Hamsterfahrten in der Nachkriegszeit Wilhelm Reichert ­Neuenbürg Im September 1945 wurde ich ,,im blühenden Alter von 35 Jahren" wegen einer Verwundung, die ich in Ostpreußen erlitten hatte, aus russischer Gefangenschaft entlassen. Sechs Jahre Militär fanden ein trauriges Ende. Gleichzeitig mit Willy Schickert aus Waldrennach traf ich auf dem Bahnhof Pforzheim ein. Wir erfuhren, dass die Franzosen bei Birkenfeld eine Kontrollstelle errichtet hatten. Diese wollten wir umgehen. Wir marschierten über die Trümmerhaufen der Pforzheimer Bahnhofstraße und erreichten über Büchenbronn Waldrennach. Ich konnte bei der Familie Schickert äbernachten. Am folgenden Tag brach ich sehr früh zu Fuß zu meinem Heimatort Neuenblirg auf. lch wollte in meiner zerlumpten Uniform nicht gesehen werden. Die Freude war groß, dass mein Elternhaus noch stand und meine Eltern gesund waren. Schlimm war es unseren Mieterinnen durch die Franzosen ergangen. Am nächsten Tag meldete ich mich auf dem Rathaus. Mein Nachbar Karl Titelius war Bürgermeister geworden. Seine durch weiße Armbinden gekennzeichneten Mitarbeiter, Sozialdemokraten und Kommunisten, waren auch anwesend. Ich war Mitglied der NSDAP und fragte deshalb, ob etwas gegen mich vorliege. Titelius sagte. dass dies nicht der Fall sei, zudem ich durch die Partei keine persönlichen Vorteile hatte. Notfalls wolle er mich vor den Franzosen schützen. Für dieses Entgegenkommen meldete ich mich bei der Stadt Neuenbtirg als Waldarbeiter, um Brennholz für Frauen und alte Leute zu schlagen. Die meisten Männer waren noch in Lagern oder waren umgekommen. Kohlen gab es nicht, weil die Eisenbahnstrecken zum großen Teil noch zerstört waren, so dass keine Zige fahren konnten. Die Arbeit am steilen Ilgenberg war an­strengend. E,s gab keine Motorsägen. Von sechs Freiwilligen machte bald nur noch die Hälfte 22