Stettin, 4. Mai. In unserer Nachbarstadt Altdamm brach heute eine Feuersbrunst aus. Bis jetzt wurden 150 Gebäude zerstört. Ein freiwilliger Feuerwehrmann wurde verschüttet; er ist tot.
Moltke's Nachfolger als Präsident der Landes« Verteidigunaskommission in Berlin soll, wie es heißt, der Feldmarschall Prinz Albrecht von Preußen, Regem von Braunschweig, werden. Der Prinz ist dem Range nach der zweite der deutschen Feldmarschälle. Rangältester ist der Feldmarschall Graf Blumenthal, General«Inspekteur der vierten deutschen Armee- Inspektion.
Freiberg a. d. Elbe, 4. Mai. Amtlich festgestelltes Ergebnis der Stichwahl. Abgegeben wurden 16 053 St.; Fürst Bismarck erhielt 10 549, Schmalfeld 5504.
Friedrichsruh, 2. Mai. Bismarck erklärte sich heute einer hannoverschen Abordnung gegenüber zur Annahme des Mandats definitiv bereit.
Fürst Bismarck hat die Wahl zum Reichstagsabgeordneten für den Wahlkreis Geestemünde angenommen. Der Fürst empfieng in Friedrichsruhe eine Deputation des Wahlkomitees und dankte für die ihm mit der Wahl erwiesene Ehre. Da die gegenwärtige Reichstagssession aller Voraussicht nach schon kommenden Sonnabend auf Grund einer Verständigung unter den Parteien und mit der Reichsregierung ihr Ende finden wird, so ist also vor dem Herbst ein Erscheinen des Abgeordneten Fürst Bis« marck im Parlament kaum zu erwarten. Bestimmt will ja der Fürst zum neuen Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn das Wort ergreifen.
Kriegsminister von Roon über Fürst Bismarck. Es werden jetzt Briefe des verstorbenen preußischen Kriegsministers, des Feldmarschalls Grafen Roon, über den Fürsten Bismarck veröffentlicht, die ziemliches Aufsehen erregen. Roon und Bismarck waren schon seit den fünfziger Jahren gute Freunde, das hindert aber Roon gar nicht, sich sehr scharf zu äußern. Der bemerkenswerteste dieser Briefe ist vom 16. Januar 1870 datiert und lautet: „Bismarck verkehrt mit den Geschäften wie vor Jahren, ist in den Ministersitzungen überaus lebhaft, spricht fast allein und scheint in dem alten Irrtum befangen, daß er durch geistige Regsamkeit und persönliche Liebenswürdigkeit alle Schwierigkeiten der Lage überwinden werde. Es wird daher auch mit den Nationalliberalen fortkokettiert und die alten Freunde und Gesinnungsgenossen werden ziemlich ignoriert. Er meint durch diplomatische Dialektik und menschliche Klugheit übrigens alle gewinnen und über den Gänsezucker führen zu können, redet mit den Konservativen konservativ und mit den Liberalen liberal, und bekundet durch dies alles entweder eine so souveräne Verachtung seiner Umgebungen oder so unbegreifliche Illusionen, daß mir dabei ganz graulich zu Sinne wird. Er will um jeden Preis möglich bleiben, jetzt und künftig, und zwar weil er wohl die Empfindung hat, daß der begonnene Bau unter dem Hohngelächter der Welt zusammenfällt, sobald er die Hand davon thut. Das ist auch nicht unrichtig, aber die Mittel zum Zwecke! Werden sie um seinetwillen geheiligt?
Der Pariser „Temps" veröffentlicht folgenden Brief, den Fürst Bismarck Moltke, nachdem dieser seines Postens als Generalstabschef enthoben und zum Präsidenten der Landesverteidigungskommission ernannt worden war, im August 1888 geschrieben haben soll: „Mein lieber Graf! S. M. der Kaiser, unser allergnädigster Herr, hat sowohl Ihre an ihn gerichteten Briefe vom 3. uud 10. August, sowie seine Antwort vom 9. August nebst Kabinetsordre vom 10. mir zu unterbreiten geruht. Ich fühle mich von Dankbarkeit durchdrungen für diese neue Aufmerksamkeit und ich erwartete auch nicht weniger von einem Souverän, von welchem man in Wahrheit sagen kann, daß die Kraft und die Weisheit bei ihm nicht auf die Zahl der Jahre gewartet haben. Ich sage dies, mein lieber Graf, nicht in Bezug auf die fragliche Korrespondenz, sondern für die Art und Weise, wie Se. Majestät die dem Vaterlande geleisteten Dienste zu belohnen weiß. Sie und ich, Herr Feldntarschall, wir sind, das muß man gestehen, sehv alte Diener der Monarchie; doch werden Sie mit mir anerkennen, daß unser Souverain mit uns nicht so verfährt, wie einige seiner Vorfahren gegenüber ihren Mitarbeitern. Ich wünsche mir Glück dazu, mein lieber Graf, daß ich bei der Neige meiner Jahre
im Rate unseres allergnädigsten Herrn den Mann finde, dem Deutschland einen großen Teil seiner Macht und seiner Größe verdankt, ebenso, wie ick» hoffe, daß Ew. Exzellenz wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft fortfahren, an den parlamentarischen Arbeiten des Reichstags und des Herrenhauses Teil zu nehmen. Indem ich Gott bitte, daß er Ihnen hiefür Gesundheit und eine genügende Zahl von Jahren darleihe, bitte ich Sie, mein lieber Graf, mich zugleich als Ihren aufrichtigsten Freund und glühenden Bewunderer zu betrachten." Wir müssen es dahin gestellt sein lassen, ob dieser interessante Brief ächt ist oder nicht; innere Gründe sprechen nicht dagegen.
Die „unverständigen Kritiken" werden mehr als je laut über den letzten großen Mann aus der hinter uns liegenden glorreichen Zeit, über unfern alten Reichskanzler, Fürsten Bismarck, der im harten Kampf gegen verbissene Gegner sich zur Wahl in Geestemünde stellte. Was gegenwärtig in den Herzen der treuesten und dankbarsten Deutschen sich regt, das hat ein wackerer Mann, Graf Adolf von Westarp, in einem Gedicht „An den Kaiser" mit zündenden Worten ausgerufen. Wir möchten unsere Leser auf diese herrliche und herzliche „deutsche Bitte" aufmerksam machen und setzen für diejenigen, denen das ganze Gedicht nicht zugänglich ist, etliche Strophen hieher:
Blick' hin nach Friedrichsruh: Dort sitzt verbittert, Vergrämt und einsam Deutschlands größter Sohn,
Der Mann, vor dem das Weltall einst gezittert,
Er baute auch den deutschen Kaiserthron!
Der Mann, der immer ohne Furchl und Wanken Für Deutschland cintrat in des Kampfes Schranken.
Du zürnst, o Kaiser, weil er duldend nimmer Und schweigend trägt sein Los, und weil er wagt,
Zu tadeln auch, mit freier Stirn, wie immer,
Was ihm an Deinem Wirken nicht behagt.
An dessen Lippen hing der Völker Lauschen,
Der soll mit Stummheit seinen Mund vertauschen.
Wie ward im Anfang ihm sein Ruf geschändet.
Wie ward gehetzt er ohne Ruh noch Rast!
Und als das Niegeschch'nc er vollendet.
Er ward verlästert, ward verfolgt, gehaßt.
Und tück'scher Bosheit wehrlos vreisgcgeben Umlauert feiger Meuchelmord sein Leben.
Ein Menschenalter führt' er seine Kriege Mit Neid und Rachsucht, Unverstand, Verrat,
Hohn ward und scheele Mißgunst jedem Siege Und falsche Deutung jeder großen That.
Daß der gehämmert ward zu Stein und Eisen, —
Den Seinen ist cs traurig zuzuweisen.
Denk' auch der Ahnen, Kaiser, denk des Vaters,
Des Heldengreises denk' im Siegerkranz,
Wie sie mit Treue pflegten ihres Raters,
Wie sie ihn ehrten in des Thrones Glanz —
Und — denke an das Urteil der Geschichte,
Ob nicht die Zukunft anders wäg' und richte!
Drum geh' zu ihm; er ist ein rauher Krieger,
Dem schäumend kocht das ungeberd'ge Blut;
Du bist noch jung, sei Deines Grolls Besieger,
Sei milde, Herr, sei edel, groß und gut.
Und hast Du auch des Rates ihn entlassen,
Des Kaisers Gnade mög' ihn neu umfassen.
Geh' hin, geh' hin zu ihm, reich' ihm die Rechte,
Drück' ihn ans Herz, den alten, wunden Mann.
Mit neuem Mut dann stell' dich dem Gefechte,
Flieg' auf daun, stolzer Adler, himmelan!
Und jubelnd wird's aus deutscher Brust erschallen:
Mit Dir, o Kaiser, siegen oder fallen!
Wir freuen uns dieser mannhaften Worte, sie ind Millionen von Deutschen aus dem Herzen geredet md es wäre Feigheit, dies zu verschweigen. Mögen eine ehrlichen und unehrlichen Gegner Bismarck chelten, da nun die kaiserliche Gnade von ihm gewichen ist; angesichts aller der haßerfüllten Angriffe auf ihn sei es laut gesagt: Jetzt lassen wir erst recht nicht von ihm, er hat Dank verdient und der soll ihm auch im Unglück werden!
Deutscher Reichstag. (Freitagssitzung.) Nach einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Lieber- mann und von Sonnenberg (Antisemit) und Münch (freis.) wird in die zweite Beratung der Novelle zum Branntweinteuergesetz eingetreten. Abg. Rickert (freis.) fordert die Aufhebung der grundlegenden Bestimmungen des heutigen Branntweinsteuergesetzes und bekämpfte das ganze Steuersystem als nachteilig. Abg. Graf Kleist (kons.) hielt an dem Steuersystem est, das im Interesse eines rentablen Kartoffelbaues unentbehrlich sei. Abg. Buhl (natlib.) meinte, daß es sich um die Förderung einer großen Produktion handle, und darum diese Steuergesetzgebung nicht so ohne Weiteres auf den Kopf gestellt werden könne. Staatssekretär v. Maltzahn erklärte, der freisinnige Antrag sei für die verbündeten Regierungen nicht annehmbar, denn zu einer so radikalen Umwälzung liege kein Grund vor. Abgg. von Schalscha und
Hug (Ltr.) sprachen sich im selben Sinne aus, worauf der Artikel 1 der Vorlage angenommen wird. Alsdann wird die Weiterberatung vertagt.
Deutscher Reichstag. (Sonnabcndsttzung.) Die zweite Beratung der Novelle zum Branntweinsteuergesetz wird fortgesetzt. Zum Artikel 2 der Vorlage stellt Abg. Lender (Ctr.) einen Abänderungsantrag im Interesse der kleinen süddeutschen Brauereien. Der Antrag findet den entschiedenen Widerspruch des Staatssekretärs v. Maltzahn, welcher darin eine Benachteiligung der nordeutfchen Brennereien erblickt, wird aber trotzdem angenommen. Artikel 3 der Vorlage wird in folgender Fassung genehmigt: der Zoll für aus dem Zollauslande eingehenden Branntwein beträgt vom 1. Juli 18Sl ab: I) für Liköre 180 für 100 Kilo; 2) für alle übrigen Branntweine s.) in Fässern 12S b) in Flaschen. Krügen oder andern Umschließungen 180 ^ pro 100 Kilo. Darauf wird noch eine Resolution des Abg. Barth (freis.) auf völlige Beseitigung der Maischbottich- und Branntweinmaterialsteuer beraten. Dieselbe wird abgelehnt. Hierauf wird der Handelsvertrag mit Marokko definitiv angenommen. Abg. Richter (freis.) kündigt hiebei an, er werde am Montag eine Anfrage an die Reichsregierrng richten, welche zollpolitischen Maßnahmen sie etwa veranlassen wolle, um der beunruhigenden Verteuerung des Getreides entgegenzutreten. Ebenfalls definitiv wird angenommen die internationale Vereinbarung über den Eisenbahnfrachtverkchr. Der Gesetzentwurf, betr. die Einführung eines Reichsschuldbuches wird in erster und zweiter Lesung debattelos angenommen.
Deutscher Reichstag. (Montagssitzung.) Auf eine Anfrage Richter's, was die Regierung gegenüber den in der letzten Zeit gesteigerten Getreidepreiseu zu thun beabsichtige, antwortete Staatssekretär v. Bötticher: Die Regierung könne im Augenblicke handelspolitische Transaktionen nicht debattieren, ob durch Zollmaßregeln Abhilfe zu schaffen sei. .Die Ernte- Aussichten hätten sich in den letzten Tagen wesentlich gebessert; falls der Getreidevorrat nicht genüge, werde die Regierung außerordentliche Maßregeln ergreifen, ohne die Interessen der Landwirtschaft zu vernachlässigen.
Eine Viertel-Million sozialistischer Flugblätter wurden, der „Krzztg." zufolge, in der letzten Nacht in Hamburg heimlich in die Häuser geschmuggelt. Die Verteilung soll über ganz Deutschland erfolgt sein. Belkerreich-Ungarn.
Wien, 3. Mai. Heute vormittag 11 Uhr fand die letzte Sitzung der Delegierten zu den deutschösterreichischen Handelsvertrags-Verhandlungen statt, in welcher der Vertrag paragraphiert wurde. Der Vorsitzende, Minister v. Szögyenyi, hob in kurzer Ansprache die wirtschaftliche uud politische Bedeutung des Vertrags hervor und dankte sämtlichen Teilnehmern für ihre unermüdliche Mitwirkung. Der Generalkonsul Wirklicher Geheimer Legatiosrat Jordan dankte namens der deutschen Delegierten.
In Budapest wurden 3000 bis 4000, in Bielitz 15000 Arbeiter, die am 1. Mai feierten, entlassen.
Belgien.
Brüssel, 4. Mai. Die Regierung wird heute die Einberufung der Reserven beschließen. Man be- ürchtet für heute den Ausstand von 80 000 Berg- euten.
Charleroi, 4. Mai. Die Kohlenzechen des hiesigen Beckens streiken vollständig; es sind über 30 000 Streikende. Die Ruhe wurde bisher gewahrt. Die Metallarbeiter nahmen die Arbeit wieder auf.
Griechenland.
Am Sonnabend wurde die Kronprinzessin Sophie von Griechenland, Schwester des deutschen Kaisers, in der orthodoxen Hofkapelle in Athen vom Metropoliten in Gegenwart der königlichen Familie, der heiligen Synode, des Premierministers nnd des Kultusministers konfirmiert. In allen Kirchen Griechenlands wurde ein Ted e um abgehalten. _
Handel «nd Berkehr.
Stuttgart, 4. Mai. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Kilogr.': Weizen bayer. 26 bis 25.10, Gerste ungarisch 20.50 bis -4! 20.75, Haber ^ 15.75 bis 17.
Stuttgart, 4. Mai. (Mehlbörse.) Suppcngries ^ 40, Mehl Nro. 0 39 bis 40, Nro. 1 ^ 37 bis
38, Nro. 2 35.50 bis 36.50, Nro. 3 ^ 32 bis
32.60, Nro. 4 ^ 27.50 bis 28.50, Kleie mit Sack 10.80 per 100 Kilo je nach Qualität.
Konkurseröffnungen. Georg Braun, Tuchmacher in Freudcnstadt. — Friedr. Votteler, Uhrmacher, daselbst. — Josef und Anna Maria Hecht, Bauers Eheleute in Stetten, Gemeinde Dettingen. — Hermann Lanz, Wirt und Oekonom zur Siebener Säge, Gemeinde Bolstern, und dessen Ehefrau Franziska geb. Häberle. — Bernhard Steybe zum Rößle in Jsny, OA. Wangen. _
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