politisch und moralisch ruinieren? Normal ist es doch wohl, nur eine solche Korrespondenz zu führen, durch deren Ver­öffentlichung man weder in einem ganz anderen Lichte als sonst nach seinen Worten erscheint, noch schwer komprimit- tiert oder gar zu Grunde gerichtet wird. Wir kennen denn auch eine ganze Gruppe von Politikern, von denen wir absolut sicher wissen, daß ein politischer Gegner und Denun- zian:, auch wenn er ihre vertraulichsten Briefe in seine Hand brächte, und deren Veröffentlichung nie auf die Kosten seiner Bemühungen kommen würde.

Berlin, 12. Okt. Die neue halbamtliche Aeu- ßerung in Betreff der zweijährigen Dienstzeit ist nach derNordd. Allg. Ztg." so zu verstehen, daß nach dem erst zweijährigen Bestehen der zweijährigen Dienstzeit bisher noch gar nicht die Möglichkeit Vor­gelegen hat, sich ein Urteil darüber zu bilden, welche nachhaltige Wirkungen sie im Vergleich zu der früheren Dienstzeit hat. Ein solches wird sich erst ergeben, wenn Erfahrungen über weitere Jahrgänge vorliegen, was vor allem zu beachten ist, wenn Mann­schaften, welche die zweijährige Dienstzeit durchgemacht haben, als Reservisten und Landwehrleute Dienst gethan haben. Dann erst wird sich erweisen, ob die Schulung der Mannschaften bei der zweijährigen Dienstzeit dieselbe nachhaltige Wirkung wie bei der früheren Dienstzeit hat. Bis 1899, in welchem Jahr überhaupt erst die Frage, ob das bisherige System beizubehalten sei, praktische Bedeutung gewinnen kann, ist noch Zeit genug, die Dinge sich in Ruhe entwickeln zu lassen und ausreichende Erfah­rungen zu sammeln.

Berlin, 14. Okt. Der Kaiser konferierte gestern aus Schloß Hubertusstock zunächst mit dem Fürsten Hohenlohe eine Stunde lang und empfing sodann den später eingetroffenen ruff. Minister des Aeußern Fürst Lobanow. Die gemeinsame Konferenz des Kaisers mit Lobanow und Hohenlohe währte gleich­falls eine Stunde. Hierbei sollen demKl. Journ." zu Folge die russenseindlichen Bestrebungen, das russische und englische Verhältnis am Bosporus, sodann Deutschlands und Oesterreichs gemeinsame Interessen und Oesterreichs Beziehungen zum Balkan in Frage gekommen sein. Um 1 Uhr fand ein gemeinschaft­liches Diner statt. Um 4 Uhr verließ Fürst Hohen­lohe und Fürst Lobanow das Jagdschloß Hubertus­stock. Auch die Kaiserin kehrte abends nach Berlin zurück. Der Kaiser verbrachte die Nacht in seinem Salonzug und fuhr heute Morgen früh nach Wiesbaden.

Berlin, 15. Okt. Zu dem Telegramm, welches der deutsche Kaiser an den Statthalter von Elsaß- Lothringen gerichtet, bemerkt derVorwärts" :-An­gesichts der Thatsache, daß über die Motive des Mülhauser Mordes bisher nur Vermutungen Vor­lagen und es bis jetzt an jeder gerichtlichen Feststellung des Zusammenhangs fehlt, können wir zu dem letzten Teil der kaiserlichen Depesche nur unser Bedauern aussprechen."

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 13. Okt. DieN. Fr. Pr." meldet aus Przmies: DerCourier" meldet über das kriegsgerichtliche Urteil in der Dioszegher Husarenaffaire, daß von 30 Angeklagten IS freigesprochen, 9 zum Tode durch den Strang und 6 zum Tode durch Erschießen verurteilt woroen seien. Nach dieser angeblich aus sicherer Quelle stammenden Meldung wäre das Urteil des Kriegsgerichts wesentlich strenger aus­gefallen, als die ersten in die Oeffentlichkeit gedrungenen Meldungen besagten. Wie verlautet, wird sich das Milttär- obergericht noch mit den Mten dieses Prozesses zu beschäf­tigen haben. Dasselbe Blatt meldet aus Triest: Gestern wurde auf der Piazza Grande ein Individuum mit Namen Josef Hiordi aus Lodi in der Lombardei verhaftet, welches von den italien. Behörden als ein sehr gefährlicher Anarchist bezeichnet wurde. Der Verhaftete, welcher tags­über in eleganter Kleidung erschien, abends dagegen defektes Gewand anlegte suchte vorgestern bei der hiesigen Polizei­direktion um die Licenz um den Verkauf von Gebetbüchern nach. Bei der Verhaftung fand man 145 Lire vor.

Frankreich.

Paris, 14. Oktbr. Nach einer Meldung aus Majunga näherten sich die Franzosen nach heftigem Kampf gegen die Hovas am 30. Sept. Tananarivo auf 3 Wegstunden. Eine Granate schlug in den kßl. Palast ein. General Metzinger ist mit der Ein­richtung der Verwaltung beschäftigt.

Paris, 14. Okt. Unter diesjährigen 23652 Pariser Gestellungspflichtigen waren 338 des Lesens und Schreibens unkundig; 288 konnten nur lesen, nicht schreiben; 7000 wurden auf Schulbildung gar nicht untersucht. Die Debats nennen dieses Er­gebnis tief beschämend angesichts der großen An­strengungen von Paris für sein Schulwesen.

Paris, 15. Okt. DerNewyork-Herald" ver­öffentlicht ein Telegramm seines Korrespondenten aus Söul vom 13. Oktober folgenden Wortlauts: Mein Telegramm vom 10. Oktober betreffend die Ermor-

!dung der Königin von Korea und die Revolution in Korea ist in Tokio unterschlagen worden. Als die Ermordung der Königin erfolgte, hielten Japaner an den Thüren des Palastes Wache. Man glaubt jedoch nicht, daß der japanische Gesandte von dem Komplott in Kenntnis gesetzt worden ist. Der König ist gefangen genommen worden; dessen Bruder wurde zum Diktator proklamiert und ein neues Gesetz ein­gesetzt. An die Koreaner ist ein Aufruf erlassen worden, in welchem sie aufgefordert werden, die Japaner zu vertreiben.

Italien.

Rom, 14. Okt. (Stefanimeldung.) Nach einem weiteren Drahtbericht schlugen sich die italienischen Truppen bei Debra Abbaze glänzend. Die Tigriner sind völlig geschlagen, die Hauptführer Cagnesmac, Aila, Mariam sind verwundet und gefangen. Die Italiener besetzten das Lager Rasmangaschas, welches sodann niedergebrannt wurde. Die Tigrinischen Sol­daten von Schoa kommend, waren mit französischen Grasgewehren bewaffnet, die 1894 in Saint Etienne angefertigt worden sind.

8. 0. L. Rom, 14. Okt. DemPopoloromano" zufolge dürfte der König von Portugal nicht mehr nach Rom kommen. Das Blatt schreibt: Nachdem König Humbert den König Karl hat wissen lassen, daß er ihn im Quirinal empfangen würde und nach­dem der Papst erklärte, in diesem Falle den König von Portugal nicht zu empfangen, glaubt der König Karl über die Schwierigkeit hinauszukommen indem er vorschlug, den König Humbert in Monza und darauf den Papst in Rom zu besuchen. Der König von Italien wollte jedoch diesen Ausweg nicht ein- gehen, da derselbe wie eine Kapitulation dem Vati­kan gegenüber erschienen wäre.

Türkei.

Die Vorgänge in der Türkei fesseln noch immer die Aufmerksamkeit Europas. Nachdem es allmählich gelungen ist, in Konstantinopel selbst die Ruhe wieder herzustellen, mehren sich die Nachrichten von Exzessen in den Provinzialstädten. Besonders arg waren die Unruhen in Trapezunt, viel böser, als man nach den bisherigen Meldungen annehmen konnte. Selbst Offiziere beteiligten sich dort an den Ausschreitungen gegen die Armenier. Die Trape­zunter Behörden erhoben den Einwand, ihre Gar­nison sei zu klein, um Ordnung in der Stadt zu schaffen; Verstärkungen sind infolge dessen unterwegs. Zum Schutze der russischen Angehörigen ist ein rus­sisches Kriegsschiff vor Trapezunt vor Anker gegangen. Die Collectivnote der Mächte ist von der Pforte nunmehr beantwortet worden. Von einer beabsichtigten Inangriffnahme der verlangten Refor­men enthält die Antwort nichts, dagegen sucht sie die gegen die Türken erhobenen Beschwerden abzu­schwächen und schiebt die Hauptschuld an den blutigen Straßenszenen in Konstantinopel den Armeniern zu. Zum Schluß giebt die Note diejenigen Maßnahmen bekannt, welche zum Schutze der in der Türkei wei­lenden Christen von der Hohen Pforte gefaßt wor­den sind.

Konstantinopel, 14. Okt. Die Wache vor dem kaiser­lichen Palais ist neuerdings wieder durch eine Eskadron Dragoner und eine Batterie Artillerie verstärkt worden. Der russische Botschafter ersuchte den Polizeiminister, zum Patrouillendienst in den Straßen nur Polizei anstatt Sol­daten zu verwenden.

8. 6. 8. Konstantinopel, 13. Okt. Die Räu­mung der Ki'-chen, in welche sich 2414 Personen ge­flüchtet haben, ist beendet. In den letzten Tagen fanden an verschiedenen Punkten des Distrikts Jsmidt Unruhen statt, bei welchen eine Anzahl Personen ge­tötet und verwundet wurde. Nach den letzten Be­richten ist die Ordnung wieder hergestellt.

Amerika.

Aus Havanna kommt die Meldung, daß der Kriegsrat die Jnsurgenten-Anführer Amezaga und Riembal, ersteren zum Tod. letzteren zur Zwangs­arbeit verurteilt hat. Die Aufständischen verschmähen es neuerdings auch nicht, auf harmlose Reisende Mdrdanschläge zu machen. So haben sie letzthin eine Dynamitbombe auf einen Eisenbahnzug geschleudert, vielleicht mit der Annahme, daß er auch Militär enthalte. Ein Reisender kam dabei ums Leben, 6 wurden verwundet. Das Expeditionskorps auf Kuba wird die in Aussicht gestellten Verstärkungen erst im Dezember erhalten, wo nach einer kürzlich erfolgten Mitteilung des spanischen Ministerpräsidenten Cano- vas 25 000 Mann dorthin abgehen werden. Später

würde er weitere 12000 Mann und noch mehr nach Kuba schicken, wenn es nötig werden sollte.

Kleinere Mitteilungen.

Nagold, 15. Okt. Freunde des Sternenhimmels machen wir darauf aufmerksam, daß vom 15. bis 26. d. M. zahlreiche Sternschnuppen, welche den Sternbildern des Stier und Orion zu entströmen scheinen, zu beobachten sind.

Vom oberen Enzthal, 10. Okt. Forstwart Klein hatte dieser Tage das seltene Jagdglück, in kurzer Zeit nacheinander 3 schöne Hirsche zu erlegen, darunter einen prächtigen Zwölfender.

Neuenbürg, 14. Okt. Gestern nacht brannte es in Feldrennach. Das Feuer brach im Futterschuppen aus und ergriff das nebenstehende große Wohngebäude mit solcher Wut, daß man nur darauf bedacht war, die Nach­barhäuser zu retten, was mit genauer Not auch gelang, sieben meist arme und kinderreiche Familien sind obdachlos geworden. Leider ist auch diesmal wieder Brandstiftung die Ursache des Unglücks.

Leonberg, 15. Okt. Die Gesamtsumme der Entschä­digungen, welche die staatliche Gebäudebrandversiche­rung infolge der Katastrophe vom 8. Sept. d. I. an die Betroffenen zu entrichten hat, beziffert sich auf 189139 ^ Auf die Kehlsche Apotheke fallen hiervon 24 292 auf das Bäcker Nastsche Anwesen 8900 aus das Wohnhaus von Gerichtsnotar Böhler a. D. 15 000 auf das Gast­haus zum Bären 6900 An Mobiliarversicherungsent­schädigungen sind beteiligt Helvetia mit 30400 Colonia mit rund 16 500 Deutscher Phönix mit 5700 ^ und Gothaer Feuerversicherung mit 1540

Rottweil, 14. Okt. Kaum hat die Trauerkunde von dem Unglücksfalle des Sonnenwirts Hartecker in Gölls­dorf, der am Samstag früh von der Bühne kommend durch einen Fehltritt die Schläfe verfiel und abends verschied, unser Mitleid erregt, als heute morgen eine neue Hiobs­post eintraf. Dessen Frau verbrachte die ganze Nacht unter Jammer und Schmerz bei den Wächtern der Leiche ihres Mannes. Um 5 Uhr begab sie sich in ihr Zimmer, ver­riegelte dasselbe doppelt und legte Hand an ihr Leben, indem sie sich den Hals abschneiden wollte. Die Wächter kamen auf das Zetergeschrei der Kinder herbei, erbrachen die Thüre und fanden die Frau in ihrem Blute liegend. Gewiß ein trauriger Fall, wenn auch ihr Leben gerettet werden kann! (Schw. B.)

Oberndorf, 14. Okt. Unter den verschiedenen Bauten, die im Laufe dieses Jahres in unserer Stadt erstellt wurden, und die von deren stetigem Wachstum und Vergrößerung Zeugnis geben, nimmt sicherlich das von Hrn. Jul. Eith neuerbauteHotel König Wilhelm" eine ganz hervorragende Stelle ein. Dasselbe wurde gestern mit einem solenen Festessen eröffnet, an dem gegen 90 Personen teilnahmen.

Stuttgart, 14. Okt. Freiwillige Feuerwehr. Gestern früh um 7 Uhr waren beide Bataillone der hiesigen freiwilligen Feuerwehr auf dem Marktplatz zur üblichen Jahresmusterung versammelt. Zunächst wurden die Mannschaftsausrüstungen und hernach die sämtlichen Geräte einer eingehenden Prüfung unterzogen, sowie etwaige An­stände zur alsbaldigen Beseitigung vorgemerkt. Nach Been­digung der Musterung versammelte der Kommandant Bau­direktor v. Tritschler die Chargen des Corps um sich und wies auf die beabsichtigte Reorganisation des Corps hin. Eine Teilung der freiwilligen Feuerwehr in kleinere Verbände sei im Hinblick auf tue Ausdehnung der Stadt und die Errichtung der Berufsfeuerwache so dringend geboten, daß jeder Feuerwehrmann, dem das Wohl der Stadt und seines Corps am Herzen liege, derselben unbedingt zustimmen müsse. Der Kommandant hofft daher auch, daß die anae- strebte Reorganisation in vollem Umfange durchgeführt werde; dann werde die freiwillige Feuerwehr einer neuen Blüte entgegengehen und wie seither so auch ferner­hin zum Wohle ihrer Mitbürger segensreich wirken können. Darauf verabschiedete sich der Kommandant von den Char­gierten, welche hernach mit ihren Mannschaften wieder in ihre Depots abrückten.

Cannstatt, 13. Okt. Bei den Grabarbeiten für die Taubenheimstraße, Abgrabung der Untertürkheimerstraße, wurde in der Nähe der Artilleriekaserne eine quer zur ersten laufenden Römerstraße, ca. 10 Meter breit, entdeckt, welche aus ganz regulärem Pflaster und 1520 ein dicken Kalksteinplatten besteht, deren Fugen mit Mörtel ausgegoffen sind.

Der Amerikaner Stern, welcher wegen Beleidigung des Badekommissärs in Kissingen zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt wurde, soll von Amerika aus, wohin er sich unter Hinterlassung seiner Kaution begeben hatte, der Staatsan­waltschaft mitgeteilt haben, daß er demnächst zurückkehren werde, um in Bayern seine Strafe zu verbüßen. Die Kau­tion von 80 OM ^ wolle er, wie es weiter heißt, einem Wohlthätigkeitsvereine als Schenkung zuwenden.

Berlin, 14. Okt. Berliner Blätter berichten über das Verschwinden eines Beamten der Kolonialabteilung des auswärtigen Amtes, des Bauinspektors Sch ran, der seit einigen Tagen in feiner Wohnung vermißt wird. Das Hauptkomitee übergab ihm 10 OM um mit dieser Summe Anschaffungen aus den Kolonien zu beschaffen. Als nun in den letzten Tagen des Sept. im Komite Meinungsver­schiedenheiten zutage traten, wurde Schran aufgefordert, über die Verwendung der 10 OM ^ Rechenschaft abzulegen. Zuerst versuchte er das mit Ausflüchten, zuletzt aber blieb er aus der entscheidenden Sitzung einfach weg und ist seit diesem Tage aus Berlin verschwunden.

Nach zehnjähriger Gefängnishaft begnadigt wurde ein Jnsaße des Gefängnisses Hannover. Derselbe hatte als Student mit einer Flinte auf seinen Vater, der vir Mutter des Unglücklichen in brutaler Weise mißhan­delte, geschossen und ihn dann durch Messerstiche vollends getötet. Er war vom Schwurgericht seinerzeit zum Tod verurteilt und zu lebenslänglichem Gefängnis begnadigt worden und hat sich im Gefängnis durch sein freundliches