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gewirkt. Sie halten den Zweck, die Entbehrungen der Soldaten zu lindern durch Beiträge an Geld, Kleidungsstücken usw. An Weihnachten übersandten die Gemeinden ihren im Felde stehenden Kämpfern kleine Geschenke. Ferner wollten die Vereine für die verwundeten und kranken Krieger Verpflegungsmittel beschaffen. Eine Menge Verbandstoffe, besonders Charpiebaumwolle, wurden der Kriegs- leiiung unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Am Schluß des Jahres waren dem Bezirkswohltätigkeitsverein in Calw aus freiwilligen Beiträgen ungefähr 3522 Gulden zugeslosten. Von Zeit zu Zeit wurden Kollekten veranstaltet.
Die Leute waren von den Erntegeschäften weg ine Heer gerufen worden. Bald machte sich der Mangel an Arbeitskräften bemerkbar. Weil aber viele Fabriken geschloffen wurden, so war es ein leichtes, neue Feldarbeiter zu bekommen. Auf diese Weife wurden beide Teile befriedigt, die Arbeitslosen und die mit Arbeit überhäuften Landleute.
Bald erfuhr man die ersten Siegesnachrichren, die vom Oberamt bestätigt wurden. Ungeheurer SiegeSsubel brach los, da die großen Erfolge die höchsten Erwartungen übertrafen. Die Schlacht bei Wörth forderte auch e:n Opfer aus unserem Bezirk (von Altburg).
Als sich der Krieg mehr ins Feindesland hineinzog, mußten die Bedürfnisse an Lebensmitteln, Mumtion und Kleidungsstücken den Truppen nachgefübrt werden. Dazu reichte der Wagenpark des Trains nicht aus, und jedes Oberamt mußte eine bestimmte Anzahl Wagen stellen. 72 Wagen aus dem Calwer Bezirk verließen am l l. August ihre Heimat; sie kehrten nach 6 — 8 Wochen wieder zurück und klagten über außerordentlich mangelhafte Verpflegung. Das Amt mußte die Entschädigung, 22 222 Gulden, aufbringen, die dann nach dem Friedensschluß vom Ministerium zurückerstattet wurden.
Bei der Einnahme der kleinen Festung Lichtenberg waren verschiedene Bezirksangehörige beteiligt. Der frühere Schultheiß Rothfuß von Dennjächt und Johann Pfeifer von Althengstett zählten mit ihrem Oberleutnant die Gefangenen; es waren 2 l 7. Auch acht Geschütze waren dabei erbeutet worden, die später noch auf dem Schloßplatz in Stuttgart zu sehen waren.
Am 3. September, einem Samstag, erfuhr man den großen Sieg bei Sedan. Abends kam ein Erpreßbotc vom Dekanatamt in alle Pfarrorte mit der Nachricht, daß von Stuttgart telegraphisch eine Dankespredigt für den Sonntag angeordnet worden sei. Wer hätte das gedacht? Der Kaiser mitsamt seinem Heer ein Gefangener der Deutschen! Der unermeßliche Jubel läßt sich nicht beschreiben. Sämtliche Glocken wurden geläutet, und Freude und Stolz erfüllte das Herz jedes Deutschen beim Siegesklang der metallenen Zungen. Auf allen Straßen hörte man „Die Wacht am Rhein" erschallen; Calw hatte Flaggenfchmuck angelegt. Abends wurde die ganze Stadt festlich beleuchtet. In mehreren Orten wurde ein Freudenfeuer abgebrannt, und beim lodernden Flammenschein hielt der Geistliche eine vaterländische Rede, die vom Gesang der Gemeindegliedr begleitet war.
Als die Übergabe von Stcaßburg bekannt wurde, reisten viele Leute aus unserer Gegend dorthin, um die Greuel der Verwüstung einer beschossenen Stadt