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ablehnte. Der württembergische König Wilhelm l. wollte sich einen» Preußenkünig nicht unterwerfen und die Beschlüsse des Frankfurter Parlaments nicht anerken­nen. Dadurch wurden die Gemüter der Calwer Bürger aus das lebhafteste erregt. Eine riesige Versammlung auf dem Rathaus gab eine von 484 Personen unter­schriebene Erklärung an den König und die Minister ab, in welcher dieselben zur unbedingten Anerkennung der deutschen Reichsversassung" aufzefordert wurden. Der Schluß lautete:Wir erklären endlich, daß wir für die AusrechterhaUunq der deutschen Reichsserfaffung mit Gut und Blut einstehen, und daß wir nimmermehr dulden werden, daß unser gutes, deutsches Recht uns verkümmert werde." Nun brachen Unruhen aus, welche darauf hinzielten, Deutschland mit Gewalt zu einigen und die Republik an Stelle der Monarchie zu setzen. Im Calwer Wochenblatt erschien ein großer Artikel unter der Überschrift:Es lebe die Republik!" Der Verfasser desselben meinte unter anderem:Es hält mit der Monarchie doch nicht mehr lange, darum will ich ein wenig Republik predigen. Es gibt nur ein Heil, das ist die Republik." Selbst die Schuljugend wurde von der Bewegung ergriffen. Die einen Buben schwärmten für Hecker, den Anführer der badischen Freischärler oder Republikaner, die andern waren für das Königtum, je nachdem sie ihre Väter zu Hause sich aussprechen hörten. Auf der Burgruine Zavelstein wurde die Fahne der Freiheitsmänner, das schwarz-rot-goldene Banner aufgepflanzt.

In Horb sollten sich die Freischaren sammeln und von dort nach Stuttgart ziehen, um das Ministerium zu stürzen. Ein großer Teil der Calwer Bürgerwehr wollte sich ihnen anschließen. Als sie vor ihrem Auszug die geforderten Waffen nicht erhielten, stürmten sie die Realschule und das Rathaus, woselbst die Patronen und Gewehre aufbewahrt waren. Dem Auszug nach Horb am 2Z. Juni schloffen sich 122 Personen an. Wegen des schwachen Zuzugs aus andern Gegenden unterblieb der Marsch nach Stuttgart, und die Calwer fuhren wieder heim. Während des sonntäglichen Gottesdienstes kehrten sie unauffällig auf verschiedenen Wegen in die Stadt zurück. Ihre Waffen hatten sie zuvor im Walde versteckt und ließen sie teil­weise abends durch ibre Kinder abholen. Später wurde eine Untersuchung gegen die AuSmarfchierten eingeleitet. Ihr Anführer entzog sich der ihm drohenden 18jährigen Zuchthausstrafe durch die Flucht in die Schweiz. Drei andere Personen wurden je zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt. Ein badischer Oberst, der gegen die Freischärler kämpfte, wurde in Calw verhaftet und wäre beinahe erschossen worden. Zur Strafe dafür bekam Calw mehrere Wochen lang Einquartierung eines In­fanteriebataillone.

Die Einigung Deutschlands war zwar mißlungen, aber das Volk errang mehr Rechte, als es bisher besaß, vor allem Preßfreiheit, Schwurgerichte und die schon 1817 begonnene Zehntablösung. Der Blutzehnten und der Heuzehnten wurden schon 1817 und 1821 für ablösbar erklärt, d. h. wer die Naturalien nicht mehr entrichten wollte, konnte eine Geldsumme dafür bezahlen. Die Ablösungssumme der übrigen Zehnten im Jahre 1849 wurden für das Oberamt Calw auf 1 Z6O Gul­den berechnet. Auch die Mühlbannrechte in Calw und Liebenzell wurden abgelöst, und die Bauern waren nicht mehr verpflichtet, nur in einer bestimmten Mühle zu mablcn. An die Liebenzeller Bannmühlen waren sechs Orischasten gebannt-, diese