gar wissen, daß diese Bemühungen bereits gelungen seien und daß dem Fürsten demnächsteine große Genugthuung zu teil werden würde."

Jetzt hat auch Herr Bebel in einer sozialde­mokratischen Versammlung seine Weisheit zum Besten gegeben und wenigstens mit anerkennenswerter Offen­heit zugegeben, daß dieIdee von dem sozialisti­schen Zukunftsstaate, nur einstweilen ein gutes Agitationsmittel" undvom wissenschaftlichen Stand­punkte unhaltbar sei." Gott sei Dank, so braucht man sich über diesen Jdealstaat derZukunft" oder denidealen Zukunftsstaat" nicht mehr den Kopf zu zerbrechen! Mit demselben hätten die Herren Sozialdemokraten gründlich aufgeräumt; erst Herr Liebknecht, indem er in seiner geschmackvollen Weise, jeden für einen Narren erklärte, der nach dem Zu­kunftsstaat trachte, und jetzt Herr Bebel, der die Idee vom sozialdemokratischen Zukunftsstaat wissen­schaftlich für unhaltbar erklärt. Ja, aber worauf hoffen denn die Sozialdemokraten noch, wenn sie ihr Ideal, das Paradies auf Erden, selbst aufgegeben haben? Auch darauf giebt Herr Bebel Antwort. Dergroße Kladderadatsch", d. h. der allgemeine Umsturz, die gewaltsame Revolution, ist die einzige Hoffnung der Sozialdemokratie, was sich ein jeder, der aus Unkenntnis der letzten Ziele, die Sozial­demokratie bei den Wahlen unterstützt hat, sagen mag. Nicht ein einziges positives Ziel kann die Sozial­demokratie ihr eigen nennen, nachdem Herr Bebel den zweiten Teil des neuen Programms, der einige Forderungen an den jetzigen Staat enthält, verleugnet hat. Das einzige Ziel besteht in der Zertrümmerung des Bestehenden,was dann geschehen wird", das weiß Herr Bebel selbst nicht zu sagen.

Außer Deutschland hat nun auch Frankreich die provisorische Regierung in Chile anerkannt.

Bestrrreich-Rngarn.

Wien, 18. Sept. Ein hiesiges Sensationsblatt will aus hocharistokratischen Kreisen erfahren haben, Johann Orth lebe noch und habe an den Käm­pfen in Chile auf Seite der Congreßpartei hervor­ragenden Anteil genommen.

Der ungarische Abgeordnete Falk teilt imPcster Lloyd" einen privaten Briefwechsel zwischen dem Für­sten Bismarck und dem Grafen And rassy mit. Bismarck habe schon vor acht Jahren einen baldi­gen Handelsvertrag zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland in Aussicht gestellt.

Italien.

Rom, 18. Sept. Schwerer Hagelschlag ver­wüstete MarsicoVetere am Fuß des Apennin in der Provinz Potenza. In der Provinz Neapel wurde die Ernte vernichtet, Hütten verwüstet, zahlreiche Tiere getötet, auch Menschcnverlust wird gemeldet.

Nom, 18. Sept. DieOpinione" schreibt, die Reden des deutschen Kaisers in Schwarzenau, München, Kassel und Erfurt bewiesen, daß er die Ueberzeugung gewonnen habe, seine ehrlichen Be­mühungen, den Frieden zu erhalten, seien nutzlos, die deutsche Einheit werde mitFeuer und Schwert" (korro iAnigno) verteidigt werden müssen.

Rom, 19. Sept. Der Papst empfing heute 2000 französische Pilger und erwiderte die von Cardinal Langenieux und dem Grafen Mun verlesenen Adressen mit einer Ansprache, betreffend die Arbeiter­frage. In dieser Ansprache, die der Papst aufrecht- stehend hielt und die ungefähr eine halbe Stunde währte, wies er darauf hin, daß die Lösung der sozialen Frage in den Bereich des Gewissens falle. Man müsse das Geheimnis jedes sozialen Problems in der Aktion der Kirche, verbunden mit den öffent­lichen Gewalten suchen. Der Papst warnt die Ar- bener vor den Gottlosen, welche insbesondere unter den Namen von Sozialisten auftreten, um der sozialen Ordnung zu schaden. Nach der Huldigung durch den Fußkuß zog sich der Papst zurück. Zwölf Car- dinäle wohnten der Audienz bei.

Frankreich.

Paris, 17. Sept. Es verlautet zuverlässig, die russische Anleihe im Betrage von 500 Millionen sei abgeschlossen, die Emission finde im Oktober statt.

Paris, 19. Sept. Die zweite Vorstellung des Lohengrin" fand unter ebenso großem Beifall statt, wie tie erste und nahm, von zwei Zwischenfällen ab­gesehen, einen ungestörten Verlauf. Ein Zuhörer am Orchester spraug am Schlüsse des zweiten Aktes auf und forderte den Dirigenten auf, die Marseillaise

zu spielen. Aber Alles rief:Hinaus!" und ver­langte die Entfernung des Störers, welche sofort von Municipalgardisten vorgenommen wurde.

Reims, 19. Sept. Carnot toastierte bei dem Bankett auf Frankreich, daß er seine Stellung in der Welt wieder errungen und seine Armee wiedcrher- gestellt habe. Das Land verlange, daß die Republik alle lebendigen Kräfte vereine, um eine sichere und liberale, eine ruhige und entschlossene, eine würdige und friedliche Politik zu verfolgen, deren Erfolge bereits ersichtlich seien.

Der Polizeipräfekt von Paris ist scharf vorge­gangen. Er hatte für die auf Mittwoch angesetzte Lohengrin"-Vorstellung in der Großen Oper ange­ordnet, daß jeder, der in der Nähe der Oper einen Ruf ausstößt oder weiterzugehen sich weigert, verhaftet und daß über die Existenzmittel eines jeden Verhaf­teten eine Untersuchung angestellt werde.

Zur Aufführung der OperLohengrin" inParis hat der Minister des Innern, Constans, folgende Be­merkung gemacht:Lohengrin wird aufgeführt wer­den, was auch kommen möge. Die sogenannten Patrioten sind gar nicht berechtigt, sich auf Ruß­land zu berufen, um die Aufführung der Wagner'- schen Oper zu verhindern. Man ist im Gegenteil auf der russischen Botschaft durch diese Dummheiten sehr gelangweilt und wünscht dringend, daß dieselben ein Ende nehmen.

Die am Mittwoch Abend in der Pariser Oper stattgehabte Aufführung von WagnersLohengrin" hat, wie nach den stattgehabten Hetzereien voraus­zusehen war, ziemlich erhebliche Skandale vor dem Opernhause hervorgerufen. Um 8 Uhr abends ging der Tanz los, aber die in starker Zahl aufgebotene Polizei ging enschlossen gegen den Pöbel vor und zerstreute ihn, wobei zahlreiche .Verhaftungen vor­genommen wurden. Späterhin wurde die Sache noch ernster. Gegen 10 Uhr abends warf sich ein starker Menschenhaufe gegen das in der neuen Augustin- Straße belegene Kaffee Hannover und zertrümmerte durch Steinwürfe und Stockhiebe dessen Schaufenster. Von da an wuchs die Erregung noch ganz erheb­lich. Der Pöbel sang fortgesetzt die Marseillaise und rief:Es leae die Republik, es lebe Frankreich! Vereinzelt wurde auch gerufen:Nieder mit Wag­ner!" Die Polizei schien vorübergehend dem gewal­tigen Andrange des Menschenhaufens weichen zu müssen, wiederholt gelang es der letzteren, auf den abgesperrten Opernplatz zu dringen. Mit der flachen Klinge schlugen die Polizisten die Tumultanten zu­rück. Endlich, um 11 Uhr abends, begann die Men­schenmasse sich langsam zu zerstreuen.

Unter der UeberschriftMonsieur Grovy Intime" veröffentlicht jetzt im PariserTemps" ein Freund des verstorbenen Präsidenten interessante Erinnerungen, denen wir heute nur folgende Stelle entnehmen. Im allgemeinen sprach Greoy über Personen stets sehr ruhig, ohne Haß, ohne Bitterkeit. Doppelt mußte es daher auffallen, daß er über Boulauger sich stets mit der größten Schärfe aus­drückte. Sowohlvorher" alsnachher". Ich habe ihn, sagte er, achtzehn Monate als Minister um mich gehabt; daher weiß ich ganz genau, was in ihm steckte. Er verstand nur ein einziges Ding: Dummheiten zu machen! Wenn ich ihn nicht zurück­gehalten hätte, so wäre der Krieg dagewesen. Wäh­rend derFall Schnäbelo" in voller diplomatischer Verhandlung war, verlangte er eines Tages, man solle ein Ultimatum an Deutschland senden, bot seine Demission an und warf sein Portefeuille auf den Tisch. Ich machte ihm ein Zeichen mit dem Finger, er solle es da liegen lassen; er nahm es aber wieder an sich. Da hatte ich genug. Als man ihn mir später wieder als Kriegsminister aufhalsen wollte, winkte ich ab.

Vitry, 17. Sept. Der Vorbeimarsch der Jn- fanteri erfolgte bei der heutigen Revue in Carrefor­mation. die Cavallerie formierte nach dem Defilieren ein geschlossenes Corps von l k 000 Reitern, die eine Scheinattaque im Galopp auf die Tribüne des Prä­sidenten Carnot ausführten, aber 100 Meter vor der Tribüne kurz parierten. Dieses Manöver rief den größten Beifall im Publikum hervor. Nach der Revue verteilte der Präsident Carnot Auszeichnungen und kehrte nach der Stadt zurück. Etwa 50 000 Menschen wohnten der Revue bei.

Vitry, 17. Sept. Präsident Carnot gab heute den Generälen der von ihm besichtigten Truppen ein

Paradediner. Bei demselben brachte er einen Toast aus, in welchem er hervorhob, die Armee habe ge­zeigt, was Frankreich von ihr zu erwarten habe. Das Land sei dafür dankbar und wisse, daß cs durch Ruhe, Festigkeit, Besonnenheit und loyale Haltung aufrichtige Freundschaft erwerben könne. Das ge­rechtfertigte Vertrauen in die Hilfsquellen des Lau- des bilde ein sicheres Pfand des Friedens, welchen man nicht gestört wissen wolle. Die Armee gewähre dem Lande dieses Vertrauen. Der Präsident dankte der Armee im Namen des gesamten Frankreichs. Diese Rede wurde sehr beifällig ausgenommen. Frey- cinet dankte namens der Armee. Die auswärtigen Militärattaches nahmen an dem Diner teil.

Belgien.

Die belgische Regierung hat unserem Kaiser kürzlich acht prächtige Brieftauben zum Geschenke gemacht. Sie werden vorläufig auf der Brieftauben­station der Spandauer Citadellc verpflegt.

England.

London, 18. Sept. DieTimes" meint, Frankreichs Lage habe sich durch die Abmachungen mit Rußland nur verschlechtert. Die Entscheidung über Krieg und Frieden hänge allein von Rußland ab, letzteres gebiete auch über Frankreichs Geld.

Ein unangenehmes Gesetz. Zu keiner Zeit hat sich in England oder anderswo das schöne Ge­schlecht leidenschaftlicher mit Politik und Gesetzgebung beschäftigt, als im Jahre 1770, wo im Parlament folgende Bill eingebracht und dann einstimmig zum Gesetz erhoben wurde:Jedwede Frau, gleichviel welchen Alters, welchen Ranges oder Berufes, jed­wede Frau, und sei sie noch jo hochgestellt, jedwede Frau, gleichviel, ob verheiratet, Witwe oder Jungfrau, die vom Tage der Verkündigung dieses Gesetzes mit Hilfe von Wohlgerüchcn, Schminken, Pomaden, fal­schen Zöpfen, Hackenschuhen, welche einen Unterlhan Seiner Majestät zur Heirat unter falscher Voraus-», setzung verführen wird, ist als Betrügerin zu bestrafen,^ insbesondere aber ist jeder Heiratsantrag, der von einem Manne, dessen Sinne durch Wohlgerüche betäubt wurden, gestellt wurde, als ungiltig und nicht klagbar zu betrachten. Der Gebrauch von Parfüm ist über­haupt fortan nur bei Begräbnissen gestattet, von der Ueberzeugung geleitet, daß bei so ernsten, traurigen Anlässen selbst hinterlistige, gefährliche Frauen nicht gestimmt sein werden, sich aus der Schaar der Leid­tragenden ein Opfer zu suchen."

Däne m a r k.

Kopenhagen, 16. Sept. Dem Vernehmen nach reist der Kaiser von Rußland am 30. d. M. oder am l. Oktober nach Rußland zurück.

Ein Artikel der KopenhagenerPolitiken" ver­wahrt sich auf das entschiedenste gegen den Wahn­sinn eines Bündnisses des kleinen Dänemark mit Rußland und Frankreich.Politiken" führt aus, daß ein solches Bündnis von allen Dummheiten Dänemarks die größte, aber auch die letzte sein würde, weil das mächtige deutsche Reich, ob es nun siegt oder unterliegt, in jedem Falle stark genug bleiben wird, den kleinen Nachbar empfindlich zu züchtigen.

Rußland.

In Petersburg sind, wie es heißt, bereits Vorarbeiten im Gange, um festzustellen, ob und wann eine Wiederaufhebung des Roggeneinfuhrverbotes erfolgeu kann. Trotz des sehr stark gefallenen Korn­preises besteht in mehreren Gouvernements doch noch eine arge Notlage. Die Leute haben gar kein Geld, können also auch billiges Brotkorn nicht kaufen.

Bulgarien.

Belgrad, 15. Sept. König Alexander ist heute vormittag 9 Uhr hier eingetroffen, auf dem Bahnhofe von den Regenten, dem diplomatischen Korps und den Ministern sowie von einem überaus zahlreichen Publikum begrüßt. Auf der Fahrt des Königs in den Konak bereitete das Publikum dem Fürsten enthu­siastische Ovationen. Sämtliche Journale veröffent­lichten Begrüßungsartikel;Odjek" dankt nochmals den Höfen für den herzlichen Empfang des jungen Königs und betont, Oesterreich-Ungarn habe neuer­dings bei diesem Anlasse seine freundnachbarlichen Gesinnungen bekräftigt, auf welche Serbien so hohen Wert lege und welche es zu pflegen und zu befestigen fest entschlossen sei. Der König wird in einigen Tagen zu den Manövern nach Nisch abreisen.

Kleinere Mitteilungen.

Ueber eine ernste Arbeiterrewolte bei Klein- Beeren erzählt ein Arbeiter, welcher mit gebrochenem