254

es war insbesondere der edle Landgraf Philipp von Hessen, der tiefen und nachhaltigen Einfluß auf ihn hatte. Er hatte den Entschluß ge­faßt, nach seiner Rückkehr dem Evangelium zum Sieg in seinem Lande zu verhelfen. Zm Lande selbst war indessen der Boden wohl vorbe­reitet. Die Reichsstädte Reutlingen, Ulm und andere hatten bereits die neue Lehre angenommen; man wußte auch in Württemberg, um was es sich handelte, zumal in Gegenden wie Nagold, wo das Evan­gelium in den benachbarten Bezirken schon so viel von sich zu reden gemacht hatte. Das Volk nahm den Herzog jubelnd wieder auf; all die Fehler und Mißgriffe seiner Jugend waren verziehen. Die Aemter Nagold und Wildberg huldigten Ulrich wieder am 18. Mai 1536, und der vom Schwäbischen Bund eingesetzte Kommandant von Hohennagold übergab das Schloß bald darauf ebenfalls dem Herzog. Die Refor­mation des Landes wurde auch alsbald ins Werk gesetzt. Der Herzog schickte seine Kommissare Ambrosius Vlarer von Konstanz und Erhard Schnepf von Weinsberg durch das Land. In Nagold und Wildberg hatte Blarer den herzoglichen Auftrag zu vollziehen: er versammelte in den beiden Amtsstädten je die Geistlichen des Amtes; die Haupt­punkte der evangelischen Lehre wurden ihnen zuerst vorgelesen; hier­auf wurden sie befragt, ob sie bereit seien, im Sinn dieser Lehre künftig ihren Dienst zu verrichten. Diejenigen Geistlichen, die diese Frage bejahten, durften auf ihren Stellen verbleiben; wurde die Frage verneint, so erhielten die Pfarrer Bedenkzeit; ließen sie diese verstreichen, ohne eine bejahende Antwort zu geben, so mußten sie ihren Platz verlassen; doch verfuhr man auch hiebei mit möglichster Schonung. Je nachdem wurde auch eine kleine Abfindungssumme be­willigt. Die Gefälle, welche bisher die Kirche und die Klöster anzu­sprechen hatten, wurden vom Herzog eingezogen; so z. B. die zahl­reichen Pfründen, die bisher in Nagold, Wildberg und den anderen Or­ten bestanden hatten; davon wurden von jetzt an die Ausgaben für die Kirche vom Herzog übernommen. In den kirchlichen Handlungen, bei den Sakramenten, bei den Gottesdiensten wurde meist die ein­fachere, schweizerische Form gewählt; die Gottesdienste wurden zu ein­fachen Predigtgottesdiensten umgewandelt. Das Ergebnis der Er­hebung über den Willensentschluß der Geistlichen der Aemter Nagold und Wildberg war folgendes: weitaus die meisten Pfarrer erklärten sich bereit, die neue Lehre anzunehmen. In Nagold selbst führte Ma­gister Ulrich Kapp, ein gebürtiger Nagolder, die Reformation durch; er war und blieb Pfarrer anunserer lieben Frauen"; der bisherige weitere Geistliche an dieser Kirche wurde zweiter Geistlicher mit dem Titel Diakonus oder Helfer. Aehnlich war es in Haiterbach, wo wegen der vielen Filialen auch ein Diakonus nötig wurde. In Wildberg hat Andreas Keller, früher Prediger in Rottenburg, die Reformation durchgeführt; auch hier wurde ein Diakonat errichtet. Von den seitheri­gen Geistlichen des Bezirks Nagold waren cs nur zwei, welche die An­nahme der neuen Lehre ablehnten; beide erhielten eine Abfindungs­summe.