an die Verteilung des verfügbaren Landes. Jeder Familienvater erhielt ein Stück Ödland und Wald zugeteüt. Der Wald gehörte ehemals dem Kloster Herrenalb, jetzt dem Sraat; das Ödland waren frühere Acker, die vom Dreißigjährigen Krieg her noch brach lagen, Teile der Markungen Althengstett und Simmozheim, die zum Weidgang dienten.
Wer waren diese Fremdlinge? Es waren Waldenser, die um ihres Glaubens willen von dem Herzog von Savoyen ausgewiesen worden waren. Von ihrer Heimat Savoyen, einem Alpenlande zwischen Frankreich und Italien, wandten sie sich zunächst nach der Schweiz. Dort wurden sie freundlich ausgenommen. Von hier aus baten sie den Herzog Eberhard Ludwig um Aufnahme in fein Land. Nach langen Verhandlungen wurde ihnen die Niederlassung gestattet. Die meisten fanden in der Gegend von Maulbronn und Leonberg Unterkunft und gründeten dorr u. a. die Dörfer VillarS, Serres, Corres, Perouse. Die Waldenser, die in unserem Bezirk Aufnahme fanden, waren die letzten der Einwanderer. Sie nannten ihre neue Heimat Bcursct. Elf Jahre später gab man dem Dorf den Namen Neubengstett; oft wurde es auch Kolonie bei Simmozheim genannt, da drei Fünftel der Markung früher zu Simmozheim gehörten. Bei den Anwohnern beißt die Ortschaft heute noch Welschdorf.
Nach dem Plane eines herzoglichen Beamten siedelten sich die Kolonisten in zwei Straßen an, die bei einem laufenden Brunnen unter einem rechten Winkel zusammenstießen. Nach der abergläubischen Meinung mancher Waldenser sollen in der einen Straße die Leute „vom guten", in der andern die „vom bösen Blute" gewohnt haben. Solange der Bau von Woknhäusern noch nicht beendigt war, wohnten sie in Zelten oder Hretterhütten, sogenannten Baracken. Daran erinnert noch der Name, den die Straßen nachher bekamen. Die eine hieß in Inrukleg (Barackenftraße), die andere In Kubmretk (Zeltstraße). Das Bauholz bekamen die Waldenser von der Regierung. Für die Anschaffung von Werkzeugen und Geräten sorgte ein Abgesandter von Holland, der die Vertriebenen schon wäbreud der Reise reichlich unterstützt hatte. Doch dauerte es gegen 25 Iakre, bis alle Häuser erbaut waren. Zum Bau eines SchulbauseS und einer Kirche reichten die Mittel nimmer. Als Kirche mußte eine Bretterhütte dienen, an deren Stelle erst 1769 ein aus Steinen erbautes Gotteshaus trat. Es war nach Art der reformierten Kirchen schmucklos und besaß weder Sakristei noch Taufstein noch Orgel. Statt des Altars diente ein einfacher hölzerner Tisch. Ein Bauer oder Handwerker, der im Lesen, Schreiben und Singen einige Fertigkeit besaß, unterrichtete die Jugend in seinem eigenen Hause. Das Lesen lernten die Kinder in der Bibel und im Gesangbuch, die beide in der französischen Sprache gedruckt waren. Sonst wurde nichts gelernt, nicht einmal das Rechnen. Erst 179l erhielt die Gemeinde ein eigenes Schulbaus. Die Bausumme brachte der damalige Pfarrer Keller zusammen. Er schrieb über 5OO Bittbricse und erhielt viele Liebesgaben der Glaubensgenossen sowie Beiträge von den Heiligenpslegen der Nachbardörfer, der Universität, dem Kirchenrat, dem Calwer Färberftift und reichen Calwer Handelsherren. Namhafte Summen sandten die reformierten Gemeinden von Hamburg, London, Genf und Moskau.