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ursprünglich an einer anderen Stätte im Dorf befunden habe. Es er­scheint wahrscheinlich, daß die jetzige Kirche ursprünglich eine Burg­kapelle gewesen ist, die, als die Burg abgebrochen wurde, zur Eemein- dekirche erweitert worden ist. Die Familie von Gültlingen hatte um­fassende Besitztümer: außer in Gültlingen hatten sie Güter in Berneck, Neuenbürg, Entringen mit Hohenentringen, Sindlingen, Zavelstein, Vollmaringen, Poltringen, Oberndorf und an noch anderen entlegenen Orten. Sie verkauften aber 1445 ihre Güter samt dem Schloß an Graf Ulrich V. von Württemberg; schon vorher hatten sie in Berneck festen Fuß gefaßt, wohin sie um jene Zeit dauernd übersiedelten. Der Turm der Kirche stammt von 1468; seine westliche Lage mag in den genannten geschichtlichen Verhältnissen begründet sein. Das unterste Geschoß des Turms weist ein Rippenkreuzgewölbe auf, der Thor ein unvollständiges Achteck. Altar und Taufstein weisen auf eine viel äl­tere Zeit zurück. Die Kirche ist von einer dicken Umfassungsmauer umgeben, die ursprünglich eine Art Festung bildete. Um die Mauer zog sich ein breiter, tiefer Graben, der mit Wasser gefüllt werden konn­te. In Zeiten der Gefahr bildete der Kirchhof eine Zufluchtstätte für Menschen und Vieh; auch eine wehrhafte Besatzung durfte in Kriegs­zeiten hier Aufstellung nehmen. An diesen Vergünstigungen nahm auch das frühere Filial Holzbronn Anteil.

Gültlingen gehörte zur Grafschaft Hohenberg, von der es 1363 an die Pfalzgrafschaft am Rhein und 1440 an Württemberg kam. Oefter wird Gültlingen als ein früherer Freiflecken bezeichnet. Wie das Dorfrecht" von 1405 beweist, hatte das Dorf tatsächlich gewisse Vor­rechte; doch ist nicht ganz klar, worin diese Vorrechte bestanden, auch nicht, worin sie ursprünglich begründet waren. Die Vorrechte hat Herzog Christof 1552 aufgehoben, daGültlingen wie andere Flecken zum Herzogtum Württemberg gehöre und mit diesen hebe und lege", d. h. dieselben Verpflichtungen habe. Im 30jährigen Krieg hatte die Gemeinde viel auszustehen; waren es vor dem Krieg etwa 900 Ein­wohner, so waren es 1639 nur noch 259; die Pest hat hier furchtbar gewütet. Eine große Feuersbrunst hatte schon 1611 einen Teil des Dorfs in Asche gelegt. Auch in den späteren Kriegszeiten hatte Eült- lingen als größere, wohlhabende Gemeinde und als bequemer Durch­gangsort vom Schwarzwald und Nagoldtal zum Gäu viel durch Ein­quartierung, Plünderung und Brandschatzung zu leiden.

Auch heute ist Gültlingen ein stattliches Dorf mit lebhaftem Ver­kehr und ansehnlichen Bauernhäusern. Nicht weit von der Mündung des Agenbaches in die Nagold liegt die untere, etwas weiter oben die obere Papierfabrik; erstere gehörte ursprünglich zum Bergwerk in Neubulach, 1756 erbaut; die obere rührt aus dem Jahr 1795 und ist mit einem Sägwerk verbunden. Beide Häuser liefern Packpapier, Fließpapier u. a.

Der Gemeinde Gültlingen gehört der Hof Haselstall, dreiviertel Stunden von dem Dorf entfernt. Dort befand sich auf einem Bergvor­sprung eine Burg Hadelstatt, die früh abgegangen ist und schon 1440