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gebrachter Gebrauch bei ihnen, daß sie gemeiniglich denjenigen „kurten" (wählten), welcher versprach, im Wirtshaus die größte Zeche zu bezahlen. War der Dienstnehmer in diesem Punkte ihr Mann, sc lag ihnen weit weniger daran, ob er, anstatt dem Schulhalten, das Weber-, Schneider-, Schuster-, Stricker- oder sonst ein Handwerk gelernt hatte. Nach dem „Kuren", wie sie es altdeutsch nannten, wurde der Gekurte allsosort dem Pfarrer und durch diesen dem Herrn Spezial in Calw zur weiteren Bestallung zugeschoben. Wähend seiner ganzen Dienstzeit wurde er hierauf dergestalt umgeätzt, daß ein jeder Einwohner bei jedem Umgang so viel Tage, als er Kinder in die Schule schickte, ihm zu esien geben mußte. Ein Bauer hingegen, der keine Kinder zu unterrichten hatte, durste ihm in einem solchen Umgang nur einen und ein Taqlöhncr nur einen halben Tag die Kost reichen, und diese letztere Atzung geschah um der Betstunde willen, welche der jeweilige Schulmeister wöchentlich in der Stube halten mußte, die ihm in irgend einem Bauernhause zum Unterrichte der Kinder vergönnt wurde. Diese Stube war aber kein eigenes zum Schul- und Betstundenhalten besonders eingerichtetes Zimmer, sondern die Wohn- stubc eines Hauseigentümers, der eS sich eine Zeitlang gefallen ließ, oder auch gefallen lasten mußte, daß der Schulmeister mit seinen Kindern da sein Wesen trieb. Dem Herkommen gemäß mußte einer von den Einwohnern, welcher dann dafür Z Kinder in die Schule gehen lasten konnte, diese aus ein Jahr in sei» Haus aufnehmen und eben so lange auch dem Schulmeister das Nachtquartier geben. Wegen der ganz unvermeidlichen Unlust, welche aus der damit verbundenen Einschränkung der Familie und des Betriebs des Hausbesitzers entsprang, war, wie sich leicht denken läßt, diese wandernde Schule in keinem Hause willkommen. Nicht selten wurde sie in die unbequemste, engste und finsterste Stube verlegt, so daß nicht alle gesetzt werden konnten und ein visitierender Pfarrer einst einige, die doch auch ein Sitzplätzchen haben wollten, sogar auf dem Hinterofen „aufgesessen" antraf. Hier mußte der Schulmeister mitten unter den häuslichen Geschäften der Bauersleute die liebe Jugend unterweisen. In der nämlichen Zeit wurde in einer solchen Stube gehechelt, gesponnen, gehaspelt, gerollt (gespult), gewaschen, geschwatzt, gelärmt, gepoltert, geschrieen, gezankt, und was sonst noch da Vorgehen mochte, und der Eigentümer glaubte treiben zu dürfen, was ihm beliebte. Der Schulmeister aber mußte sich mit seinen Schülern „drücken und bücken". Weder er noch selbst der Pfarrer durfte viel darein reden, um dem Unfug, der vielleicht oft geflissentlich getrieben wurde, Einhalt zu tun. Die Hausleute erklärten in einem solchen Fall, man solle nur schweigen und froh sein, daß sie ihre eigenen Stuben zum Schulhalten hergeben. Es soll sogar einmal versucht worden sein, die vom Möttlinger „Heiligen" angc- schafflen Schultische und -bänke aus der Stube hinaus aus die kotige Gaffe zu stellen, mit dem Bedeuten: draußen sei Platz und da sei eS auch gut genug zum Schulhalten".
Es ist begreiflich, wie viel oder vielmehr wie wenig in einer so beschaffenen Schule für den Unterricht und die Bildung der Jugend getan werden konnte. Dieser Not suchte der menschenfreundliche Pfarrer Machtolf von Möttlingen durch Gründung eines neuen SchulbauseS abzuhelsen. In der Blechkugel des Schul- haustürmleins fand sich eine Urkunde, die uns hierüber folgendes berichtet: