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tausend Schritte von der Stadt entfernt fiel Valentin Andrea, der Dekan von Calw, einer Bande in die Hände. Er wurde mit einem Flintenkolben zu Boden geschlagen, so daß er eine Rippe brach. Unermüdlich war er tätig, das Elend zu lindern, schaffte Kranken Nahrung, Arznei und Betten an, sorgte für Waisen, kämpfte gegen Pflichtvergeffenheit und Zuchtlosigkeit und bestrebte sich die Ord­nung wieder herzustellen. Auch verwendete er sich bei feindlichen Befehlshabern um Schonung der unglücklichen Stadt. Den» nach Johann von Werth zogen noch bayrische, französische und schwedische Truppen durch Calw, das 16Z8 noch­mals geplündert wurde und einen Schaden von 25 OOO Gulden erlitt. Noch »ach dem Friedensschluß lagen schwedische Reiter den ganzen Sommer hindurch in der Stadt.

17. Oer dalwer Hexenprozeh.

Im Jahre 1685 lebte in Calw eine Frau, welche von den Leuten die alte Mulflerin genannt wurde. Ihr Mann war längst tot, und außer Z Stief­töchtern und einem elfjährigen Enkel, Bartel geheißen, hatte sie niemand mehr in der Stadt. Sie war ein steinaltes Weiblein, und wenn sie je einmal ihr ärmliches Häuschen verließ, so ging sie tief gebückt und langsam an einem Stock einher. Um so lebhafter war der Bartel. Vom Frühjahr bis zum Herbst war er allein oder mit seiner Mutter, einer der Z Stieftöchter, fast täglich im Walde. Da las er Hol; und Tannenzapfen auf oder er sammelte Beeren. Auch allerlei Heilpflanzen hatte ihn die Mutter kennen gelernt. Sie verstand es vortrefflich, die Beeren für den Winter zu trocknen oder einzukochen und allerlei heilsame Tränklein zu bereiten. An Regentagen und an den langen Winterabenden saß dann Bartel neben seiner schwarzen Katze auf der Ofenbank und schnitzelte irgend etwas: Rührlöffel, Teller, Gabeln, auch allerlei Kinderspielzeug wie Wägelchen, Mühlräder, Schiffe, Tierlein u. dergl. Währenddem spannen die Frauen, und die Großmutter wußte allerlei Märlein und Geschichten zu erzählen.

Ost kamen Nachbarsfrauen und fragten die Großmutter um Rat, wenn irgend ein Mensch oder auch ein Stück Vieh erkrankt war. Und die Großmutter wußte immer Hilfe; für jedes Übel hatte sie ein Tränklein und für jede Wunde eine Salbe. Daher hatte die Mulflerin mehr Zulauf als der Doktor, kam aber auch in den Ruf der Zauberei. Und nicht bloß die Alten kamen ins Haus. Nir­gends in der Stadt konnte man nettere Wägelchen scben als bei Bartel und nir­gends schönere Märlein hören als von Bartels Großmutter. Deshalb liefen auch die Kinder in die Stube der Mulflerin lieber als in die Schule. Der damalige Schulmeister war seines Zeichens ein Schneider und konnte gar gut mit dem Ellenmaß umgehen. Sogar des Schulmeisters Söhnlein, ein frisches Büblein von 6 Jahren, saß täglich beim Bartel und wollte sehen, wie man schnitzelte. Da wurde aber plötzlich das Büblein krank und starb. Tags zuvor war es no», gesund und munter gewesen. Deshalb sagten böse Leute, Bartel habe das Kind vergiftet; denn die Leute waren damals noch sehr abergläubisch