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Amts- und Intelligenz-Blatt flir den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Donnerstag 21. Juni
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1894 .
Amtliches.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betr. die Abhaltung von Prüfungen im Husbeschlag an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede.
Für Schmiede, welche die in Artikel 1 des Gesetzes vom 28. April 1885, betreffend das Huf- beschaggewerbe, vorgeschriebene Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes erstehen wollen, finden an nachstehenden Lehrwerkstätten für Hufschmiede solche Prüfungen statt, und zwar:
in Ulm am 18. und 19. Juli d. I., in Ravensburg am 2. und 3. August d. I., in Heilbronn am 7. und 8. August d. I., in Hall am 9. und 10. August d. I., in Reutlingen am 13. und 14. August d. I.
Diejenigen Kandidaten, welche diese Prüfung erstehen wollen und sich nicht an den zur Zeit an den betreffenden Lehrwerkstätten im Gang befindlichen Lehrkursen beteiligen, haben ihr Gesuch um Zulassung zu einer der erwähnten Prüfungen bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, spätestens drei Wochen vor dem festgesetzten betreffenden Prüsungstermin vorschriftsmäßig einzureichen.
Bedingung für die Zulassung ist der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedhandwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei die Zeit der Beschäftigung im Hufbeschlag besonders angegeben sein muß. Die urkundlichen Nachweise hierüber, d. h. die von den Ortsbehörden beglaubigten Zeugnisse der betreffenden Meister sind mit dem Zulassungsgesuch vorzulegen.
Stuttgart, den 13. Juni 1894. v. Ow.
Nagold.
Aushebungsgeschäft von 1884.
Die Militäraushebung seitens der K. Oberersatzkommission findet Heuer statt:
1) bezüglich der als dauernd untauglich, zur Ersatz-Reserve und zum Landsturm in Vorschlag gebrachten Mannschaften, sowie sämtlicher Reklamanten, am
Dienstag den 26. Juni 1884, vormittags Uhr,
2) bezüglich der als tauglich und aushebungsfähig bezeichnten Mannschaft am
Mittwoch den 27. Juni 1884, vormittags 7'/- Uhr, je auf dem Rathaus in Nagold.
Die Ortsvorsteher erhalten die Weisung, die vor die K. Ober-Ersatzkommission zu beordernden Militärpflichtigen, über welche ihnen besondere Verzeichnisse zukommen werden, mit dem Anfügen vorzuladen, daß sie bei Vermeidung der gesetzlichen Strafen und Rechtsnachteile an den genannten Tagen je vormittags 7 Uhr präzis auf dem Rathaus in Nagold zu erscheinen haben, auch sind die Militärpflichtigen auf die Bestimmung des tz 65 Ziff. 3 der Wehr-Ordnung, wornach jeder Versuch zur Täuschung gerichtlich be- straft wird und auf § 71 Ziff. 7, vergl. mit §72 Zlff. 3 der Wehrordnung, aufmerksam zu machen, wornach die Entscheidungen der K. Ober-Ersatzkommission endgiltig sind und jeder in den Grundlisten des Aushebungsbezirks enthaltene Militärpflichtige berechtigt ist, im Aushebungstermin zu erscheinen u. der Oberersatzkommission etwaige Anliegen vorzutragen.
Auf möglichste Reinlichkeit der Militärpflichtigen an Körper und Wäsche ist hinzuwirken. Wer an
Epilepsie zu leiden behauptet, hat nach § 65 Ziff.
6 der Wehrordnung auf eigene Kosten drei glaubhafte Zeugen hiefür zu stellen.
Es wird erwartet, daß die Ortsvorsteher ortskundige Fehler von Militärpflichtigen — geistige Beschränktheit, Epilepsie etc. — soweit solche nicht schon bei der Musterung zur Sprache gebracht worden sind, vor der Aushebung dem Unterzeichneten anzeigen.
Endlich wird darauf aufmerksam gemacht, daß Familienverhältniffe halber ein Militärpflichtiger niemals zum Train bestimmt wird und daß derartige Gesuche werilos sind.
Die Eröffnungs-Urkunden der Vorladung der Militärpflichtigen sind spätestens bis zum 23. Juni hieher einzusenden.
Die Beiziehung der HH. Ortsvorsteher zum Aushebungs-Geschäft wird auch dieses Jahr nicht für erforderlich erachtet.
Schließlich sieht sich der Unterzeichnete veranlaßt, daraus aufmerksam zu machen, daß Militärpflichtige, welche ihren nicht blos vorübergehenden Aufenthalt auswärts haben, z. B. in einem andern Aushebungsbezirk im Dienst, in Arbeit stehen, auch dort gestellungspflichtig und dorthin zu überweisen sind.
Die Ortsvorsteher werden beauftragt, die Stammrollen pro 1892, 1893 und 1894, nebst Geburtslisten und Beilagen höherer Weisung gemäß bis zum 23. Juni zuverlässig hieher vorzulegen.
Den 14. Juni 1894.
Der Civil-Vorsitzende der Ersatzkommission:
Oberamtmann Vogt.
Seine Majestät der König halb. 16. Juni verfügt: Roth, Major z. D. und Kommandeur des Landwehrbezirks Calw, den Karakter als Oberstlieutenant verliehen, Frhr. v. Gültlingen, Sekondlieut. im Jnf.-Reg. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, zum Premierlieut. befördert.
Herzog Günther über die Landwirtschaft.
Bei dem am 9. d. M. abgehaltenen Adelstage hat der Ehrenpräsident der Adelsgenoffenschaft, Se. Hoheit Herzog Günther von Schleswig-Holstein, der Bruder unserer Kaiserin, eine Rede gehalten, aus der wir hier folgendes herausheben wollen: „Ich bin in der glücklichen Lage, recht reichlich von dem schlechten Boden zu besitzen, den wir in Deutschland überhaupt haben, und was dies in der heutigen Zeit bedeutet, wird wohl jeder von ihnen genau wissen. Zur näheren Illustration erlaube ich mir ' Ihnen mitzuteilen, daß ich den Versuch machte, solchen Boden, der bisher von mir bewirtschaftet wurde, an die kleinen Leute zu verpachten. Sie boten mir an vielen Stellen 1,50 ^ pro Morgen und ich war noch im Zweifel, ob man denselben dafür weggeben sollte. Meine Wirtschaftsbeamten erwiderten mir, die Leute würden, nachdem der Düngergehalt aus dem Boden gezogen, nach sechsjähriger Pacht denselben nicht wieder nehmen. Trotzdem ist bei mir ein Arbeitermangel nicht vorhanden. Denn mein Vater und Großvater haben unter Mitwirkung tüchtiger Beamten eine blühende Industrie geschaffen, die nicht etwa auf den Erzeugnissen des Bodens basiert, sondern mit englischem Eisen arbeitet, früher mehrere Meilen von der Bahn entfernt. Hierdurch werden die besten Elemente der Gegend beschäftigt, die älteren Leute und die, welche körperlich nicht kräftig genug sind, kehren in die Forst- und Landwirtschaft zurück. So ist ein Zusammengreifen der Kräfte geschaffen, welches ermöglicht, daß ich weder der Arbeiterbewegung noch der Not unserer Land
wirtschaft mit Angst persönlichpntgegenzusehen brauche. Es wird dadurch weiter eine Verteilung der Arbeitskräfte erreicht, indem das.platte Land selbst diese Kräfte aufsaugt. Man ist in der Lage, an dichtere Bevölkerung Butter und Milch abzusetzen. Was für den größeren Besitz möglich, ist ja allerdings nicht für den kleineren immer ausführbar, aber ich meine, durch den Zusammenschluß, durch Genossenschaften ließe sich noch viel erreichen, wenn nämlich soviel Kameradschaftlichkeit noch bei dem Wohlhabenden vorhanden wäre, daß er dem Schwächeren mit aufzuhelfen suchte und nicht achselzuckend seinem Ruin zusehe, sondern an die Stelle des jetzt meist jüdischen Kapitalisten treten würde, dem der andere verschuldet ist. Es wäre hier aber auch dringend wünschenswert, daß Mitglieder des Adels, jüngere Söhne oder auch zukünftige Besitzer selbst, sich die kaufmännischen und technischen Kenntnisse erwerben, um selbständig irgend einem industriellen Betrieb vorzustehen. — An anderer Stelle bemerkte der erlauchte Redner: „Von vielen Seiten kommt der Ruf, zurückzukehren zu einfacheren Verhältnissen, Verminderung des Luxus, gewiß mit Recht. Ich möchte das Hauptgewicht auf die Gegenwirkung gegen den unwahren Schein legen, auf die Erweckung des Anscheins, daß Wohlstand vorhanden, wo er in Wirklichkeit nicht da ist, auf das Strebertum, welches bei uns in so hohem Maße Platz gegriffen, wo jeder mehr scheinen will, als er ist. Arbeiten wir einseitig gegen den Luxus, so ruinieren wir damit auch eine Menge kleiner Existenzen, die wieder von diesem Luxus leben, arbeiten wir lieber gegen die Mißgunst des anderen, welcher dem Luxus seines glücklicheren Nachbars nachzueifern bestrebt, weil er glaubt, sonst dem anderen nicht gleichgeachtet zu werden. Der Luxus macht nicht die Achtung des Menschen, sondern der Charakter des Betreffenden; der Märkische Adel ist ein starkes kerniges Geschlecht geworden, trotz seines armen Bodens, umgekehrt ist der Luxus nicht eine Notwendigkeit des Ruins, sondern nur der Luxus, der in keinem Verhältnis zu den Einnahmen des Ausübenden steht.
Aus Afrika.
Der Kongostaat hat sich bewegen lassen, mit England einen Gebietsaustausch einzugehen, der in folgendem besteht: England tritt an den Kongostaat den südlichen Teil Aegyptens, d. h. die sudanesischen Provinzen ab, die es seit dem Untergang Gordons so wie so verloren hat, und erhält dafür den östlichen Teil des Kongostaats, der an die deutsche Kolonie stößt. Nun verlangt aber der Kongovertrag vom Jahr 1884, daß keine Gebietsveränderuug des neutralen Kongostaats vorgenommen werden dürfe ohne Zustimmung der Staaten, welche den Kongovertrag unterzeichnet haben. Darum hat England den Ausweg gesucht, die Gebietsabtretung nicht als eine endgültige zu bezeichnen, sondern ihr den Slawen einer „Verpachtung" zu geben. Der Kongostaat pachtet auf längere Zeit von England die sudanesischen Provinzen und dafür verpachtet er auf unbestimmte Zeit wieder an England sein östliches Gebiet.
Diese Spitzfindigkeiten will man aber weder in Deutschland noch in Frankreich gelten lassen und sowohl die deutsche wie die französische Regierung hat in Brüssel und in London gegen das englischbelgische Kongo-Abkommen protestiert. Und mit Recht, denn eine Verpachtung auf unbestimmte Zeit ist so gut wie eine Abtretung; das Abkommen ist