52

Hoffnung der verarmten Einwohner wird zunichte. Haufenweise treibl der Feind die noch in den Häusern versteckten Einwohner aus ihren Schlupfwinkel»; wer nicht flüchtet, findet in dem reich genährten Feuer den Flammentod. Ein allgemeines Fliehen und Hasten nach den Toren der Stadt beginnt, um, mit wenig gerettetem Gut beladen, zu den in den Wäldern versteckten Brüdern zu eilen. Doch darauf haben die wilden Horden nur gewartet; höhnische Zurufe der Henkersknechte empfangen die zu Tode Beängstigten. Glücklich, wer einem kräftigen Schwertstreich verfällt. Dieser Tod ist dem qualvollen Leiden in Feuers­pein noch vorzuziehen. Doch viele erreichen auch das schützende Gebirge; an Lei­tern, an Seilen und Stricken lasten sie sich aus den Fenstern und von den Tür­men hinab ins Freie; ja selbst vor dem Hinabspringen schrecken die schon furcht­bar Mißhandelten nicht zurück. Viele suchen den Tod in den Fluten der Na­gold, um der Entehrung, den lüsternen Quälereien der Peiniger und dem Flam­mentod zu entgehen. Selbst das Gotteshaus ist vor Zerstörung und Verunreini­gung durch die Mordbrenner nicht sicher. So hat Johann von Werth die Rache der benachbarten kaiserlichen Stabt Weil ausgeübt, die sich tief gekränkt fühlte, weil auf einer vor einigen Jahren in Calw aufgeführten Komödie das Bildnis des Papstes in übertriebenem Religionseifer verbrannt worden war. Vier Tage lang dauerte diese schreckliche Strafe, welche dennahrhaften" und durch seine Zeug- und Tuchfabrik bekannten Ort fast dem Erdboden gleich machte. (Nach W. S. im N. Tagbl. I9O8.)

Als die Feinde am Tage nach der Brandnacht sahen, daß die bestimmten Schlachtopfer dem Feuer entgangen, fingen sie an, in den Wäldern auf die Leute Jagd zu machen. Doch gelang es allen Flüchtlingen, sich zu retten. Der Feind war darüber erbost und ließ in Aichelberg seine Wut an dem reichsten Bauern des Ortes aus, der nach der entsetzlichsten Qual mit seinem Hause verbrannt wurde. Von Aichelberg kamen die Verfolgten bis Gernsbach. Als man ihnen später sicheres Geleit versprach, kamen sie wieder nach Calw zurück. Wie mag es ihnen wohl zu Mute gewesen sein, als sie von der Talwand der Nagold hinab­sahen zur Stätte des Elends! 85 Personen waren der Mordlust der entmensch­ten Soldaten zum Opfer gefallen, über 200 Verwundete lagen zwischen den Trümmern der zerstörten Stadt. An Stelle ihrer schönen Heimatstadt erblickten sie nichts als rauchende Trümmerhaufen. Die meisten Häuser waren bis auf den Grund niedergebrannt, nur die Vorstadt (etwa IOO Häuser) auf dem rechten Nagoldufer blieb vom Feuer verschont, mußte aber 4OOO Gulden Brandschatzung bezahlen, die von zurückkehrenden Reitern erpreßt wurden, obgleich die auSgeplün- derten Bewohner arm wie Bettler waren. Da sie diese Summe nicht zusammen­bringen konnten, so mußten sie in Frankfurt ein Darlehen aufnehmen. Die Ein­wohnerzahl sank von 5852 Personen auf 1589 herab, denn die Zerstörung der Stadt hatte den Ausbruch einer großen Hungersnot sowie der gefürchteten Pest zur Folge. An letzterer starben gegen vierhundert Personen in einem Vierteljahr. Entlaufene Soldaten und der Abschaum der Bevölkerung schloffen sich zu Räuberbanden zusammen und nahmen eine den Calwern gehörige Viehherde weg, nachdem sie die Hirten getötet oder gefangen genommen hatten. Kaum