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Sagen und Geschichten aus alter Zeit

Von Martin Goes

1. Alte Sagen aus dem Bezirk

Die Ausbeute an Sagen ist in unserem Bezirk nicht groß. Und das wenige, was wir haben, mag manchem dürftig und unbedeutend er­scheinen. Und doch lieben wir auch dieses Stück Heimat. Ist es doch recht eigentlich das, was von der ganzen Vergangenheit im Bewußt­sein des Volkes fast allein lebendig geblieben ist, gleich dem immer­grünen Efeu, der die Ruinen unserer alten Burgen mit unvergäng­lichem Leben umrankt, nachdem längst die Mauern und Türme zer­brochen und zerfallen sind.

Wir nehmen und ehren sie nicht als geschichtliche Urkunden von dem, was war, obschon sie wohl alle aus geschichtlichem Grund erwach­sen sind. Irgend einmal ist gewiß so etwas in grauer Vorzeit ge­schehen, das tief in der Erinnerung der Leute haften blieb und nun in der Sage fortlebt. Aber niemand vermag mehr den geschichtlichen Kern aus der Hülle der Dichtung zu lösen und von Bedeutung für den Gang der Geschichte sind jene Ereignisse selten. Meist handeln sie von scheinbar Nebensächlichem und äußerlich Unwichtigem.

Wir lieben und ehren aber unsere Sagen um ihrer schlichten Schönheit und inneren Wahrheit willen und weil sie uns gleich dem Volkslied hineinschauen lassen in die Seele unseres Volkes, sein

Bild 262: Nagold im Jahr 1643 von Merian.