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orten. Wohl war das Jahr 1634 ein überaus fruchtbares Jahr, aber die Er- trägniffe der Landwirtschaft wurden vom Feinde ausgezehrt. Präzeptor Lutz schreibt in seinem lateinischen, von Rektor Dr. Weizsäcker verdeutschten Gedicht über die Zerstörung Calws: Selbst reiche Leute „schlürften den mulzigen Satz von dem ganz verdorbenen Essig, Zwiebelhäute verzehrt gierig der hungrige Mund. Und dem feinstes Weizengebäck nicht wollte genügen, der ist jetzt sroh und beglückt, wenn er nur Kleienbrot hat. Weil es an Speise fehlt für den allezeit knurrenden Magen, ist man froh, wenn es nur Katzen- und Hundcfleisch gibt." Nesteln und Schnecken wurden von alt und jung fleißig gesucht und verzehrt. Den Bewohnern des Calwer Waldes half das „Kraut", das hier reichlich gepflanzt wird und mit dem der Feind nicht viel anzufangen wußte, über die größte Not hinweg. 1OO Krautköpfe kosteten IO Gulden, ein Scheffel Roggen kostete 2O, ein Scheffel Kernen 3O Gulden und mußte dazu hin noch von Bayern eingeführt werden, denn ganz Württemberg hatte unter dem Krieg zu leiden. Von 1635 — 37 erlagen in Altbulach 2OO Menschen dem Hungertod, obwohl die Leute Aas vom Wasen holten. Zur Aussaat der Felder blieben nur noch „zwei geringe Rößlein" übrig. Noch 1635 starben in Simmozheim 12 Personen, darunter der Schultheiß Däuble, den Hungertod, in Altbulach bis zum Jahre 1637 sogar gegen 2OO.
Die Hungersnot hatte die verheerende Pest, den „schwarzen Tod", im Gefolge. Schon 1626 erlagen in Württemberg 28 OOO Menschen der gefürchteten Krankheit; damals forderte sie z. B. in Simmozheim 70 Opfer, im Jahre 1635 sogar III, in Möttlingen 35, in Dachtel in den beiden Pestjahren zusammen 47, in Calw 772. Oft starben sämtliche Besitzer eines HofgutS an der Pest. Die Gemeinde verkaufte dann die. Güter, um die Kontribution zu erlangen. Die Kaufbücher jener Zeit melden viele Verkäufe, wohl Zwangsverkäufe „wegen aufgeschwollener Kontribution". Kinder reicher Bauern verarmten, wenn die Ellern starben und der Hof der Kriegeabgaben wegen verkauft wurde. So wurde I64O in Unterlengenhardt von Schultheiß und Gemeinde ein Hof mit Äckern, Wiesen und Wald um 270 Gulden verkauft. Dem Kind blieben noch 36 Gulden, selbst die beiden Mägde konnten ihren Lohn nimmer vollständig erhalten.
Während einzelne Ortschaften des Calwer Waldes von den Greueln des Krieges fast ganz verschont blieben, hatte besonders die Umgegend WeilderstadtS sehr zu leiden. Viermal wurde letzteres von schwedisch-französischen Truppen belagert und noch einige Tage vor Abschluß des Westfälischen Friedens von den Franzosen eingenommen und fast vollständig verbrannt. Die benachbarten Sim- mozheimer hatten kurz zuvor ihre Habe in die befestigte Merklinger Kirche geflüchtet. Zur Verpflegung der Belagerungstruppen wurden die Nachbarortschaften ausgeplündert. Im Totenbuch von Ostelsheim lesen wir: „Michael Hofmeyer ist von französischen und weimaranischen Soldaten zu tot gestochen worden, indem sie von Merklingen aus, wo das weimaranische (schwedische!) Hauptquartier war, fouragicrten." Ostelsheim und Althengstett sowie diejenigen Orte, die an Durchgangsstraßen lagen, hatten am meisten zu leiden. 1637 waren 133 Bayern