Durch einen entsprechend tiefen Kanal wird das Grundwasser von den Gebäuden und damit auch von den Kellern abgeleitet und es ist jedem Hausbesitzer möglich, auch die tiefer liegenden Teile eines Gebäudes besser auszunützen, er kann z. B. soweit dies noch nicht der Fall ist, sich ohne Gefahr vor Wasserzutritt Souterrainräumlichkeiten, wie Kohlenplätze, Waschküchen rc. Herstellen lassen, ferner ist es doch ein großer Vorteil, wenn sämtliches Wasser, also Dachwasser und Küchenwasser, unterirdisch abgeleitet wird und nicht mehr um den größten Teil des Gebäudes herum Jahr aus Jahr ein Schmutz und Schlamm lagert und sich in den Gebäuden versetzt, abgesehen von den Unbequemlichkeiten, die sich Winters dadurch, daß die Wasser gefrieren und Glatteis bilden, ergeben. Durch einen regelmäßigen Kanal käme sofort der Schmutzgraben unterhalb des Köhler- scheu Anwesens in Wegfall und der hinter dem früher Klaiß'schen Haus befindliche, der Stadt gehörige Platz könnte nach und nach aufgefüllt werden, wodurch auch mit der Zeit die der Stadtgemeinde dort obliegende Unterhaltung der Stadtmauer, die bedeutende Kosten noch verursachen kann, in Wegfall käme. - Von all diesen Erwägungen ausgehend, ist, nachdem ja die Sache wiederholt u. gründlich verhandelt wurde, die Mehrheit der Gemeindekollegien zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Führung eines ordnungsmäßigen Kanals durch die Marktstraße, an der jederzeit wieder angeschlossen werden kann, das einzig richtige ist und daß bei diesem Unternehmen jetzt angebrachte Sparsamkeit sich bitter rächen würde, denn nicht immer und am allerwenigsten in einem Gemeindehaushalt, bei welchem der Blick hauptsächlich auch in die Zukunft zu richten ist, ist Sparsamkeit eine Tugend. Ueberdies sollte man nicht glauben, daß es möglich ist, in einer Stadt wie Nagold, deren Gemeindesteuer äußerst nieder ist, wegen eines Mehr-Aufwandes von nur 13 000 - die eine Verzinsung von jährlich 500 bis 520 beanspruchen, die ganze Bürgerschaft in Bewegung zu setzen und gegen einen wohl begründeten und mit allem Vorbedacht gefaßten Beschluß der Gemeindekollegien aufzulehnen.
Es sind allerdings Stadtteile vorhanden, in denen eine Kanalisierung wohl kaum durchführbar ist, die Bewohner dieser sind aber dadurch in ihren Interessen geschützt, daß von den Gebäudebesitzern, die des Nutzens ihrer Schmutzwasserableitung teilhaftig werden, ein Beitrag zu den Kosten erhoben wird, ähnlich wie dies seinerzeit bei der Ausdehnung der Wasserleitung nach entfernteren Gebäuden der Fall war. Bei derartigen Unternehmungen sollte übrigens nicht das eigene ich in den Vordergrund kommen, denn der Gemeindebürger hat, wenn er sich um öffentl. Angelegenheiten bekümmern will, auch weitere Gesichtspunkte ins Auge zu fassen; er wird, wenn er dieses thut, sicher zu der Ueberzeugung kommen, daß in einer Stadt nicht jeder aus jedem Unternehmen Nutzen ziehen kann, daß aber immer wieder Zeiten kommen, in welchen ein Ausgleich der Interessen stattfindet. Aehnlich liegt die Sache, wenn ein Hausbesitzer deshalb glaubt widersprechen zu sollen, weil er bereits eine ordnungsmäßige Wasserableitung hat, dieser sollte dankbar dafür sein, daß ihm die Verhältnisse seither günstig waren und seinem Mitbürger die gleichen Vorteile gönnen.
Auf das vielfach verbreitete Gerede, es sei nicht genügend Gefäll vorhanden, die Arbeiten seien wegen Wasserpumpens erschwert, oder das Hochwasser fülle die Häuser mit Wasser an, ist nur kurz zu bemerken, daß nach dem Ausspruch der Techniker und nach den genauen Aufnahmen, welche doch allein maßgebend sind, genügend Gefäll vorhanden ist, daß mit der Anlage des Kanals beim Auslauf begonnen wird, daß also etwaiges Wasser von selbst in den errichteten Kanal abfließt und daß in den Häusern ganz einfache Vorrichtungen angebracht werden, welche ein Eindringen von Wasser bei Hochwasser verhindern.
(:) Die durch den Eisenbahnverkehr von Nagold nach Altensteig so nötige Vorsicht der Kutscher und Fuhrleute wird immer nicht genug beachtet. In der Nähe bei Rohrdorf scheute das Pferd eines Kirschenhändlers aus Kay an dem daher brausenden Zuge, hiebei brach die Deichsel, der Wagen stürzte und der nichts böses ahnende Fuhrmann geriet unter den Wagen, hatte aber außer kleineren Wunden und Hautschürfungen keine weiteren Verletzungen erlitten, auch das Pferd soll keinen Schaden genommen haben.
Altensteig, 14. Juli. In dieser Woche er
eigneten sich in hiesiger Gegend zwei bedauerliche Unfälle bei Fuhrwerken. Am letzten Montag scheute das Pferd eines Egenhauser Fuhrmanns am Eisenbahnzug oberhalb Ebhausen. Fuhrmann und Pferd kamen zu Fall und wurden nicht unbedeutend verletzt. Sehr schwere Verletzungen erhielt vorgestern ein Fünfbronner Fuhrmann, der bei Egenhausen unter die Räder eines geladenen Kalksteinwagens geriet. Der Verunglückte mußte ins hiesige Spital getragen werden.
Horb, 12. Juli. Heute nachmittag gegen ' -4 Uhr wurde hier ein Erdstoß verspürt. Derselbe war ziemlich stark und von heftigem Wind begleitet. Auch anderwärts wurde der Erdstoß bemerkt.
Mössingen, 12. Juli. Heute früh 2> ^ Uhr verspürte man einen anscheinend von südwestlicher Richtung kommenden Erdstoß. Derselbe war so heftig, daß die Fenster teilweise klirrten und sich an den Möbeln ein „Wackeln" bemerkbar machte. Den Erdstoß begleitete ein mäßiger Wind.
Stuttgart, 12. Juli. Das neue Landesgewerbemuseum, dessen völlige Fertigstellung und Ingebrauchnahme für den Sommer 1896 in Aussicht genommen war, dürste gutem Vernehmen zufolge bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht ganz fertig werden. Von außen präsentiert sich der Bau großartig, aber in allen denjenigen Räumen, vor deren Fenstern die dicken Säulen stehen, sieht es mit dem Tageslicht ziemlich dürftig aus, da auch die eigentlichen Mauern eine fast festungsmäßige Dicke erhalten haben. Teilweise z. B. für den künftigen Bibliotheksaal ist diesem Lichtmangel durch Oberlicht einigermaßen abgeholfen. Wie wir von guter Seite hören, wird die wirklich verbrauchte Bausumme den an sich schon beträchtlichen Voranschlag um nicht weniger als 700 000-P/, also nahezu ftr Millionen, überschreiten, eine Bescheerung, die sowohl unserem Finanzminister sehr unangenehm ist, als auch von der künftigen Kammer der Abgeordneten mit Murren ausgenommen werden wird. Die Finanzlage des Landes ist doch wahrlich nicht dazu angethan, daß ein Baumeister so planlos ins Volle greifen dürfte.
Stuttgart, 12. Juli. Zur Gründung der schwäb. Zentrumsfraktion schreibt man dem „D. V.-Bl." aus Ulm, 11. Juli: Heute tagten hier die Geschäftsführer des Volksvereins für das kath. Deutschland nebst den kath. Abgeordneten des Reichsund Landtags des Landes und entwarfen in einer gegen sechs Stunden währenden Erörterung das Programm der schwäb. Zentrumspartei, das später veröffentlicht werden wird. Zur Leitung wurde ein einstweiliges Konnte gewählt aus den bekannten Herren: Eggmann, Gröber, Kiene, Kollmann, Leser, Probst und Rembold.
Stuttgart, 13. Juli. Die diesjährige Konkurs- prüsung für Aufname in das niedere evangelische Seminar in Schönthal, welche in diesen Tagen (11., 12. und 13. d. M.) hier abgehallen wurde, hat insofern besondere Bedeutung, als Heuer zum erstenmal die Anforderungen beim Landexamen dem neuen Leyrplan für die Gelehrtenschulen unseres Landes vom 8. August 1891 angepaßt sind. Hienach bildet nunmehr auch das Französische ein besonderes Prüfungsfach, wie auch die Mathematik (Algebra und Geometrie) mit Rechnen vereinigt, unter die Prüfungsfächer ausgenommen ist. — Zu der diesjährigen Prüfung sind 65 Schüler erschienen. — Von diesen kommen 28 aus Gymnasien (Stuttgart Karlsgymnasium 8, Eberhard-Ludwigsgymnasium 7, Heilbronn 5, Hall 4, Cannstatt, Ellwangen, Reutlingen, Tübingen je 1), aus Lyceen 3 (Calw 2, Ludwigsburg 1), aus Lateinschulen 34 (Göppingen 6, Böblingen, Kirchheim, je 3, Aalen, Backnang, Freudenstadt, Giengen, Heidenheim, Nagold, Winnenden je 2, Crailsheim, Herrenberg, Leutkirch, Murr- hard je 1, dazu aus der Gemeindelateinschule Korn- thal 2). Von den Vätern der genannten Schüler gehören 21 dem geistlichen Stand, 16 dem Lehrerstand, 14 dem weiteren Beamtenstand und 14 dem Gewerbe- und Handelsstand an.
Stuttgart, 16. Juli. Zu dem sog. „anarchistischenEintrag" wird uns aus Ulm von zuständiger Seite gemeldet, daß sich in dem Wachtrapportbuch der Polizcistation auf dem Bahnhof allerdings ein Eintrag des Inhalts vorsand: „Hoch die Anarchie, Dolch, Dolch, Dolch! Tod dem Inspektor." Der Angelegenheit wurde jedoch seitens der in Betracht kommenden Stelle von Anfang an keine Bedeutung zugemessen, insofern als von vornherein klar zu Tag lag, daß es sich nur um einen schlechten Streich eines Schutzmanns handeln konnte. Die angestellte Untersuchung hat denn auch ergeben, daß ein von einem großen Teil seiner Kame
raden als verdächtig bezeichneter Schutzmann von seinem Dienste wegblieb und um seine Entlassung nachsuchte, die er auch erhielt.
Am Donnerstag den 12. Juli fand in Langen- burg die Hochzeit des Erbprinzen von Leiningen mit der Prinzessin Feodora, zweiten Tochter des Fürsten Hermann von Hohenlohe-Langenburg, statt. Die Mutter des Bräutigams ist eine geborene Prinzessin von Baden, die Braut ist mit dem deutschen Kaiserhause nahe verwandt, sie ist Geschwisterkind mit der deutschen Kaiserin und dem Herzog Günther von Schleswig-Holstein, da die Mutter der beiden Letztgenannten eine Schwester des Fürsten Hermann von.Hohenlohe-Langenburg ist. Die ältere Schwester der Braut, Prinzessin Alice, ist mit dem Erbprinzen von Reuß jüngere Linie verheiratet. Der Erbprinz Ernst von Hohenlohe-Langenburg ist kaiserl. Legationssekretär bei der deutschen Botschaft in London. In Folge der hohen Verwandtschaft des Brautpaares wurde die Hochzeit großartig gefeiert. S. M. unser König wohnte derselben gleichfalls bei, ebenso der Erbgroßherzog von Baden, Herzog Günther von Schleswig-Holstein und eine große Anzahl anderer hoher Fürstlichkeiten. Nach .der Hochzeit wird S. M. der König der Stadt Mergentheim noch einen Besuch abstatten, welche hiezu großartige Vorbereitungen getroffen hat.
Friedrichshafen, 12. Juli. Das „Seeblatt" berichtet: Dem Vernehmen nach findet die Einweihung des Lehrerinnenheims voraussichtlich am 29. Juli statt. Ihre Majestät die Königin, die beabsichtigt, der Einweihung selbst beizuwohnen, hat sich die definitive Entscheidung über den Einweihungstag Vorbehalten.
Auf Ersuchen der schwäb. Sozialdemokratie bereist gegenwärtig Dr. Bruno Schönlank, ein Tochtermann des verstorbenen millionenreichen Berliner Bankiers Bleichröder, der sich aber erst nach seiner Verheiratung als Sozialdemokrat bekannte, verschiedene Städte und Dörfer Württembergs, namentlich solche, in denen die Volkspartei hauptsächlich ihre Domänen besaß, um für die Ausbreitung der soz. Heilslehre Propaganda zu machen. Uebereinstim- menden Blättermeldungen zufolge hätte aber Schönlank beruhigt zu Hause bleiben können, denn seine Erfolge sind äußerst geringfügig.
Ulm, 14. Juli. Der Gemeinderat hat ein Gesuch des sozialdemokratischen Vereins um Ueberlas- sung eines städtischen Lokals zum Zweck der Abhaltung einer Versammlung, in welcher der Reichstagsabgeordnete Dr. Schönlank sprechen sollte, abgelehnt.
Der Direktor im preußischen Kultusministerium, Kugler, hat bei der Ueberreichung einer Petition von Landlehrern erklärt, daß ein Lehrerbesoldungsgesetz bestimmt zu erwarten sei, worin die Wünsche der Landlehrer Berücksichtigung finden würden.
Hannover, 11. Juli. Das Glückwunschschreiben des Reichskanzlers an Rudolf v. Bennigsen lautet: Ew. Exzellenz zum 70. Geburtstag Glück zu wünschen, kann ich mir nicht versagen. Wer die han- nover'schen Dinge einigermaßen kennt, weiß, was Sie in den Tagen, als den meisten noch die Einheit Deutschlands nicht mehr als ein schöner Traum war, für diesen Gedanken, dem Sie Ihr Leben geweiht hatten, gethan und gelitten haben. Als dann jener Traum Wahrheit geworden, haben Sie im Parlament au der Festigung der neuen Schöpfung mitgearbeitet wie wenige und noch heute erinnert Ihr Auftreten im Parlament an jene glücklichen Zeiten, in denen die Nation mit der Wärme junger Liebe sich der neuen Schöpfung freute. Mit dem Wunsch, daß ihre Thätigkeit deni Reiche und dem Staate noch lange erhalten werde, bleibe ich in ausgezeichneter Hochachtung Ew. Exzellenz sehr ergebener
Graf v. Caprivi. „
Der „Reichsanzeiger" schreibt: Nachdem in L-pawen die Cortes geschlossen worden sind, ohne daß die zur Begutachtung des deutsch -spanische n H andelsv er trag es eingesetzte e-enatskommission ihren Bericht an das Plenum erstattet hat, muß das Zustandelomnien des Vcrcragslver- kes definitiv als ausgeschlossen angesehen weroen. ^-v'.e Schuld hieran sowie an der hrerduch neuen deten Horr- dauer des deutsch-spanischen Zollkrieges Mit aus die spanischen Politiker zurück, welche die Durchberatung de-- Vertrages während der jetzigen Lession der Cortes zu vereiteln gewußt haben. Die dcmsche Regierung ,-ehr die Verhandlungen alS gescheitert an.
Berlin, 13. Juli. Die Sozialdemokratie hat mit ihre» gestrigen Versammlungen, wie es scheint, ziemlich Fiasko gemacht. Eine Verlängerung des Bier-Boykotts bis in den Winter hinein, wie sie hier in Aussicht genommen wurde, bedeutet thatsäch-