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hervorragenden Erwerbszweig und zu einem schwunghaften Handelsartikel geworden ist.
Unser Bezirk ist in der glücklichen Lage, weitausgedehnte Flächen, auf denen Heidelbeeren in üppiger Fülle gedeihen, zu besitzen. Doch gedeihen sie nicht in allen Teilen des Bezirks; ihr Standort ist vorwiegend der westliche Teil unseres Oberamts; auf dem Boden des Buntsandsteins breitet sich die Heidelbeere so stark aus, dah der Wald davon ganz und gar bedeckt ist; dabei liebt sie die freundlichen, sonnigen Hänge, weniger moorige Stellen. Schon im Frühling ruht unser Auge mit Wohlgefallen auf ihren schmucken, rötlichen Blüten, noch mehr, wenn in der Reifezeit ihre blauschwarzen Beeren uns zum Genüsse einladen. Früher sah man da und dort weite Gelände, mit reifen Heidelbeeren bedeckt, ohne dass sie jemand pflückte. Jetzt gibts wohl kaum noch ein Plätzchen, wo die Beeren nutzlos verdorren und zu Boden fallen. Früher gingen hauptsächlich die Kinder „in die Heidelbeeren" zu ihrem Vergnügen, oder wenn etwa die Mutter einen Heidelbeerkuchen backen wollte. Und es war ein einzigartig schönes Vergnügen, stundenlang mit andern sich diesem süßen Genuß hinzugeben, ohne dabei auf einen Nutzen auszugehen. Jetzt ist eine förmliche Industrie daraus geworden. Dazu hat besonders die Kriegszeit mit ihrer Lebensmittelknappheit beigetragen. Da wurde die Heidelbeere aus einem bloßen Eenußmittel zu einem wirtschaftlich wertvollen Nahrungsmittel.
Ist die Reifezeit gekommen, so strömt es von allen Seiten hinaus in die Wälder; Kinder und Frauen und wer gehen kann, beteiligt sich; Verwandte und Bekannte von fern und nah werden eingeladen; viele haben bereits große Aufträge von Händlern erhalten, so und so viel Zentner zu liefern. Die Sammler sind ausgerüstet mit Körben und Gefäßen. Kommt man an eine ergiebige Stelle, so füllt sich bald Gefäß um Gefäß und Korb um Korb. Unter fröhlichem Geplauder schwinden die Stunden schnell dahin. Eine erwachsene Person kann an einem Tag 30—40 Pfund Beeren sammeln, Kinder vielleicht die Hälfte. Manche Sammler haben auch ein „Reff" bei sich, d. h. ein hölzernes Geräte mit Zähnen, zwischen denen die Beeren beim Durchstreifen der Sträucher hängen bleiben. Mit reicher Ausbeute beladen kehren die Sammler abends nach Hause; Mund und Hände und vielleicht auch die Kleider verraten, was sie für eine Arbeit verrichtet haben. Auf der nächsten Bahnstation, in unserem Bezirk besonders in Altensteig und Berneck, werden die Körbe verladen, um vielleicht weit ins Land hinein verschickt zu werden. Manch schönes Stück Geld kann auf diese Weise verdient werden, was namentlich solchen Ortschaften zu gönnen ist, wo sonst kein Nebenverdienst möglich ist. Verwendet können die Heidelbeeren auf mannigfache Weise werden: man gebraucht sie zum Backen, oder sie werden gedörrt und eingedünstet und ersetzen besonders in obstarmen Gegenden oder in Jahren, wo der Odstertrag gering ist, das Obst.