnhof Beuron gefahren und hier als Expressgut aufgegeben. Dadurch habe ich die Kontrollen der Franzosen in der Bahn vermieden. Hamstergut wurde nämlich be­schlagnahmt. Bei zwei weiteren solchen Fahrten waren die Kartons immer gleichzeitig mit mir in Calw. Nun kam noch der mühselige Heimweg mit dem schwer beladenem Fahrrad von Calw über Oberreichenbach nach Neuenbürg. Den Weizen fuhr ich am darauf folgenden Samstag mit dem Fahrrad zur Naislacher Mühle im Würzbachtal. Beim dortigen Müller Burkhardt hatte mein Vater in seiner Jugend den Beruf des Müllers gelernt; und nun führte er 70-jährig aushilfs­weise diese Mühle, da die Müllersöhne noch nicht vom Krieg heimgekehrt waren. Das Mehl konnte ich gleich mitnehmen, und die Müllerin tat noch Milch und Butter dazu. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren hart, sehr hart. Später fand ich wieder in meinen erlernten kaufmännischen Beruf zurück. Ich bin für die nachfolgende Entwicklung zu unserem heutigen Wohlstand sehr dankbar. Legende zur Abbildung: Die zerstörte B rötzing er Eis enbahnbrücke der Nagoldtalstrecke ( I 945 ) B ildw i e de r g ab e mit fre undli c he r G e ne hmi g un g d e s St adta rc hiv s Pfo rzh e im. 23