keine Grenzregulierung, die der Kongostaat von sich aus vornehmen könnte, sondern ein förmlicher Gebietsaustausch, der die Zustimmung förmlicher Mächte verlangt welche den Kongovertrag unterzeichnet haben. Die llebereiukunft verletzt die Interessen Deutschlands, indem sie den Engländern gestaltet, sich zwischen Deutschostafrika und den Kongostaat zu drängen, also die deutsche Kolonie vom Kongostact abschneidet; dann verletzt sie auch die Interessen Frankreichs, indem sie durch die Ueberlassung der sudanesischen Provinzen den Kongostaat zum Verbündeten Englands in dessen ägyptischer Politik macht.
Die Stellung Englands in dem neuesten Streitfall ist nicht fest und sicher. In erster Linie fehlt ihm das Recht, denn es hat mit dem Abkommen offenbar die Bestimmungen des Kongoverirags vom Jahr 1884 verletzt. Dann fehlt ihm auch die Macht, um seinen neuesten Erwerb zu behaupten. Und neben Frankreich steht auch Deutschland, das in kolonialen Dingen mit Frankreich sich immer leicht verständigt hat und das noch nie in einen Gegensatz zu dessen kolonialen Interessen getreten hat. Neuerdings hat sich aber auch noch die Türkei ausgerafft, um gegen das Abkommen zu protestieren, weil es ihre Ansprüche auf die Oberherrschaft über den Sudan berührt. England steht in dem Streithandel allein.
Hages-Meuigkeilen.
Deutsches Reich.
Tübingen. Die Einladungen zum hiesigen Kreisturnfest sind nunmehr an alle Vereine verschickt. Mit diesem wird zugleich die Feier des 75jähr. Bestehens des Tübinger Turnplatzes begangen, der 1819 von Völker und seinen Turnern, insbesondere Burschenschäftlern eingerichtet worden ist. Die Anmeldungen der Vereine zum Feste werden aus 1. Juli erwartet. Besonders ist noch darauf hinzuweisen, daß auf dem Tübinger Turnfeste jeder Turner gegen seine Festkarte von 2 freie Unterkunft zu beanspruchen hat. Am Samstag, 4. August, geht eine Kampfrichtersitzung und ein Bankett im Museumssaale voran. Die beiden Vormittage des 5. und 6. August (am 5. von 9 Uhr an) sind dem Wettturnen, der Nachmittag des 5. den allgemeinen Stabübungen und den Sonderausführungen der Tübinger und des Achalmgaus gewidmet. Am Nachmittag des 6. finden die Sonderausführungen der anderen Vereine und die Spiele statt. Am Sonntag wird der Festplatz (Kastanienallee) italienisch beleuchtet, wovon man sich mit Recht eine größere Wirkung verspricht, als von elektrischer Beleuchtung.
Stuttgart, 16. Juni. Der Marsch des Ulmer Fuß-Artillerie-Bataillons Nr. 13 von Großbottwar nach Waiblingen, wobei gegen 40 Mann unterwegs aus Ermattung nicht mehr weiter konnten und 2 sogar ein Opfer des Todes wurden, hält allenthalben die Gemüter noch in Aufregung. So schreibt selbst „Der Christenbote" in seiner neuesten Nummer hierüber: „Es ist unbegreiflich und unverzeihlich, daß solcher Mißbrauch der Gewalt immer noch möglich ist, und nicht alles vermieden wird, was die Wiederholung solcher empörender Vorgänge ein für allemal ausschließt." Fatal war jedenfalls der Umstand, daß an jenem heißen Tage erst um 7 Uhr und teilweise noch mit Laufschritt abmarschiert wurde, während die Soldaten schon um 5 Uhr mit voller! Ausrüstung sich marschbereit zu halten hatten. Als! Resultat der eingeleiteten Untersuchung dürfte wohl dem Vernehmen nach der Führer des Bataillons, Major Lipinski, zum mindesten seinen Abschied erhalten. Ohne Zweifel kommt die Sache auch im nächsten Reichstage zur Sprache.
Stuttgart, 17. Juni. Um die durch diezwei- maligen Hebungen der Volksschullehrer entstehenden Störungen für die Volksschule thunlichst zu beschränken, soll nach höherer Weisung künftig darauf Bedacht genommen werden, die Schulferien in allen Fällen, wo eine ordnungsmäßige Vertretung der einberusenen Lehrer nicht zu beschaffen ist, in die Zeit verlegen, während welcher die Lehrer ihrer Dienstpflicht genügen.
Stuttgart, 17. Juni. In Anwesenheit des Ministers Dr. v. Sarwey, des Konsistorialprüsidenten Frhrn. v. Gemmingen sowie fast sämtlicher Mitglieder der Kultministerialabteilung für höhere Schulen fand am Samstag früh von 8—10 Uhr als Schluß des Turnlehrerkursus ein Schauturnen statt. Am
Tag zuvor hatte bereits die Lehrprobe stattgesunden, bei welcher Oberstudienrat Dr. Ableiter, Professor Keßler, Vorstand der Turnlehrerbildungsanstalt, sowie die Turnlehrer Bauer vom Seminar Nürtingen und Professor Planck vom Eberhard-Ludwigs-Gym- nasium hier als Expertenkommission (Sachverständige) fungierten. Sämtlichen 15 Teilnehmern konnte das Oualifikationszeugnis (Befähigung) ausgestellt werden. Das Schauturnen selbst bot Marschübungen, die Jägerschen Stab- sowie Hantelübungen, Vorführungen an Spnniggeräten, Ziel-, Stab- und Kuael- wurf, Hebungen an der wagrechten Leiter, Pferd und Barren. Unter Fechtmeister Schädle wurden sehr schöne Fechtübungen ausgeführt. Der Kultminister Dr. v. Sarwey, wie der Referent Oberstudienrat Dr. Ableiter richteten an die Teilnehmer des Kurses Worte der Anerkennung und der Aufmunterung, das Gelernte in den Schulen zur Erziehung des Volkes und zum Heil des Vaterlandes zu verwerten.
Stuttgart, 18. Juni. Die nächste Volkszählung in Deutschland ist ans den 1. Dezember 1895 angeordnet worden.
Stuttgart, 18. Juni. Der Gegenbesuch des Kaisers von Oesterreich am hiesigen Hofe steht nunmehr für den Monat Oktober in Aussicht.
Stuttgart, 18. Juni. Die Frage der Errichtung eines stadt. Elektrizitätswerkes ist insofern in ein neues Stadium getreten, als in den letzten Tagen die gem. Kommission der bürgerl. Kollegien behufs der notwendigen Grunderwerbung mehrere Platzbesichtigungen vorgenommen hat. Es kamen folgende 3 Projekte in die engere Wahl: das seitherige Bürgerhospital, der Holzgarten bec der Ge- werhehalle und das Anwesen des Hofwagenfabrikanten Nägele zwischen Marien- und Paulinenstraße. Das letztere erschien wegen seiner zentralen Lage für den gedachten Zweck als besonders geeignet. Nach dem „N. Tagbl." verlautet nun, daß das Elektrizitätswerk — vorbehaltlich der Genehmigung durch die bürgerl. Kollegien — am Samstag mit Hrn. Nägele einen Provisor. Kaufvertrag abgeschlossen hat. Die Kaussumme soll 600 000 ^ betragen.
Spaichingen, 18. Juni. Da die Seelenzahl der Protestanten auf 190 gestiegen ist, wurde beschlossen, hier eine protestantische Kirche zu bauen.
Ulm, 17. Juni. Anläßlich der wegen Ermordung des Friseurlehrlings Paul Müller geführten Untersuchung wurden einige Verfehlungen gegen H 175 des R.St.G.B. entdeckt und es ist neben dem Hiewegen vor kurzer Zeit verhafteten früheren Offizier gestern nachmittag auch ein Hutmachergehilfe festgenommen worden.
Ulm, 18. Juni. Gegen den Landgerichtsrat Pfizer ist wegen seiner Schrift „Willibald Jlg" die vorläufige Enthebung vom Amt verfügt worden. Von den in der Schrift Beleidigten hat bis jetzt noch keiner Strasklage gegen Pfizer erhoben.
Friedrichshafen. Das Königl. Hoflager wird am 26. Juni zum Sommeraufenthalt hieher verlegt.
Mainz, 18. Juni. Zu dem gestrigen 9. deutschen Bundesschießen sind zahlreiche Schützen aus Deutschland und Oesterreich hier eingetrosten. Der historische Festzug verlief glänzend. Diersch-Berlin übergab das Bundesbanner, welches Oberbürgermeister Gassner übernahm.
Die „Kreuzztg." schreibt: In der Gegend von Halle a. S. jagt ein Lustmord den andern, im > Kreise Nimptsch ist soeben ein Gendarm in einem Getreidefelde von Mörderhand niedergestreckt worden, in Posen hat ein Unhold einen 2'/s Jahre alten Knaben niedergemetzelt und ihn in Stücke zerschnitten, im Kreise Habelschwerdt wurde kürzlich eine Magd von einem Mordgesellen niedergeschossen — das ist so eine kleine Auslese aus der Mordchronik der jüngsten Zeit und fast täglich bringen die Zeitungen Meldungen über neue Unthaten. Angesichts der bedenklichen Verrohung eines Teiles der Bevölkerung erscheint der Zeitpunkt gekommen, jenen erbärmlichen Mordgesellen und Rowdies mit wirksameren Mitteln zu Leibe zu gehen. Die Einführung der Prügelstrafe ist ein Gebot der Notwendigkeit, und es ist unseres Erachtens keine Zeit mehr zu verlieren, dieses wirksame und bei Rohheiten und Mordthaten sehr angebrachte Zuchtmittel wieder zu einem integrierenden Bestandteile der Strafezu machen. Unsere Gefängnisse und Zuchthäuser weisen ununterbrochen eine erschreckende Fülle auf, eine große Anzahl von rohen Gesellen fristet hinter Kerkermauern
ein sorgenloses Dasein und verursacht dem Staate jährlich Tausende und Abertausende von Mark' an Unkosten. Zuchthaus- und Gefängnisstrafe hat, wie die Erfahrung lehrt, für jene Elemente nichts Abschreckendes, und deshalb ist an der Zeit, diese Strafen durch ein weiteres Zuchtmittel iu Gestalt regelmäßiger körperlicher Züchtigung zu unterstützen. Ernste Einwendungen gegen eine solche Verschärfung der Strafmittel lassen sich nicht geltend machen.
Berlin. Der zum Gesandten in Hamburg ernannte Geheime Legationsrat v. Kiderlen-Wächter ein Württemberger, genannt „Spätzle" vom Kladera- datsch, hat die Geschäfte der Gesandtschaft übernommen. Der Gesandte begleitet den Kaiser wie gewöhnlich auf seiner 'Nordlandreise.
Berlin, Iß. Juni. Bei der gestrigen Vorstellung der nach Südwestafrika abgehenden Schutztruppe sagte der Kaiser in einer Ansprache an die Mannschaften: „Ihr geht schweren Kämpfen entgegen. Wenn ihr mit den Schwarzen drüben zusammentrestt, vergeht nicht, daß sie Menschen seid wie ihr, auch Ehrgefühl besitzen. Laßt Euch keine Ausschreitungen zu Schulden kommen."
Berlin, 16. Juni. Der jetzt schon etliche Wochen lang bestehende Bierkrieg hat noch keine Aussicht auf baldige Beendigung; im Gegenteil stehen sich die Fronten schärfer gegenüben als bisher. Die Berliner Gastwirte haben sich in größter Mehrzahl den Brauereien angeschlossen und den Beschluß gefaßt, den Sozialdemokraten für ihre Versammlungen die Lokale zu verweigern, solange an dem Brauerei- Boykott sestgehalten wird. Unter den leitenden „Genossen" hat dies eine große Aufregung hervorgerusen, oder vielmehr Bestürzung. Man hatte bestimmt daraus gerechnet, daß die Schankwirte aus Seiten der Genossen gehorsam mitmachen würden. Es ist denn auch vorgestern sofort eine schankwirtliche Gegenerklärung in Szene gesetzt worden, die aber kein erhebliches Resultat ergeben hat. Indessen ist der ganze bierkriegerische Streit soweit es sich dabei um Arbeiterforderungen, Böttcherstreik und Bierverruf handelt, schon jetzt ganz und gar nebensächlich geworden. Die Sache ist eine mit schlauester Rücksichtslosigkeit gehandhabte Organisationsübung der Sozialdemokratenhäuptlinge, weiter nicht. Alle „gewerkschaft- - liehen" Vereine und Vereinigungen müssen sich in Versammlungen damit beschäftigen, Reden darüber halten, Resolutionen fassen, Komissionen einsetzen und was sonst zum wildesten Parteirummel gehört. Männer und Weiber in gleicher Weise. Man wütet jetzt schon gegen das bayerische Bier überhaupt, wirft alles was Brauereibesitzer heißt, in ganz Deutschland, ja in der ganzen Welt, in einen Topf. Das ist das furchtbar Gefährliche, daß so ein Fanatismus ohne gleichen hervorgerufen wird in den Massen, welcher jede vernünftige Ueberlegung in allgemeinen Haß und elender Furcht untergehen läßt.
Berlin, 17. Juni. Heute vormittag 11',s Uhr erfolgte im Beisein des Kaiserpaares, der drei ältesten Prinzen, sowie zahlreiche Fürstlichkeiten die Grundsteinlegung für den Berliner Dom.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 18. Juni. In der gestrigen Versammlung des soz.-dem. Parteiverbandes kam es wegen Erörterung des Karwiner Grubenunglücks zu argen Ausschreitungen. Der Regierungsvertreter wurde wegen Auflösung der Versammlung von den Anwesenden insultiert, woraus die Detektives geprügelt wurden, welche einschreiten wollten. Erst ein zahlreiches Wachaufgebot zerstreute die Menge.
Wien, 19. Juni. Die Kaiser Ferdinand-Nord- bahn teilt mit, daß wegen Dammbruchs auf der Strecke Bielitz der Verkehr eingestellt sei.
Budapest, 19. Juni. In allen Teilen des Landes richtete ein Unwetter ungeheuren Schaden an. Viele Brücken sind fortgerisseiy der Eisenbahnverkehr ist teilweile gestört. Schnee und Hagel vernichtete in vielen Gegenden die Ernte.
Troppau (i. österr. Schlesien), 18. Juni. Nach den gestrigen Erhebungen ist die Anzahl der Toten in Karmin auf 232 festgestellt worden. Bei den Rettungswerken gab es 35 Verunglückte, davon sind 25 tot. 128 Opfer waren verheiratet. Das Leichenbegängnis fand gestern nachmittag statt. Die Hinterbliebenen erhalten aus den Bruderladen, außerdem vom Grafen Larisch ihre Versorgung.
lieber das große Grubenunglück in Karmin bei Mährisch-Ostrau wird weiter gemelöet: Zur Zeit der Explosion waren in den Schächten 1200 Men-