207
Nagoldgau hieß dieser Gau, weil sich der Lauf der Nagold wie eine Ader mitten durch dieses Gebiet hindurchzieht. Die Erafenwürde war ursprünglich nicht erblich; die Grafen waren vielmehr Beamte, die jederzeit vom König abberufen werden konnten. Diese Grafschaften find für die Folgezeit deshalb von Bedeutung, weil sie die Grundlage für die spätere politische Entwicklung bildeten und sich die spätere Staatenbildung häufig an sie anschloß. Auch die Rechte der späteren Grafen, z. B. der Blutbann, das Recht zur freien Benützung des Waldes, das Eeleitrecht, das Recht zur Errichtung von Burgen, Mühlen, Wirtschaften u. a. waren dieselben wie bei diesen karolingischen Grafen.
Noch in anderer Beziehung war die Karolingerzeit für später bedeutsam: Die bisher noch ziemlich dünne Bevölkerung wurde durch Zuzug von außen stark vermehrt; nachdem schon früher die Dörfer Eültlingen, Effringen, Emmingen, Schietingen, Gündringen, Bösingen, Beihingen ins Dasein getreten waren, mögen in der Karolinger Zeit die Orte Ober- und Untertalheim, Baßheim (abgegangenes Dorf bei Nagold), Altheim u. a. gegründet worden sein. Wahrscheinlich ist um jene Zeit auch Wenden entstanden, da Karl der Große die slavischen Wenden in anderen Teilen seines Reiches, wo noch freies Siedlungsgelände war, angesiedelt hat. Auch Sachsenweiler (zu Zumweiler geyörig) mag seine Gründung der Zeit verdanken, wo Karl der Große die aufrührerischen Sachsen in entlegene Teile seines Reiches verpflanzt hat. So werden auch Ebershardt und Monhardt wie die andern in der Nähe gelegenen Ortschaften mit der Endung „Hardt" (Sommenhardt, Lützenhardt im Oberamt Ealw) aus gerodetem Waldboden um jene Zeit entstanden sein.
Und noch in einer anderen Beziehung war jene Zeit für unsere Ahnen folgenreich. Die lange Zeit der Wanderung lag nun hinter ihnen; unter der Herrschaft der Franken mußten sie sich an eine seßhafte Lebensweise und an die regelmäßige Bebauung des Bodens gewöhnen. Nicht mehr Krieg und Jagd konnten jetzt ihre Lebensaufgabe sein, sondern die Ausgestaltung einer friedlichen, sich den von der Natur gegebenen Bedingungen anschmiegenden Lebensweise, die Inangriffnahme der Kulturarbeit, die ihre Wohnsitze zu einem schönen, blühenden Heimatlande umwandeln sollte. Auch für geistige Einflüsse haben sie sich nun aufgeschlossen, zumal da auch das Christentum bereits bei ihnen Fuß gefaßt hatte.
Bild 192: Kirche von Obertalheim. Bild 1S3: Kirche von Eaugenwald.