als seither ausdehnen würden. Das konsumierende Publikum, d. h. die Wirtshausgäste, welche sich in der Hauptsache aus solchen Leuten rekrutieren, die keine eigenen Weineinlagen machen können, verlange längst nach gleichem Recht für Alle und fordere ganz entschieden die Abschaffung eines Privilegiums für die besitzenden Klassen, durch welches bisher jährlich 185 000 Hektoliter Wein unversteuert blieben. Aus die Eingabe der Wirte an die Abgeordnetenkammer übergehend, bemerkte Redner, daß der Hauptfehler dabei gemacht werde, indem die Wirte zu bescheiden waren. Mit der Forderung der gänzlichen Abschaffung des llmgelds hätten sie sicherlich mehr erreicht, als mit der gewünschten Reduktion der Steuern von II auf 8 pCt. des Ankaufspreises. In Wirtskreisen werde man die Abstimmung der Kammer wohl im Auge und ebenso das Gelächter im Gehör behalten, welches sich beim Verlesen des Eingangs der Petitionen auf verschiedenen Seiten des Hauses erhob. Redner griff sodann den Abgeordneten Schoffer an, welcher speziell den Wirten seines Bezirks vor den Wahlen Versprechungen gemacht, während er dann in der Kammer gegen die Eingabe der Wirte stimmte. Unter allgemeinem Beifall nahm die Versammlung zum Schluß die von Herrn Basiert eingebrachte Resolution an, welche besagt: „In Anbetracht der jetzigen ungerechten Besteuerung und im Hinblick auf die letzten Kammerverhandlungen erscheint es Pflicht aller Wirte Württembergs, für gänzliche Aufhebung des Umgelds und Einführung einer allgemeinen Weinsteuer, sowie endlich für eine andere Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses ihren Einfluß geltend zu machen." Inzwischen will der Wirtsverband durch Gründung von Bezirksvereinen seine Organisation befestigen und erweitern. Von anderer Seite wurde noch gewünscht, die Weingärtner bei Versammlungen rc. zur Unterstützung der Bestrebungen der Wirte einzuladen. Der nächste Verbandstag der Wirte findet in Göppingen statt.
Reutlingen, 6. Juli. Großes Aufsehen erregt hier lt. „Würlt. Volksztg." die Nachricht, daß der bei der Kreisregierung angestellte Regierungssekretär K. mit einer Frau W. das Weite gesucht hat und nun bereits auf dem Wege nach Amerika sein dürfte. K., der Urlaub genommen hatte, soll schon längere Zeit mit besagter Frau ein Verhältnis gehabt haben; Frau W. soll, angeblich eine Kellnerin in Stuttgart suchend, ihre Familie verlassen haben. Dieselbe, von welcher an ihren Mann von Antwerpen aus bereits ein Brief einging, dessen Inhalt die schändliche That an das Licht brachte, läßt ihren Mann und 2 Kinder, Sekretär K. seine Frau und 4 Kinder zurück, welche allgemein bedauert werden. (Schw. B.)
Benningen bei Marbach, 5. Juli. Gestern wurde der 69jährige Fuhrmann L. von hier, der eine Fuhre Sand nach Ludwigsburg bringen wollte, von einer Militärperson überritteu Außer sehr starken Verletzungen am Kopf erlitt derselbe noch einen Beinbruch. Der Reiter holte selbst Hilfe aus dem Dorfe. Der Schwerverletzte wurde bewußtlos nach Hause gebracht und erlag in der Nacht seinen Verletzungen. Inwieweit den Reiter eine Schuld trifft, ist bis jetzt nicht zu ermitteln.
Ulm, 6. Juli. Gestern vorm, hielt hier der würti. Gerberverein seine Generalversammlung. Es hatten sich etwa 90 Gerbereibesitzer aus allen Teilen des Landes eingesunden. Der Vorstand des Vereins, G. D. Bantlin von Reutlingen, eröffnele die Versammlung mit einem Vortrag über die württ. Rindengewinnung und deren Handel. Gundert von Stuttgart berichtete über die Zollfragen, die die Gerber beschäftigen. Er empfahl den Beitritt zu dem vor 4 Wochen ins Leben getretenen Allg. deutschen Sohlleder- und Feinleder-Verein, was nach längerer Debatte auch beschlossen wurde; die dem Beitritt abgeneigten Redner hielten dafür, daß in einem solchen Verein nur die großen Fabrikanten das Wort führen und den Ausschlag geben. Die Vertreter von Backnang stellten den Antrag, dahin zu wirken, daß amerikanischer, englischer und belgischer Splitt so hoch wie Sohlleder besteuert werde, da die deutsche Oberleder-Industrie sonst ruiniert werde. Dieser Antrag fand einigen Widerspruch, in der Hauptsache jedoch Unterstützung. Noch nahm die Veffammlung einen Vortrag über die deutsche Gerberschule und Lchrgerberei in Freiberg i. S., sowie über das Rindenschäl-Geschäft in Ungarn und Frankreich ent
gegen. Ueber das Gesuch des Buchdruckers Liebet in Waldsee, der württ. Gerberverein möge das Fachblatt „Der süddeutsche Gerber" als Vereinsorgan wählen, wurde die Entscheidung dem Ausschuß Vorbehalten. Der Antrag, ein eigenes Vereinsorgan zu gründen, war vorher abgelehnt worden.
Ulm, 9. Juli. Gestern vormittag hat sich in Wullenstetten, Bez.-Amts Neu-Ulm, der Dr. Häring in seiner Wohnung vergiftet. Als dessen Frau dies bemerkte, ging sie ihm in sein Zimmer nach und trank den Rest des Giftes aus, so daß auch sie bald darauf starb. Motive unbekannt.
Beindreher Wielandt, der große Schädiger der Gewerbebank inSchwäbisch-Gmünd, wurde vom Ellwanger Schwurgericht wegen Bankerots, Betrugs und Fälschung zu der Zuchthausstrafe von 4 Jahren, seine Frau zu 2flijährigem Gefängnis verurteilt und ihnen 5 bzw. 2 Jahre Ehrverlust zuerkannt.
Brandfälle: Den 6. Juli: In Dorfmerkingen (Neresheim) das Wohnhaus des Taglöhners Michael Hieber, des Stiftungspflegers Anton Kaufmann, des Zimmermeisters Bullinger und des Georg Rupp, samt Stallungen und Oekonomiegebäuden.
München, 6. Juli. Der offizielle Saatenstandsbericht für das gesamte Königreich Bayern konstatiert: Der Verlauf des Monats Juni war sehr günstig. Das Wintcrgetreide steht dünn, das Sommergetreide durchweg vortrefflich, die Kartoffeln befriedigend, teilweise allerdings naßfaul. Das Wiesenheu ist trocken eingcbracht, Klee und Futterrüben sind gut, Reps ist mittelmäßig, Hopfen gut entwickelt. Die Obsternte wird reichlich. In den Weinbergeü machen sich die Frostschäden bemerkbar. Der Tabak hat günstig angesetzt. Hülsenfrüchte sind vorzüglich. In ganz Bayern steht eine gute Mittelernte zu erwarten.
München, 8. Juli. Oskar von Redwitz, der Dichter der „Amaranth" und des „Odilo", ist in der Heilanstalt Gilgenberg bei Bayreuth, wo er von seinem Nervenleiden Heilung suchte, gestern gestorben.
Würz bürg, 7. Juli. Fürst Bismarck wird nach der „A. Ztg." am 20. ds. in Bad Kissingen ein- treffen.
Der Schaden, der durch den in der mechanischen Weberei in Zittau ausgebrochenen Brand verursacht worden ist, beläuft sich auf Millionen Mark. Von den 423 aufgestellten Webstühlen sind 180 zerstört.
Doktor Eisenbart hat, wie die „Tägl. Rdsch." mitteilt, in der That gelebt. Eine zuverlässige Mitteilung ist hauptsächlich in einem Briefe des Theologen Hcumann an den Konsistorialrat Hauber in Bückeburg (Göttingen, den 10. Januar 1742) aufbewahrt; hierin heißt es u. a.: „In meiner Jugend lebte ein damals sehr bekannter Marktarzt, welcher auf allen Märkten herumzog. Ich habe ihn am Ende des vorigen Jahrhunderts, da ich zu Zeitz ein Schüler war, daselbst gesehen, als er mit großer Pracht aufgezogen kam, und nachdem er auf seine Schaubühne getreten war, seine Rede mit diesen Worten anfieng: „Hochgeehrteste Herren, ich bin der berühmte Eisenbart!" Ich habe aber schon das Ende seines Ruhmes erlebt und glaube, daß nach hundert Jahren niemand wissen wird, daß ein Marktschreier namens Eisenbart in der Welt gewesen." Im Allgemeinen steht so viel fest, daß Eisenbart ein von Ort zu Ort wandernder Heilkünstler, ein marktschreierischer Quacksalber und Zahnoperateur war, der bei keinem spec- takelvollen Treiben irgend eines Jahrmarktes fehlte, und der es verstand, durch seine Kunst mit Menschen umzugehen gewiß mehr als durch seine wissenschaftliche Befähigung sich zum wohlhabenden und angesehenen Manne emporzuschwingen. Das vielbewegte Leben des fahrenden Doktors fand seinen Abschluß in der Stadt Hannöversch-Münden, am Zusammenflüsse der Werra und Fulda. Wie das dortige Kirchenbuch meldet, ist er daselbst im Gasthause „Zum wilden Mann" nach nur fünftägiger Krankheit am 11. Nov. 1727 gestorben. Noch heute zeigt man im „Hessischen Hofe" (so nennt sich jetzt das frühere Gasthaus „Zum wilden Mann") das Zimmer, in welchem Eisenbart das Zeitliche gesegnet hat. Sein Grabstein, welcher an der Außenmauer der St. Blasiuskirche, in der Nähe des Bahnhofes, noch jetzt vorhanden ist, trägt folgende Inschrift: „Allhier ruhet in Gott der weiland hochedle, hocherfahrene, weltberühmte Herr Joh. Andreas Eisenbart, königlich großbritan
nischer und kurfürstlich Braunschweigisch-Lüneburgischer privilegierter Landarzt, wie auch königlich Preußischer Rat und Hofokulist von Magdeburg. Geboren Anno 1661. Gestorben 1727, den 11. November. Actatis 66 Jahre."
Hamburg, 8. Juli. Die Arbeiten für die Befestigung Helgolands beginnen demnächst.
Die „Berliner Volkstribüne" sieht sich veranlaßt, der bekannten von Vollmar'scheu Rede in München entgegenzutreten, indem sie in cynischer Weise gegen Dreibund, Militarismus ic. zu Felde zieht und die deutschen Soldaten in ihrer Treue gegen den obersten Kriegsherrn wankend zu machen versucht.
Sie schreibt: „Der Dreibund ist ein Kind der Verlegenheit; geschickter Faiseur, derer ist, hat Bismarck eine große Sache aus ihm zu machen gewußt und hat die Schwächen sehr geschickt verdeckt. Aber sehen wir uns doch die drei Krüppel an! Zum Kriegführen gehören drei Dinge: Geld, Lebensmittel und Soldaten. Nun, Deutschland hat Soldaten, und, wenn auch mit schweren Nöten, vielleicht Geld, wenn es zum Klappen kommt. Aber es hat nichts zu essen für seine Soldaten! Fragt man doch Herrn von Ca- privi, womit er seine Soldaten füttern werde, wenn jetzt ein Krieg ausbräche. — Oesterreich hat Soldaten und Lebensmittel, aber kein Geld. Italien aber ist überhaupt schon Pleite. Dieser ganze Dreibund ist keinen Dreier wert. Rußland dagegen hat Soldaten, hat einen Ueberfluß an Lebensmitteln und hat auch jetzt Geld. Schadet nichts, wenn es auch geborgtes Geld ist; für den Fall eines Krieges hat jedenfalls Rußland Geld in der Hand, während seine europäischen Gläubiger 'mit langen Gesichtern und zweifelhaften Schuldscheinen dastehen. Frankreich kann ebenfalls einem Kriege ruhig entgegensetzen, und so würde bei einem etwaigen französisch-russischen Bündnis gegen den Dreibund der Erfolg wenig zweifelhaft sein. Wir sind eine internationale Partei und treiben natürlich keine nationale Politik. Für uns handelt es sich um die Befreiung des Proletariats, die nur eine internationale sein kann. Deshalb sind wir Gegner der Kriege unter den europäischen Völkern, in welchen lediglich das Proletariat zur Ader gelassen wird, und welche die Kräfte unserer Gegner nur f
stärken. Allein einem Volke gegenüber können wir i
das Gefühl der internationalen Solidarität nicht hegen: dem russischen. Natürlich nicht des Volkes ^ wegen, sondern wegen der drohenden Gefahr, welche der russische Staat für unsere Absichten bedeutet. . . . Der moderne Militarismus hat einen !
kitzlichen Punkt: es handelt sich bei dem „Material", !
das er aufbraucht, um die Kinder des Volkes. Und ^
obgleich es ja natürlich ausgeschlossen ist, daß das !
Volk direkt da irgend etwas bestimmen kann — in- i
direkt kann es viel erreichen. Auf den, nicht >
guten, sondern besten Willen der Soldaten kommt !
doch zuletzt alles an, und es ist ein sehr großer Unterschied, namentlich bei der neuen Gefechtsmethode, die durch die veränderten Waffen notwendig wird, ,
ob der Soldat blos in den Krieg zieht, weil er auch, oder weil er mit seinem ganzen Herzen k ei der Sache ist. Hier wäre ein Punkt, von dem aus man eine Pression auf die Regierung ausüben könnte. Wenn man im Volk das Bewußtsein wachruft, daß es nicht als narionale Hammelheerde in den Krieg zieht, sondern zu seinem eigenen höchsten Wohl; wenn man also den Abscheu vor einem Krieg gegen Frankreich, das Verlangen nach einem Bündnis mit ihm erweckte, so würde das sicher seine Wirkung bei der Regierung haben. . . ."
Der Entwurf eines neuen sozialdemokratischen Parteiprogrammes, welches oie Parteileitung in diesen Tagen hat veröffentlichen lassen, erfreut sich nirgendwo einer besonderen Hochachtung. Ein Blatt schreibt sehr richtig, die ganzen sozialistischen Pläne glichen einem Vorschläge, eine Reise nach dem Mond zu machen. Aber wie man dort hinauf kommen sollte, das wisse Niemand. Und so wissen auch die Herren Bebel und Genossen selbst nicht, welches der Weg zu ihrer sozialdemokratischen Glückseligkeit ist.- Darauf kommt es aber in aller erster Reihe an.
Nach einem Beschluß des Bundesrates über Ausprägung von Reichs-Silbermünzen sollen etwa 7 Mill. Mark in silbernen Fünfmarkstücken, etwa dieselbe Summe in Zweimarkstücken und etwa 6 Mill. in Einmarkstücken geprägt werden, und die Verteilung ! dieser Prägung auf die einzelnen Münzstätten nach j den bisher: üblichen Prozentsätzen erfolgen. !