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sie erzählen uns» daß einst ganz andere Zustände und ganz andere Anschauungen geherrscht haben als heute. Eie mögen von Zwang und Druck sagen, die manchmal von dort ausgegangen find. Aber sie erzählen auch von vielen Segnungen, die von dorther gekommen sind. Nicht bloß daß die Umwohner sich im Schutz des Burgherrn wußten; auch die Rodungen in unseren Waldgegenden und die Gewinnung fruchtba­ren Ackerlandes waren nur möglich, wenn gebietende Persönlichkeiten diese Aufgaben in die Hand nahmen. Auch mag darauf noch hinge­wiesen werden, daß in Zeiten, wo in unserem Volke noch wenig gei­stige Bildung zu finden war, auf mancher Burg Dicht- und Sanges­kunst wie andere Künste edle Pflege gefunden haben.

Da» Leben auf unseren Burgen

Vielleicht haben wir schon manchmal, wenn wir eine unserer Bur­gen besucht haben oder daran vorbeigegangen sind, uns gefragt, wie es einst da droben mag zugegangen sein, wie einst diese Grafen und Rit­ter mit ihren Angehörigen ihr Leben zugebracht haben mögen. In Dichtungen und Romanen haben wir schon so schöne und anziehende Schilderungen vom Leben dieser Edelleute gelesen. Wirds tatsächlich immer so paradiesisch da droben gewesen sein? Schon die Wohnungs­verhältnisse sind nicht immer so glänzend gewesen, wie man es sich wohl vorstellt. Die Grafen unseres Bezirks, die Hohenberger, hatten schöne, geräumige Burgen; aber es gab manche Edelleute, die sehr bescheidene Wohngelasse hatten, Räume, die sich in ihrer Ausstattung über die Wohnungen mancher Bauern nur dadurch erhoben, daß sie auf stolzer, steiler Höhe gebaut waren. Wenn auch Dienerschaft und Gefolge in den bescheidenen Räumen der Burg untergebracht werden mußten, blieben für die Herrschaft nur wenige Gelasse. Aber auch wo die Ver­hältnisse günstiger lagen, blieben, mit unserem heutigen Maßstab ge­messen, doch so manche große Mängel. Die Häuser hatten keine Fen­ster, sondern nur schmale Oeffnungen für Licht und Luft, und da war man aus diesen hochgelegenen, luftigen Höhen doch gar sehr bei Wind und Wetter den wechselnden Unbilden der Witterung ausgesetzt. Zn den langdauernden Wintermonaten mögen sich die Burgbewohner doch sehr nach dem milden Frühling gesehnt haben. Die Lebenshaltung auf diesen Burgen mag auf manchem Schloß recht bescheiden gewesen sein, namentlich wenn es eine kleine Herrschaft war, zumal da der Ritter für sein standesgemäßes Auftreten stets hohe Ausgaben machen mußte. Die französischen und englischen Schlösser waren ganz anderer Art; da lebte man auf einem viel höheren Fuß. Bei den mehr be­scheidenen Bau- und Lebensverhältnissen auf den meisten unserer Bur­gen verstehen wir auch, daß dieselben so früh zerfallen sind; da brauchte es keine Beschießung wie bei der Burg aus Hohennagold und keine ge­waltsame Zerstörung wie bei der Burg Mandelberg (bei Bösingen). Man darf nicht vergessen, daß es bei diesen Burgen ganz auf die Sicherheit und Festigkeit gegen außen abgesehen war; auch bei vor­nehmeren Burgen war die herrschaftliche Wohnung zugleich ein Teil