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Bild 264: Schloß Altensteig.
der andere geizig und hart. Als nun der Kaiser all seine Ritter zu einem Kriegszug ins ferne Land aufbot, da wappnete sich der Riese, bestieg sein Rotz und zog von dannen. Der Bucklige aber blieb daheim.
Von ihm, dem Zwergen, raunte man sich heimlich zu, daß er des Nachts gar oft den schmalen, steilen Pfad zum Fluß hinabsteige und beim ersten Hahnenschrei mit einem schweren Sack auf dem Rücken zur Burg zurückkehre. Bei Tag aber wollte man aus einer unterirdischen Kammer, in die zu treten allen Leuten bei Todesstrafe verboten war, ein Hämmern und ein Klopfen hören, als ob Steine zerschlagen würden; hernach aber, so hieß es, fange das Kamin des Hauses an zu rauchen, als läge darunter die Hölle, darinnen der Teufel die Glut schürt. Gegen sein Gesinde war der Schlohherr hart und herzlos, die Bürger der Stadt muhten fronen ohne Gnade; gegen die Bettler aber war er ganz unbarmherzig: mit Fluchen und Schelten jagte er sie zum Tor hinaus und wer nicht ging, auf den lieh er die Hunde Hetzen.
So wagte niemand mehr dem Schloß zu nahen. Da aber Jahre vergangen waren und in der ganzen weiten Umgegend eine schreckliche Pest und Hungersnot wütete, siehe, da wagte es auch wieder ein Bettler, um eine milde Gabe vorzusprechen. Das war ein alter gebrechlicher Mann, der von Unterlengenhardt herkam; seine Kleider waren zerrissen, seine Haare grau und struppig, fast konnte er nicht mehr stehen vor Hunger und Müdigkeit. Kaum ersah ihn der Zwerg, so fing er an, zu fluchen und zu schreien und hieß das Gesinde an, ihn hinauszuwerfen. Als aber der Greis nicht abzuweisen war. sondern händeringend um ein Stücklein Brot flehte, da lieh ihm der Wüterich Bart und Haupthaar verbrennen und die Kleider versengen. Taumelnd verlieh der Bettler das Schloß, schleppte sich die halbe Steige hinab und setzte sich ermattet auf einen Stein.