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Burgverließes seinen Geist aus. Dieser Graf nun hatte ein schönes, blühendes Kind. Einst kam es auch an den Turm, in dem der Wasserader Ealgbrunnen war. Neugierig trat es durch die offene Türe ein, da stürzte es in den tiefen Brunnen hinab. Glücklicherweise blieb es aber an einem aus der Mauer, hervorgewachsenen Gesträuch hängen. Zufällig hörte jemand das Schreien des unglücklichen Kindes. Wer wollte aber wagen, es aus dieser gefährlichen Tiefe heraufzuholen? Zuletzt erbot sich eine Magd dazu. Sie ließ sich in einem Kübel hinunterhaspeln und glücklich kam sie mit dem Kind im Arm wieder herauf. Hocherfreut machte ihr der Graf den Vorschlag, etwas zu wünschen. Da bat sie um die Befreiung ihres im Burgverlieb schmachtenden Vaters, der seine Steuern nicht hatte bezahlen können. Entrüstet schlug der Graf diese Bitte ab und wies die Magd von sich. Mit Hellen Tränen ging sie davon. — Nicht lange darnach aber wurde die Burg belagert und erobert, hauptsächlich durch die Beihilfe der Städter, die bisher von dem Grafen so sehr geplagt worden waren. Der Graf wurde von den Bürgern getötet, der Vater der edlen Magd befreit.
Von der wüsten Urschel
Ein anderes Mal regierte wieder ein Graf auf der Burg, der war sehr vornehm und weithin berühmt, aber auch sehr eitel. Den verdroß es gar sehr und die Gräfin nicht weniger, daß ihr einziges Kind von der Natur gar stiefmütterlich ausgestattet worden war und kein so schönes und kluges Gesicht hatte, wie sie wohl wünschten. Von Vater und Mutter verachtet, vom Gesinde verspottet, wurde sie, die in der Taufe den Namen Ursula bekommen hatte, allenthalben nur „die wüschte Urschel" genannt. Allein, ob sie schon ein blödes Gesicht hatte, so hatte sie doch ein gutes treues Herz. Still trug sie all die Kränkung und Betrübnis. Za sie ließ sich so wenig verbittern, daß sie vielmehr der Notleidenden in der Stadt sich annahm und in den Hütten der Armen manche Not stillte oder abwendete. Am meisten aber liebte sie die Einsamkeit. Täglich ging sie in den Wald, ihm ihr Leid zu klagen. Ihr Lieblingsweg führte sie über den oberen Schloßberg und das Härle, einen Wald am oberen Talhang, hinab an die Nagold. Dort fand man sie eines Tages tot unter einem Felsen. War ihr Geist umnachtet, daß sie sich selbst den Tod gab? Man weiß es nicht. Das aber weiß man, daß die Armen und Notleidenden der Stadt lange Zeit um sie getrauert haben. Und von Stund an bis heute hieß der Ort, da man sie gefunden, die „wüste Urschel". Zhr Standbild ist heute noch auf dem Marktbrunnen neben dem Rathaus zu sehen. ^.Nach Köbele.)
Altensteiger Sagen
Die ungleichen Brüder Hohenberg
Einst, da noch die Hohenberger in unserer Heimat regierten, saßen auch zwei Brüder dieses Geschlechts auf dem Schloß zu Altensteig. Sie waren sich aber sehr ungleich an Körper und Geist, der eine ein Riese, der andere ein Zwerg, verwachsen und bucklig, der eine gutmütigen Herzens,
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