Friedrich von Anhalt so schwer erkrankt ist, daß der Zustand für hoffnungslos erachtet wird. — Die Prinzessin Friedrich ist auch die Großmutter Ihrer Majestät der Königin Charlotte von Württemberg, Höchstwelche sich ebenfalls am Krankbett der hohen Frau befindet.
Karlsruhe, 21. Mai. Der bisherige Landtagsabgeordnete Muser legte auch den Vorsitz im Landesausschuß der Freisinnigen und Demokraten nieder. — Die Brauerei Sinner in Grünwinkel stiftete anläßlich des Besuchs ihres Etablissements durch den Großherzogs 30,000 ^ in den Pensionsfonds für Angestellte des Geschäfts.
Friedrichsruh, 19. Mai. Die Huldigungsfahrt der Rheinländer, an der sich etwa 750 Damen und Herren beteiligten, nahm einen schönen Verlauf. Oberbürgermeister v. Bohlen-Remscheid feierte die Verdienste des Fürsten Bismarck. Damen überreichten mit poetischer Ansprache einen Blumenkorb. Fürst Bismarck dankte in humoristischer Rede und schloß mit einem Hoch auf die rheinischen Frauen. Von 60 Städten wurde ein Kollektiv-Ehrenbürgerbrief, von 5 Städten besondere Bürgerbriefe überreicht. Außerdem widmete die Stadt Solingen einen künstlerisch ausgeführten Kürassierpalasch, die Stadt Remscheid einen Eichenklotz mit Ambos und Schmiedgeräte.
Deutscher Reichstag. (96. Sitzung.) Der Reichstag nahm am Freitag das Zuckersteuernotgesetz zunächst in erster Lesung an und trat sodaun gleich in die zweite Beratung ein. Spahn (Ztr.) stellte einen Zusatzantrag, wonach der Bundesrat ermächtigt werden soll, die Zuschußsätze zu ermächtigen oder die Zahlung von Zuschüssen zu ermäßigen oder die Zahlung von Zuschüssen zu beseitigen, sobald in anderen Ländern die Prämien ebenfalls ermäßigt oder beseitigt würden. Der Antrag wurde angenommen, nachdem der Schatzsekretär erklärt hatte, daß die verbündeten Regierungen mit dem Anträge einverstanden seien. Ueber die Vorlage selbst wurde namentlich abgestimmt. Es stimmten 140 Abgeordnete mit ja, 46 mit nein; da also nur 186 Abgeordnete anwesend sind, so ist das Haus nicht beschlußfähig. Die Weiterberatung wurde bis Montag vertagt.
Gegenüber der Verteuerung des Petroleums wird, wie verlautet, von der Regierung, angeregt durch eine Petition des Vereins der chemischen Industriellen Deutschlands, eine differentielle Zollbehandlung von Rohpetroleum in Erwägung gezogen, um dadurch die Einfuhr des Rohpetroleums und die Errichtung von Raffinerien in Deutschland zu erleichtern und so der „Standard Oil Company" entgegenzuwirken.
Berlin, 20. Mai. Das „Kl. Journal" meldet aus Rom, der Nuntius Agliardi wurde telegraphisch Hieherberufen. Zu seinem Nachfolger in Wien wurde der Brüsseler Nuntius Francica Nava ausersehen.
Berlin, 21. Mai. Dem Lokalanzeiger wird aus Wien gemeldet: Aus der nächsten Umgebung des jungen Königs Alexander von Serbien verlautet, daß es der Königin Natalie in den wenigen Tagen ihres Aufenthaltes in Belgrad gelungen sei, das Band zwischen dem König und seinem Vater Milan gänzlich zu zerreißen. Milan werde nicht mehr nach Serbien zurückkehren.
Frankreich.
P aris, 20. Ma. Die Nachricht, daß der König von Italien angeblich incognito in den nächsten Tagen nach Paris komme, hat großes Aufsehen erregt. Einige Blätter schreiben, er werde im Hotel Bristol absteigen. Der Zweck der Reise sei, der Vermählung des Herzogs von Aosta mit der Prinzessin von Orleans anzuwohnen. Andere Blätter glauben an einen politischen Schachzug Crispi's.
Paris, 21. Mai. Der Prinz von Neapel wird bei seiner Durchreise nach England zur Hochzeitsfeier des Herzogs von Aosta mehrere Tage in Paris verweilen und vom Präsidenten Faure empfangen werden.
Italien.
Rom, 19. Mai. Gestern abend 9 Uhr erfolgte ein heftiges Erdbeben, dem ein 5 Sekunden lang anhaltendes unterirdisches Rollen vorausging. Die erschreckte Bevölkerung flüchtete auf die Straßen und Plätze hinaus. In Arezzo wurde gestern abend ein Erdstoß verspürt, der 10 Sekunden dauerte. In Siena wurden zwei Erdstöße, in Pisa und Piacenza leichtere, in Bologna und Parma üärkere Erdstöße verspürt. Die Stöße wurden auf den Beohachtungsstationen in Rom, Rocca di Papa und Jschia
beobachtete^, ^ Infolge des Erdbebens sind auch
hier viele Häuser beschädigt. Die Bevölkerung verbrachte die Nacht aus den Straßen. Gegen 11 Uhr nachts erfolgte ein weiterer Erdstoß. Die größten Verheerungen aber hat das Erdbeben in den umliegenden Ortschaften angerichtet, ^zn Grassina sind 40 Häuser, in San Martina die Kirche einqestürzt. Auch in Lappagi sind mehrere Häuser eingestürzt wobei drei Personen unter den Trümmern begraben worden sind. Der Prinz von Neapel besuchte, von der Bevölkerung auss lebhafteste begrüßt, die am schwersten betroffenen Ortschaften und sprach den Opfern Mut zu.
Die Stadt Florenz hat ihr gewöhnliches Aussehen wieder angenommen.
Griechenland.
Athen, 19. Mai. Der Großfürst Thronfolger Georg von Rußland verließ an Bord der Aacht „Polarstern" gestern Nachmittag den Piräus. Die königliche Familie begleitete ihn an Bord. — Aus Zante wird gemeldet: Gestern fanden hier drei neue Erdbeben statt, verursachten jedoch keinen Schaden.
England.
London, 21. Mai. Reuter meldet aus Aoko- hama: Einem Telegramm aus Soeul vom 20. ds. M. zufolge ist die Lage dort kritisch. Der Premierminister Kern Hong-Jip demissionierte. Der Minister erbat die Unterstützung der Vertretung der fremden Mächte. Die Wohnung Tai Wonkuns des früheren Regenten und Vaters des Königs, welcher der Führer der antijapanischen Antireformpartei ist. wird von der Polizei scharf bewacht.
Lowestoft, 21. Mai. Die deutsche Bark Joachim Christian aus Rostock ist in der Nordsee mit der ganzen Bemannung verloren gegangen; 3 Leichen wurden bisher aufgefunden.
A sien.
Auf der Insel Formosa geht gegenwärtig alles drunter und drüber. In verschiedenen Kämpfen zwischen Chinesen und Eingebornen wurden viele Leute getötet und verwundet. General Kuhungkuk, ein Hakkahäuptling, hat sich zum König des nördlichen Teil der Insel ausrufen lassen; mehrere Tausend gut ausgerüsteter Soldaten haben sich seiner Fahne angeschlossen, seine Gefolgschaft nimmt täglich zu. Trotz des energischen Einschreitens der chines. Behörde droht die Revolte um sich zu greifen. Es cheint übrigens, daß die offiziösen Meldungen aus Washington über den glatt.... Verlauf der ostasiatischen Frage doch nicht zutreffend seien, daß im Gegenteil die Friedensabmachungen mit Japan und China noch keineswegs von den interessierten europäischen Mächten als abgeschlossen betrachtet würden. Es sollen vielmehr noch lebhafte Verhandlungen stattfinden, und zwar spiele dabei Frankreich eine hervorragende Rolle. Es ist sogar von einer Abtretung der Pescadores-Jnseln an Frankreich die Rede. Darnach würde es sich also darum handeln, Japan noch einen Teil der Beute abzujagen und ihm nur die schwer zu bezwingende Insel Formosa, sowie die Kriegsentschädigung zu belassen. Korea oder wenigstens einige Häfen dieses Landes nehmen bekanntlich die Russen für sich in Anspruch, und damit Deutschland in dieser annexionslustigen Gesellschaft nicht gar zu uneigennützig erscheine, wird ihm von französischer Seite nachgesagt, daß es wegen der Abtretung einer Kohlenstation in Ostasien unterhandle. Rußland sucht außerdem noch seine handelspolitischen Beziehungen zu Japan zu regeln. In Tokio befindet sich zu diesem Zweck gegenwärtig eine russische Kommission. Die von ihr eingeleiteten Verhandlungen betreffen hauptsächlich die Eröffnung eines oder mehrerer Häfen im Norden Japans zur Errichtung einer Kohlenstation, und man glaubt in japanischen unterrichteten Kreisen, daß im Fall der Bewilligung dieser Forderung von anderen Mächten das gleiche Ansuchen bezüglich anderer, wahrscheinlich im Süden gelegener Häfen gestellt werden dürfte.
Kleinere Mitteilnnge«.
Oberndorf, 20. Mai. An Herrn Kommerzienrat Mauser hier hat Se. M. der Kaiser aus Wirschkowitz (I. ü. 16. Mai, abends, folgendes Telegramm gerichtet: Meine hiesige Pürsche beträgt 34 Böcke, ohne einen zu fehlen. Ich verdanke dieses Resultat dem hervorragenden Gewehre, welches Sie mir zum 27. Januar geliefert haben. Die Büchse ist ein ganz vorzügliches Jagdgewehr und hat eine erstaunliche Rasanz. Wilhelm I. K. Wer den Weltruf des hiesigen Etablissements kennt, weiß, welch vorzügliche Waffen von demselben geliefert werden. Die allerhöchste Kundgebung ist ein erneuter Beweis dafür, der mit aufrichtiger Genugthuung und lebhafter Freude aufge- nommeu werden muß.
Cannstatt, 20. Mai. Bei den Grabarbeiten zur Umgehungsbahn wurden vorige Woche ganz in der Nähe des Uffkirchhofs Altertumsfunde gemacht. Dieselben bestehen in 2 Wasserleitungen von verschiedener Konstruktion, die in das 15. Jahrhundert zurückreichen, wie sich aus der Beschaffenheit der Teichel und anderen Umständen ergiebt. Das Material dieser nur wenige Centimeter weiten Deichel besteht aus gutgebranntem Thon, der Spuren von Glasur aufweist. Von denselben werden einige im hiesigen Altertumsverein aufbewahrt werden, um vielleicht durch Vergleich mit ähnlichen Funden anderswo eine bestimmte zeitliche Festlegung zu ermöglichen. An derselben Stelle wurden im Jahre 1700 fossile Ueberreste von Tieren aus der Eiszeit gefunden; man vermutet, auf weitere solche zu stoßen.
Stuttgart, 21. Mai. Am Samstag wurde ein elegant gekleidetes 31 Jahre altes Frauenzimmer hier festgenommen, welches seit 14. Febr. ds. Js. hier gewohnt uni> angeblich im Auftrag einer Baronin in verschiedenen kaufmännischen Geschäften, namentlich in Weißwarenläden,, Bestellungen gemacht, und bei dieser Gelegenheit einzelne Stücke entwendet hat. Die Auswahlsendung hat sie dann regelmäßig abbestellt unter dem Vorwand, düß die Baronin in Trauer gekommen sei und daher die ausgewählten Gegenstände nicht brauchen könne. Eine Adresse hat sie in ihren, Briefen nie angegeben. Nach ihrer Festnahme wollte sie ihre Wohnung nicht mehr finden können, obgleich sie längere Zeit in der Stadt herumgeführt wurde. Die Wohnung wurde aber schließlich doch ermittelt und in derselben ein ganzes Lager des feinsten Weißzeugs gefunden. Die Eigentümer hiezu sind bis jetzt nicht bekannt. Nachtraglrch hat die Verhaftete zugestanden, daß sie wegen Ladendiebstahls schon 4 mal von verschiedenen Gerichten bestraft ist.
Nürtingen, 17. Mai. Heute früh gelang es Ehr. Fischer, Fischer hier, wiederum eine prächtige Fischotter von 1,05 Mtr. Länge zu erlegen und zwar diesmal am Neckarwehr in Neckarhausen.
Vom Bodensee, 20. Mai. Gestern abend wurde lt. Seeblatt ein seit 8 Tagen in Friedrichshafen weilender Kurgast stöhnend mit einer Schußwunde in der Seite im. Riedle aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. Ein Revolver, mit dem er sich geschossen hatte, lag auf dem Boden. Der Unglückliche ist ein Herr Bammert zur Holzmühle in Biberach und war schon früher in einer Irrenanstalt untergebracht. Derselbe hatte die That schon vormittags vollbracht; da jedoch bei dem schlechten Wetter nachmittags niemand ins Riedle ging, mußte er in seinem verwundeten Zustand bis abends zubringen, wo ihn Knaben anden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er mit dem Leben davonkommt.
Pforzheim, 19. Mai. Zwei Aufsehen erregende Fälle kamen gestern vor dem hiesigen Schöffengericht zun Verhandlung. Der Bijouteriefabrikant Ungerer hatte den hiesigen Bankdirektor und vielfachen Millionär A. Kayser tatsächlich mißhandelt, weil dieser ihm angeblich bei dem Bankverein deponierte Brillanten im Wert von 4000 zursickbehalten hat. Die Affäre datiert schon längere Zeit her und hat in unterer Stadt wiederholt peinliches Aufsehen erregt. Ungerer wurde zu einer Geldstrafe von 50 ^ verurteilt. - Der andere Fall betraf die Anklage gegen, den hiesigen Stadtbaumeister Dettling, dem zur Last gelegt wurde, daß er zur Zeit der Tiphusepidemie die Pforzheimer Wasserleitung durch Verbindung mit einer unreinen Qnelle in sanitärer Hinsicht geschädigt habe. Die Verhandlung endete mit der Verurteilung des Angeklagten zu 80 ^ Geldstrafe.
Von der bayerischen Grenze, 19. Mai. Letzten Donnerstag feierte Prälat Kneipp in Wörishofen in voller geistiger und körperlicher Frische seinen 74. Geburtstag. Die Feier gestaltete sich zu einer großartigen Ovation für den greisen Mann. Von dem rastlosen Eifer desselben, der leidenden Menschheit zu helfen, zeugt wieder sein neues Projekt, ein Haus zu bauen zur Ausnahme von Lupuskranken. Zu Sem geplanten Bau sind bereits Grund und Boden käuflich erworben.
Ein kühner Ausbrecher. Ueber eine mit ungewöhnlichem Geschick unternommene Flucht aus dem Gerichtsgefängnis von Friedeberg in der Neumark wird von dort Folgendes geschrieben: Vor etwa drei Monaten wurde ein Mann in das hiesige Gerichtsgefängnis eingeliefert, der in Altenfließ verhaftet war, weil er Betrügereien begangen hatte. Nachdem er schon bei den gerichtlichen Verhören sich durch halsstarriges und widersetzliches Benehmen bemerkbar gemacht halte, wurde er schließlich vor 14 Tagen zur Strafe in eine Arrestzelle gebracht, an Beinen und Händen geschloffen und die Kette an der Wand der Zelle befestigt. Als der Aufseher am 11. d. M. in der Frühe in die Zelle trat, war Nagel trotz aller Vorsichtsmaßregeln entwischt; die Ketten lagen am Fußboden. Die Flucht ist um so erstaunlicher, als der Flüchtling nicht nur seine Ketten lösen, sondern auch noch sieben Schlösser öffnen mußte, um nach dem Hofe zu kommen. Als Dietrich hat er dabei ein Stückchen krummen Drahtes benutzt, das er in ein ausgerissenes Stuhlbein gesteckt hatte. Ueber den Verbleib des Verbrechers, der, wie aus Allem hervorgeht, jedenfalls ein in seinem Handwerk erfahrener Geselle ist, fehlt noch jede Spur.
Der reichste Industrielle. Bis jetzt glaubte man, daß der berühmte Kanonenkönig Grupp in Essen der reichste Industrielle der Welt sei, da er jährlich gegen 800 000 ^ Einkommensteuer zu zahlen hat. Krupp ist aber nur ein „Zwerg" neben Marinesco Bragadir, der jüngst in Bukarest eine Riesenbrauerei gegründet hat, und der zugleich der hervorragendste Alkoholsabrikant in Rumänien ist. Jin vorigen Jahre bezahlte Bragadir für seine Alkoholproduktion 1651 421 Fr. Steuern. Dre Gesamtsumme seiner Abgaben betrug im Jahre 1894 2 200 000 Fr. Fügt man zu dieser Summe noch die der Frau, Bragadir gehörenden Luther-Brauerei und die Steuern der neuen Brauerei in Bukarest hinzu, dann findet man, daß das Ehepaar Bragadir ca. 3 200 000 Steuern zahlen muß. Dieses Riesenvermögen hat einen sehr bescheidenen Anfang gehabt. Vor noch nicht zwanzig Jahren war Marinesco Bragadir ein Pastetenbäcker niedersten Rangs.
Glück im Unglück. Eine Handelsfrau in Berlin, die zu ihrem kleinen Gewerbebetriebe einen Wagen und ein einziges Pferd besitzt, hatte am Mittwoch mittag das Unglück, dieses Pferd, das auf der Straße stürzte, einzubüßen. Sie geriet darüber in Verzweiflung, da sie keine Mittel hatte, sich ein neues Pferd anzuschaffen. Traurig ging sie heimwärts, aber wenige Schritte vor ihrer Wohnung kam ihr 14jähriger Sohn ihr mit den Worten entgegen: „Mutter, Mutter, wir haben eine Equipage mit vier Pferden gewonnen!" Der Abgesandte eines Lotteriege- schäfts bestätigte, daß das von der Frau Reschke gespielte