wurde, ließ das Komite diesmal noch weitere Toaste zu. Der erste derselben, von Professor Zemann, einem hervorragenden Mitglied der nationalliberalen Partei ausgebracht, galt dem Fürsten Bismarck, und wurde mit ungeheuerem Jubel ausgenommen. Red­ner apellierte an die Dankbarkeit des deutschen Vol­kes, ohne welche es keine wahre Liebe und Treue zu Kaiser und Reich gebe. Pflicht aller Eltern sei es, bei ihren Kindern Bismarck als den größten Deutschen fortleben zu lassen. Sekretär Schrempf vom conservativen Verein toastete sodann auf das deutsche Heer, ein anderer noch auf die deutsche Ju­gend. Die musikalische Unterhaltung besorgte der Liederkranz" im Verein mit der Premschen Kapelle. Der Stadtgarten, war zur Feier des Tages fest­lich beleuchtet.

Stuttgart, 4. Sept. Auf die vielfachen Klagen, welche seitens eines Teiles der hiesigen Altstadt wegen unpünktlicher Briefbestellung geführt wurden, veran- laßte die Postverwaltung kürzlich eine Haussuchung bei dem Briefträger des betreffenden Viertels. Bei dieser Gelegenheit wurden etwa 200 unbestellte Brief­schaften aufgefunden. Ob hier bloße Bequemlichkeit des Briefträgers vorliegt, oder andere Gründe bei der Veruntreuung maßgebend waren, wird die weitere Verfolgung der Angelegenheit ergeben.

Oehringen, 3. Sept. Eine 23 jährige Frau in Stolzeneck hatte das Unglück, einer Dreschmaschine mit den Haaren zu nahe zn kommen, und zwar so, daß die Kopfhaut vom Nacken bis zum Nasenbein vollständig weggerissen wurde.

Tettnang, 3. Sept. Im verflossenen Frühjahr kehrten zwei Tettnanger Herren in Feldkirch in einer dortigen Brauerei ein. Hiebei teilte ihnen die Be­sitzerin, welche Witwe ist, folgendes interessante Schick­sal eines Hopfenballens mit, das der Oeffentlichkeit unterbreitet zu werden verdient. Wie schon seit Jahren, bezog sie ihren Hopfenbedarf aus Saaz von einem Händler und bezahlte pro Zentner 190 österreichische Gruden 322 Mark. In einem dieser gesiegelten Saazer Hopfenballen fand sich nun beim Oeffnen ein Zettel, welchen die Bräumeisterin den besagten zwei Herren vorzeigte und auf welchem die verhängnisvollen Worte standen:Diesen Hopfen habe ich gesackt. Meckenbeuren, den .... Hopfensacker N. N." Weiteren Kommentars bedarf es nicht.

Göppingen, 2. Sept. Es herrscht hier in den Kreisen der Handwerker und Arbeiter wirkliche Niedergeschlagenheit über den gegenwärtigen schlech­ten Geschäftsgang. Unter demselben hat na­mentlich die Textil- und Metallindustrie zu leiden; in vielen Fabriken ist die Arbeitszeit um mehrere Stunden pro Tag reduziert worden oder es werden nur 45 Tage in der Woche gearbeitet. Daß hie­durch das ganze Erwerbsleben unserer Stadt in Mitleidenschaft gezogen wird, ist selbstverständlich. Da hätten unsere Arbeiter nun auf einmal den acht­stündigenNormalarbeitstag", welchen sie vor kur­zem auch hier so energisch gefordert habe». Ob er ihnen zusagt, das ist freilich eine andere Frage.

Kirchentellinsfurth, 3. Sept. Heute Abend kurz nach 5 Uhr entlud sich über unserer Gegend ein Gewitter» welches das vom 16. Juli 1888 an Hef­tigkeit bei weitem übertraf und von furchtbarem Hagelschlag begleitet war. Derselbe dauerte eine volle Viertelstunde und brachte Steine, welche teil­weise die Hühnereier an Größe bei weitem übertrafen, und bis zu 50 Gramm wogen und Fenster und Läden zertrümmerten. Welchen Schaden das Gewitter in Gärten und Feldern, namentlich aber an Obstbäumen und Hopfen angerichtet hat, läßt sich noch nicht er­messen. Als Glück darf es bezeichnet werden, daß die Ernte in unserem Orte schon vollständig einge- heimsl ist. Aehnliches wird aus Dettenhausen berichtet.

Br and fall: Den 3. Sept. in Matzenbach das dem Privatier Schuttes und 3 weiteren Familie» gehörige gemeinschaftliche Wohnhaus.

Zu dem Kapitel von den geflickten Schienen kommt jetzt ein neuer Beitrag. Die Ems-Ztg. schreibt: Im Laufe des Monats August ließen einige Waggons aus Bochum bezogener Schienen in Aschendorf ein. Auf der Strecke von dort nach Clufe sollten 1300 Meter Schienen neu gelegt werden. Nach Aschen­dorf kamen 300 Stück Schienen. Von diesen 300 erwiesen sich bei der Prüfung, welche am 20. Aug. der Vorsteher der Emdener Bauinspektion, Regie­rungs-Baumeister B., vornahm, 72, schreibe zwei

und siebzig, also etwa der vierte Teil, als defekt. Einige wiesen Rillen, andere Risse bis zu 35 Ctm. Länge auf. Die Risse waren ausgekitret und darauf die schadhaften Stellen mit einer der Naturfarbe der Schienen ähnelnden Theermasse überstrichen. Sämt­liche Schienen, auch die schadhaften, tragen an den beiden Kopfenden den Abnahmestempel K. rrh. (Köln rechtsrheinisch), sowie den Firmenstemvel W. St. mit dem Vermerk Bochum 1890. 17 der am meisten schadhaften Schienen sind neben der Strecke bei der Wärterbude Nr. 226 ausgestellt. An eine Verwen­dung der Schienen konnte nicht gedacht werden, und die Umlegungsarbeiten wurden in Folge dessen bis auf Weiteres eingestellt.

Danzig, 3. Sept. Der Katholikentag nahm eine Resolution an, welche die Arbeiterschutzgesetzgebung beifällig begrüßt. Weiter wurden Beschlüsse gefaßt über eine streng konfessionelle Gestaltung der Volks­schule und Erteilung des Religionsunterrichts in der Muttersprache. Die Versammlung empfahl ferner den Bau guter Arbeiterwohnungen, die Errichtung katholischer Meister-, Gesellen- und Lehrlingsvereine und die Bekämpfung der Sachsengängerei. Heute Mittag wurde der Katholikentag geschlossen.

Danzig, 4. Sept. Fürst Bismarck, welcher gegenwärtig in Varzin weilt, reiste nach den N. N. dem znr militärischen Inspektion nach Stolp fahren­den Prinzregenten Albrecht von Braunschweig bis Hammermühle entgegen. Der Fürst sah sehr bleich aus und am Gange desselben machte sich das vor­gerückte Alter bemerkbar. Auf die Dankworte des Prinzen, daß es sehr liebenswürdig vom Fürsten gewesen sei, hier zu erscheinen, erwiderte Bismarck: Es ist nur meine Pflicht, Königliche Hoheit, meinen durchlauchtigsten Herrenmeister zu begrüßen." Bis­marck äußerte ferner, daß er bis Mitte oder Ende Oktober in Varzin bleiben werde.

Von der Danziger Katholikenversammlung ist noch das von dem Präsidenten Grafen v. Rechberg gegebene Bekenntnis zum Dreibunde hervorzuheben. Der Redner sagte nämlich:Wir stehen fest zur Friedenspolitik des Kaisers und seinen den Frieden garantierenden Allianzen."

Auf dem deutschen Katholikentag in Danzig hielt Abg. v. Schorlemer-Alst eine längere Rede über die Sozialdemokratie und die Mittel zu deren Be­kämpfung. In derselben warnt Redner einleitend vor einer Ueberschätzung der Meinungsverschieden­heiten innerhalb der Sozialdemokratie. Als Einblick in den sozialen Zukuncksstaat sind diese interessant, in der Hauptsache aber sind die Herren einig. (Sehr richtig). Die schon im Altertum und im Mittelalter aufgetauchte soziale Frage sei heute durch Marx und Lassalle in ein wissenschaftliches System ge­bracht, werde von befähigten Köpfen geleitet und sei international. In fesselnder, interessanter Weise ent­wickelt Redner sodann das Prinzip der sozialen Frage, welche sich als eine Seelen- und Magenfrage darstelle. In beiden Beziehungen sei eine doppelte revolutionäre Bewegung zu konstatieren, von oben und von unten. In Bezug ans die Seelenfrage habe der an den Hochschulen gelehrte Unglaube, der bis nach unten dürchgesickert sei, den Boden für die So­zialdemokratie vorbereitet. So lange man diesen Unglauben frei sich weiter entfalten lasse, die Kirche dagegen an der freien Bewegung hindere, werde auch die Sozialdemokratie sich ausdehnen. Auch die Ma- qenfrage werde nicht erlöst werden, so lange die Vergnügungssucht und der Luxus nicht eingedämmt würden, so lange der Mittelstand zurückgedrängt werde und das Kapital ungebührlich sich anhäufe. Nicht minder aber müsse man der revolutionären Bewegung von unten entgegentreten, die in dem so­zialdemokratischen Programm, welches Redner aus­führlich zergliedert, zum Ausdruck gelange Mit die­sem Programm falle Ehe und Familie, werde die erhabenste Würde der Frau aufs Tiefste herabgesetzt, die staatliche Ordnung nicht minder wie Religion und Glauben vernichtet. Im zweiten Teil entwickelt Red­ner die Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Sie seien geistiger und notarieller Natur. Es muß zunächst dem Volke die Religion erhalten werden, oder man muffe sie ihm erneuern, aber für Reiche und Arme, für Gebildete und Ungebildete. Die An­sicht, daß nur Arme und Ungebildete die Religion nötig hätten, sei eine verbrecherische. Von oben her müsse das Beispiel der Gottesfurcht gegeben werden. Weitere Bedingungen zur Ueberwindung der Sozial­

demokratie seien: volle Freiheit der Kirche und ihrer Orden, konfessionelle, religiöse Erziehung der Kinder mit Anerkennung des Rechtes der Eltern und der Kirche auf die Erziehung, endlich wahrer ehrlicher Friede unter den Konfessionen. (Lauter Beifall). Die Lösung der Magenfrage endlich müsse erfolgen durch Abhülfe berechtigter Klagen auf gesetzgeberi­schem Wege. Die Zentrumspartei habe solche Maß­regeln seit ihrem Bestehen gefordert; leider seien aber ihre Anträge lange Jahre hindurch abgelehnt, ja verspottet worden. Durch die Initiative des Kaisers aber sei nunmehr eine Aenderung eingetre­ten und bedeutsamer Wandel geschaffen.

Königsberg, 4. Sept. Die aus Westpreußen in den letzten 14 Tagen hier angekommenen, größ­tenteils auch angekauften Getreidemassen werden auf mindestens 20 Mill. geschätzt.

In Hamburg sind dieser Tage zwei Soldaten der weftafrikanischen Schutztruppe als Gefangene eingetroffen, welche ihren Vorgesetzten den Gehorsam verweigert hatten.

Kiel, 3. Sept. Heute begannen bei Friedrichsort die großen Festungs- und Seekriegsübungen mit Minenversuchen. Alle Handelsschiffe, welche Fried­richsort passieren, müssen wegen der Minensperre bis zum 9. d. M. Lootsen nehmen. Das Manöver­geschwader ging 8 Uhr morgens auf die Außenrhede.

Berlin, 3. Sept. DieNat-Ztg." erklärt in einem Artikel über die Katholikenversammlung in Danzig, welche nichts als eine Parteiversammlung sei, es sei unverständlich, wie Oberbürgermeister Baum­bach im Namen der Stadt diese Versammlung feierlich begrüßen konnte. Dieses habe in der Bürgerschaft von Danzig sehr unliebsam berührt. Das Erscheinen Goßlers in der Versammlung der Partei, welche ihn gestürzt, wurde schlecht belohnt. Er mußte eine Rede über seinen Schulgesetzentwurf anhören, die ihn zum Fortgehen noch während der Rede veranlaßt. Das Hofmachen offizieller Vertreter vor dem Klerikalismus müsse künftig unterbleiben.

Berlin, 5. Sept. Nach einer Meldung der Kreuz-Ztg." ans München nahm der Kaiser für Dienstag Morgen 11 Uhr eine Einladung der Stadt zum Gabelfrühstück im Rathause an. Der Prinz- regenr, die königlichen Prinzen, der Reichskanzler, sowie die Minister und Generäle werden daran teil­nehmen.

Der Kaiser hat sich heute, Mittwoch, morgens von Potsdam nach Berlin und von dort aus in das Manöverterrain des Gardckorps bei Jüterbogk be­geben. Heute nachmittag gedenkt der Kaiser nach Berlin zurückzukehren und abends um ^/s7 Uhr seine Reise über Prag zu den österreichischen Manövern anzutreten. Der König von Sachsen ist mit dem Prinzen Georg heute vormittag ebenfalls nach Schwar­zenau abgereist.

Der Kaiser und sein neuer Kanzler. Der englische Schriftsteller Lowe, welcher lange Jahre in Berlin gelebt hat, veröffentlicht unter dem vorstehenden Titel eine interessante Broschüre. Herr Lowe sagt: Was der Kaiser bereits am Steuerruder des Staats­schiffes geleistet, sei bewundernswert, und er sei gewiß geneigt, seine Verdienste mit seinem weisen und stets wachsamen ersten Lieutenant v. Caprivi zu teilen, den er an Stelle des alten verabschiedetenLootsen" eingesetzt hat. Reichskanzler von Caprivi ist eine foszinierende Persönlichkeit. Er hat vieles, was groß ist. mit Fürst Bismarck gemein. Seine Erhebung zum Nachfolger Bismarcks habe ebenso überrascht, wie des Letzteren Entlassung, aber Caprivi habe das in ihn gesetzte Vertrauen in vollem Maße bewährt. Er ist vornehm, klug und mir ergeben was wollen Sie mehr?", hat der Kaiser gesagt. Caprivi kenne keine Ostentation. er sei offen und herzlich gegen Jedermann, auch gegen seine Untergebenen. Er achte und ehre das Genie, beeinflusse nicht die Presse und zeichne sich durch parlamentarische Offenheit, Ge­wandtheit und Meisterschaft der Sprache aus. Seit Caprivi haben die Friktionen im Parlament aufgehört, Szenen wie früher seien nicht voraekommen; auch die Feindseligkeit zwischen der deutschen und franzö­sischen Presse habe objektiveren Auseinandersetzungen Platz gemacht , und es sei mit Ausnahme des un­glückseligen Besuches der Kaiserin Friedrich in Paris, nichts vorgekommen, was die Gegensätze hätte ver­schärfen können. Aber dabei besitze der neue Reichs­kanzler eine Arbeitskraft, welche derjenigen Fürst Bismarcks nichts nachgebe.Man hat mich", sagt