Kaiser, die Kaiserin, die Souveräne und Prinzen werden an der Thüre der Kapelle von dem Metro­politen und dem heil. Synod, sowie dem Hofklerus empsangen. Sobald der Kaiser die inmitten der Kirche errichtete Estraoe betreten, führt die Kaiserin ihm die Braut zu. Die Erzhospriester überreichen den goldenen Schlüssel und die Eheringe, welche der Beichtvater dem Kaiser und der Braut au die Finger steckt. Nach der Trauungszeremonie treten die hiezu bestimmten Souveräne und Prinzen heran, um die Krone über den Häuptern des Kaisers und der Braut zu halten. Sodann folgt Einsegnung und Fürbitte. Hierauf nähern sich die Neuvermählten der Kaiserin zum Danke und empfangen die Glückwünsche der Souveräne und Prinzen, hierauf folgt Tedeum, wobei 30 Kanonenschüsse gelöst werden. Die Maje­stäten begeben sich hierauf nach ihren Appartements, wo der Kaiser und seine Gemahlin die Glückwünsche des diplomatischen Corps, der Würdenträger und ihrer Damen entgegennehmen.

Rubinsteins letzte Stunden. Wie aus Peters­burg telegraphisch gemeldet wird, weilten am Montag abend Freunde bei Rubinstein, darunter sein Arzt Dr. Wvmpe, bei einer Kartenpartie. Rubinstein war sehr munter. Um 11 Uhr fuhren die Gäste ab, Rudinstein, der stets früh schlafen ging, begab sich zur Ruhe. Um Halb 2 Uhr wurde Frau Ru- ! binstein durch einen Schrei, der aus dem Schlaf- t zinnner ihres Mannes kam, geweckt; sie stürzte dort­hin und fand Rubinstein an die Thüre gelehnt. Mühsam entrangen sich ihm die Worte:Den Doktor, den Doktor! Helfet mir, kann nicht atmen!" Sein in der Villa übernachtender Schwiegersohn Rebesow versuchte zu helfen. Zwei schnell herbeigeholte Aerzte ließen Rubinstein Sauerstoff einatmen. Vergeblich! Er vermochte kein Wort mehr hervorzubringen, preßte krampfhaft die Hände ineinander und verschied um 2 Uhr in den Armen seiner Frau u. seines Schwieger­sohns. Der Sohn weilt in Bologna, die Tochter in Wien. Das Gesicht des Toten ist wenig ver­ändert und hat das Ansehen eines ruhig Schlafenden. Die Sektion der Leiche ergab Herzschlag. Es wird der Wunsch laut, die Leiche Rubinsteins im Alexan- dernewski-Kloster beizusetzen. DerNowoje Wremje" zufolge wird erzählt, Rubinstein sei durch den Tod des Kaisers Alexander, der ihn sehr liebte, tief er­schüttert worden.

Afrika.

Dem telegraphischen Berichte des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Oberst Frhr. v. Schele, über die Einnahme Kuirenga's, der Hauptstadt der Wahehes, am 30. Oktober ist noch zu entnehmen, daß der schwere Straßen- und Häuserkamps vier Stunden dauerte. Kuirenga wurde zerstört. 2000 St. Groß- und 4000 St. Kleinvieh, für 70,000 ^ Elfenbein und 3000 Faß Pulver wurden genommen. Der Gouverneur trat am 3. Nov. mit der 3.. 4. und 12. Kompagnie den Rückmarsch nach Kilossa an, wurde am 6. bei Mage von 1500 Kriegern an­gegriffen; der Feind durchbrach die Trägerkolonne, sein Angriff scheiterte aber am Feuer der Truppe. Die Schutztruppe erlitt außer einigen Trägern keine Verluste.; der Feind verlor 25 Tote unmittelbar an der Kolonne und erlitt bei der Verfolgung noch viele Verluste. Die 5. und 6. Kompagnie mit den Ver­wundeten und dem größten Teil des Viehs treten den Rückmarsch später an.

Asien.

Nach der japanischen Verfassung ist jeder körper­lich tüchtige Japaner vom 17. bis zum 40. Lebens­jahre militärpflichtig. Aber nur im Falle einer Invasion werden junge Leute unter 20 und Män­ner über 32 Jahren zu den Fahnen gerufen. Der Japaner dient 3 Jahre aktiv. Nach dem letzten japanischen parlamentarischen Ausweis ist die Armee, wie folgt zusammengesetzt: Stehendes Heer: (Männer von 2023 Jahren) 69097 Mann. Erste Reserve: (von 2327 Jahren) 92904 Mann. Zweite Re­serve: (von 2732 Jahren) 106109 Mann. Bis jetzt hat Japan 125000 Mann nach Korea und China gesandt.

Tschifu, 22. Nov. Das größte chinesische Kriegs­schiffTschenyuen" ist an der Einfahrt des Hafens Weihaiwei gescheitert, während es die am Eingänge von Lintaitsun gelegten Torpedos zu vermeiden suchte. Der Kommandant hat angeblich Sebstmord begangen.

Tokio, 22. Nov. Eine Abteilung der ersten japanischen Armee griff am 18. Nov. früh 6 Uhr Hsenyen an, welches von 20000 Chinesen besetzt

war und nahm den Platz um 9 Uhr morgens ein. Die Chinesen flohen in nordwestlicher Richtung, die Japaner eroberten 5 Kanonen.

Tientsin, 23. Nov. Dem Reuterschen Bureau wird von Port Arthur gemeldet: Die Japaner mach­ten vier Angriffe auf Port Arthur. Bei dem ersten wurden sie von den chinesischen Vorposten zurückge­trieben, bei den 3 anderen abgewiesen. Die Japa­ner eröffneten eine anhaltende Kanonade. Seit dem 20. Nov. landen die Japaner Verstärkungen. Sie rieten einein englischen Schiffe, sich aus dem Bereich der Kanonen zurückzuziehen, da die japanische Flotte die Forts am 21. Nov. bombardieren werde.

Yokohama, 23. Nov. Das dritte japanische Armeekorps ist aus Ujiana, dem Hafen Hiroshimas, in 40 Transportschiffen abgesegelt. Es heißt, daß die Truppen für Operationen auf dem Panlsekiaua bestimmt seien. Der japanische Finanzminister macht die Ausgabe einer weiteren Rate von 50 Mill. Aens der bereits genehmigten Kriegsanleihe bekannt; der bisherige gesamte Anleihebetrag beläuft sich somit aus 80 Mill. Zlens.

Kleinere Mitte rinn gen.

Kniebis, 20. Nov. Wir haben gegenwärtig auf un­serer Höhe sehr schönes Wetter, so schön, daß selbst die Heidel­beeren eine zweite Ernte liefern wollen. Gestern brachte eine Frau ein solches Sträuchlein aus dem Walde, daran grüne und einige schon blaue Beerlein hingen, gewiß eine Seltenheit für den 19. Nov. Man hat an den schönen, Hellen Tagen auch eine herrliche Alpensernsicht, besonders bei Tagesanbruch. Neulich wurde auch der junge Ehemann, der im verflossenen Frühjahre wenige Tage nach der Hoch­zeit seine junge Frau verließ, an der Oppenauer steige, unweit der Zuflucht, erhängt aufgefunden. Er hing schon den ganzen Sommer und war zum Skelett geworden; 34 1 ch waren sein ganzes Gut, mit denen er in Frei­

burg ein Bäckereigeschäft gründen wollte. Ein Häring war seine letzte Speise. Er hatte seinen Eltern durch seinen Leichtsinn manchen Kummer bereitet. Holzmacher haben ihn ausgefunden.

Tübingen, 22. Nov. Heute früh fand der Portier des Bahnhofs auf dem Abort die Leiche eines Mannes, der sich offenbar gestern abend schon mittels einer Schnur erhängt hatte. Durch die Untersuchung wurde sestgestelll, daß der Selbstmörder der 38 Jahre alte, von seiner Frau getrennt lebende Geometergehilse Ernst Binkelmann aus Neuenbürg ist. In einem hinterlaffenen Briefe gab er als Grund des Selbstmordes an, daß er lungenleidend sei und niemand zur Last fallen wolle.

Rottweil, 20. Nov. Ein tragisches Ende fand heule mittag der 18 Jahre alte Taglöhner Stefan Schöbet in dem benachbarten Göllsdors. Als er sich eben zur Arbeit begab und an dem Gasthauszur Linde" vorbeikam, fiel aus dem Wirtszimmer ein Schuß und, von der Ladung in die Brust getroffen, stürzte er tot zusammen. Der Thäter ist der 20 Jahre alte Anton Schöbet, ebenfalls ein Tag­löhner aus Göllsdorf. Er hatte das geladene Gewehr, das ein Forstbediensteter im Hausgang abgestellt hatte, bemerkt und es mit in die Wirtsstube genommen, wo er so lange Manipulationen mit demselben vornahm, bis es sich entlud.

S t u t t g a r t, 20. Nov. Eine Stuttgarter wohlbekannte Persönlichkeit, Schreiner Bernloehr, welcher, wie früher sein Vater, mit Mutter und Frau auf dem Bahnhof als Stiefelputzer seinen Platz hatte, erschoß sich heute nacht. Gestern abend war selbiger noch in einer Restauration am Chorlottenplatz gemütlich beim Kartenspiel.

Stuttgart, 20. Nov. Am 1. Advent wird zur Ein­weihung des großen Orgelwerks in dem Festsaal der Lieder­halle ein besonderes Orgel-Konzert stattfinden, wobei erst­mals die Orgel öffentlich nach ihrer vollständigen Fertig­stellung zur Benützung kommen wird.

Stuttgart, 23. Nov. In der Nacht vom 21. auf 22. d. Mts. um 1 Uhr wurde aus der Prag (Cannstatter Markung) eine ledige Frauensperson mit einer Schußwunde im Kopf von einem Mann aus Feuerbach gefunden. Auf die von letzterem beim Stadtpolizeiamt erstattete Anzeige wurde die Verwundete ins Katharinenhospital verbracht. Sie ist schwer verletzt und gab als Ursache ihrer Verletzung keine genügende Auskunft. Bei den angestellten Nachforsch­ungen wurde erhoben, daß das aus Eßlingen gebürtige Mädchen ein Liebesverhältnis hatte, welches die Eltern nicht dulden wollten. Sie hat am Abend vor der Thal in Eßlingen einen Revolver gekauft und wohl mit demselben sich erschießen wollen. Die Waffe wurde übrigens am Thatort bis jetzt noch nicht aufgefunden, auch behauptet die Verletzte bis jetzt, daß sie die That nicht selbst ausge­führt habe.

Tettnang, 21. Nov. Der frühere Kutschenwirt Kon- rad Müller dahier wurde im deutsch-französischen Kriege am 13. Dezember 1870, als er sich auf dem Vorposten be­fand, durch eine Gewehrkugel am Arme verwundet. Obwohl dieselbe einige Stunden später herausgeschnilten und die Wunde bald geheilt wurde, verspürte M. doch von Zeit ! zu Zeit noch ein Reißen in dem Arm. Bor ca. 6 Jahren brach die Wunde auch wieder aus, und seit dieser Zeit konnte er den Arm nicht mehr so gebrauchen wie früher. Vor kurzem nun begab sich M. zur Behandlung der Wunde in das Lazaret in Weingarten, woselbst ihm eine Haste i aus dem verwundeten Arme herausgeschnitten wurde, welche durch die Kugel von dem Mantel vorne abgerissen und in den Arm mitgenommen worden war.

Pfullingen, 21. Nov. Gestern abend versuchte der verheiratete Zimmermann I. K., Vater von S Kindern, durch Stiche in den Hals sich das Leben zu nehmen, was

ihm jedoch nicht gelang. Derselbe hatte schon im ver­gangenen Frühjahr einmal seinem Leben durch Erhängen ein Ende zu machen beabsichtigt, indes auch damals schlug der Versuch fehl. Arbeirsscheu und Trunksucht scheinen den Betreffenden zu diesem verzweifelten Schritte gebracht zu haben.

Aus Pforzheim berichtet man unS: Auch für andere Orte dürfte von Interesse sein, daß in dem benachbarten Städtchen Calw die Metzgermeister beschlossen haben, die Fleischpreise herabzusetzen, da die Viehpreise ebenfalls zu­rückgegangen sind.

Hamburg, 22. Nov. Bei einem Großfeuer in der Königsstraße gerieten 0 erwachsene Personen und 1 Kmd in unmittelbare Verbrennungsgejahr. Nachdem vier Personen aus Dacheshöhe auf ein Lichtdach der ersten Etage hinab­gestürzt und schwer verletzt waren, rief in der höchsten Not der Branddirektor der Freiwilligen auf; es meldeten sich sofort vier Feuerwehrleute, welche mittels mechanischer Rettungsleiter auf das Dach drangen und die teils arg verbrannten, teils durch den Starz schwerverletzten und oyn nächtig daliegenden Leute unter dem Jubel der har- r.n.,. .. Menge retteten. Ein Kind ist leider seinen Brand­wunden bereits erlegen. Die Gärtnersfrau Grosch wurde durch heiße Dämpfe so schwer verbrüht, daß wenig Hoff­nung auf Erhaltung ihres Lebens vorhanden ist. Der Apotheker Koslowsky und seine Ehefrau liegen ebenfalls schwer darnieder. Zwei Feuerwehrleute sind bei den Ret­tungsarbeiten so arg mitgenommen worden, daß sie sich krank melden mußten.

Weinachts-Seudungen nach den Vereiniq- ten Staaten. Durch den Anfangs Oktober ins Leben getretenen neueil amerikanischen Zolltarif ist für eine große Anzahl von Artikeln eine nicht un­bedeutende Zollherabsetznng herbeigeführt worden. Es dürfte daher wohl zu erwarten fein, daß wieder viele den Angehörigen drüben zum Weihnachtsfeste Angebinde senden werden, was bislang wegen der höheren Zölle unterblieb. Wir nehmen Gelegenheit, wegen der also zu erwartenden gesteigerten Frequenz im Postpaketverkehr darauf aufmerksam zu machen, daß sich eine frühzeitige Auflieferung der Pakete rc. schon deswegen empfiehlt, weil die erforderliche Zoll­abfertigung in New-Iork stets von längerer Dauer ist. Um ferner einer prompten und schnellen Weiter­beförderung der Sendungen sicher zu fein, empfiehlt es sich, die Route über Bremen vorzuschreiben, denn bekanntlich unterhält d.r Norddeutsche Lloyd auch während der Wintermonate ununterbrochen seinen Schnelldampferdienst mit New-Hork.

Ein nrchtswürdiges Verbrechen wurde gegen eine Anzahl ungarischer Erdarbeiter verübt, die in der Gegend von Wilkesbarre in Pennsylvanien mit der Legung eines zweiten Geleises der Lehigh-Bahn beschäftigt waren. Die Ungar:: lagerten nachts in einem roh ausgeführlen Block­hanse, an welches sich während der Nacht einige Banditen anschlichen, um rings um das Haus mehrere aus den Vor­räten der Ungarn entwendete Dynamitpatronen zu verstreuen. Die Patronen wurden mittels einer elektrischen Batterie entzündet und dadurch das den Ungarn zum Aufenthalt dienende Gebäude ganz zerstört. Drei der Insassen wurden getötet nnd mehrere andere tätlich verwundet.

Handel k Berkehr.

Neuenbürg, 21. Nov. Der heutige vierteljährliche Viehmarkt war lebhaft besucht. Der Verkehr und der Handel in Großvieh läßt zwar immer noch zu wünschen übrig. Für zwei Kühe wurden 281 und 410 ^ bezahlt. Um so lebhafter war wieder der Schweinemarkt, denn es waren 140 Stück Läufer- und 110 Stückschweine zugeführt. Erstere wurden von bis zu ISOletztere von 21 bis 31 per Paar verkauft.

Hiezu eine Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.

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