Amts- und Intelligenz-Blatt für den Overamts-Bezirk Nagold.

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Samstag 2. Mai

1891 .

Amtliches.

Schul-Konferenz

in Simmersfeld, am Mittwoch d. 6. Mai, i0 Uhr, Schul-Lokal.

Tagesordnung einzeln bekannt gegeben.

Konferenzdircktor Wetzel.

Die erledigte Expeditorsstelle bei der Regierung für den Neckarkreis wurde dem Amtmann Marquart in Nagold unter Verleihung des Titels eines Sekretärs übertragen.

Hcrges-WeuigkerLen.

Deutsches Weich.

r Hochdorf. Gestern Abend wurde im Gast­haus zumHirsch" unter zahlreicher Beteiligung von Seiten der hiesigen Bürgerschaft der Abschied des auf die erste Schulstelle nach Pfalzgrafenweiler beförderten Lehrers Hebsacker gefeiert. Nachdem der Musikverein, abwechselnd mit dem Gesangverein, verschiedene Lieder vorgctragen hatte, ergriff der Herr Ortsschulinspektor das Wort, um in längerer ergrei­fender Rede die Verdienste des Herrn Hebsacker's während seines 4jährigen Wirkens in hiesiger Ge­meinde hervorzuhcben. Was er als Erzieher der Kinder, als reichbegabter Musiker, als Gemeindeglied stets opferwillig geleistet habe, bleibe jedem unver­gessen; ungern, ja sehr ungern sehe ihn die Gemeinde scheiden, doch könne sic seinem Glücke nicht im Wege sein und wünsche ihm anher allen Segen im neuen Wirkungskreis.

Berichtigung. In der Nachricht über das Ableben von Oberamtsbaumeistcr Braunbeck in Herrenberg ist statt O.A.-Wasenmeister O.A.-Weg- meister zu lesen.

Herrenberg, 28. April. Unsere Stadt hat estttn Abend einen geachteten und geschätzten Mit« ürger durch den Tod verloren. Mit Herz und Hand den nationalen Aufgaben ergeben, gründete er in Herrenberg vor Jahren einen Verein der Deut­schen Partei, der unter seiner umsichtigen und auf­opferungsvollen Leitung sich bis heute zu schöner Blüthe entwickelt hat. Ein wackerer Bürger scheidet mit ihm aus dem Leben, dem die Partei Herrenbergs und des ganzen Landes ein treues Andenken bewah­ren wird.

Aidlingen, 28. April. Durch endgiltigen Abschluß von gestern geht die Wagner'sche Bier« brauerei hier samt Oekonomie-, Wohn- und Wirt­schaftsgebäuden, sowie mit 5 Ausschankhäusern in Stuttgart, lebendes und totes Inventar mit inbe­griffen, von Jakobi dieses Jahrs an, durch Kauf an eine Bierbrauereigesellschaft in Stuttgart über. Der Kaufpreis beträgt 550 000 wovon auf das hie­sige Etablissement, welches in eine große Mälzerei umgewandelt werden soll, 150 000 ^ entfallen.

Brandfall: In Deckenpfronn (Calw) den 29. April, die Doppelscheuer des Karl Dongus und Chr. Hingel, 30. April das Haus des Chr. Paulus und B. Wacker in der Nähe des vorgenannten Brandplatzes.

Stuttgart, 28. April. (Landtag.) Nachdem die Re­gierung in der vorigen Etatsperiode je 1000000 os, zusammen 2000000 Staatsbeiträge zur Unterhaltung der Korpo- ratioNsstraßen exigiert und bewilligt bekommen hatte, belief fich ihre Exigenz dafür im Etat 1891/93 nur auf je 500000 Mark, zusammen auf 1000000 Mehrere Redner, wie v. Schad und Probst, hatten mit Rücksicht auf unsere Finanz­lage manches auch gegen die reduzierte Forderung einzü- wenden, welche man wieder auS Restmittelu bestreiten will, aber di» Mehrheit de» HmrseS bewilligte nicht nur die Exigenz, sondern'sprach der Regierung gegenüber auch noch die Be­

reitwilligkeit aus, wieder bis 2 000 000 wie pro 1889/90, zu bewilligen. Der Minister, welcher auch gegen die Per­manenz der Bewilligung solcher außerordentlicher Beiträge sich aussprach, aber der Bedrängnis der Gemeinden Rechnung trug und eine neue Wegeordnung in Aussicht stellte, sagte zu, die Nachexigenz, wenn die Mittel vorhanden, einzu­bringen Als dritte Rate für das Landesgewerbemuseum in Stuttgart genehmigte man 750000 und 180 000 zur Ausschmückung der König Karl-Halle, die zur Erinnerung an das 25jährige Regierungsjubiläum S. Maj. des Königs in jenem Gebäude errichtet werden soll. Der Bau einer Neckarbrücke von Stuttgart nach Cannstatt ward nur von dem Abg. Sterz angefochten, obwohl auch die Abgg. Schad und Probst prinzipiell gegen den Bau durch den Staat waren. Man genehmigte, die erste Baurate mit llz Mjll. Das ganze Bauwesen ist auf 1300 000 ^ veranschlagt, wozu Stuttgart und Cannstatt zusammen 290 000 bei­tragen.

Stuttgart, 28. April. Durch die Haussuch­ung bei dem hiesigen Verlagsbuchhändler Robert Lutz nach dem Manuskript des Verfassers der SchriftDer Fall Miller von einem aktiven Offizier beleuchtet" ist die Polizei demselben auf die Spur gekommen. Es soll ein Offizier der Garnison Ulm sein.

Stuttgart, 28. April. Die vom Stuttgarter Handelsverein veranstaltete Enquete zwecks möglichst allgemeiner Einführung der Sonntagsruhe in den hiesigen kaufmännischen Geschäften hat einen guten Erfolg zu verzeichnen. Unter 887 Firmen, welche die ausgegebenen Fragebogen beantworteten, haben sich 77l82°/o für Schließung ihrer Geschäftsräume am Sonntag ausgesprochen.

Ulm, 30. April. Die Stadt Ulm ließ durch Vermittlung des k. württ. Gesandten in Berlin einen prachtvollen Kranz am Sarge des Grafen Moltke niederlegcn.

Tuttlingen, 28. April. Anläßlich des Able­bens des Generalfeldmarschalls Grafen v. Moltke erachtete es der hiesige Veteranen-Verein als seine Pflicht, seinem unvergeßlichen Führer von 1870/71 einen Kranz auf das Grab legen zu lassen. Der Kranz, von kunstfertiger Hand aus Zweigen der Eibe, Fichte und Forche hergestellt, trägt auf der Schleife die Widmung:Den letzten Gruß bringen ihrem Generalfeldmarschall, Graf von Moltke, aus dem Schwarzwald die Veteranen Tuttlingens."

Frankfurt a. M., 29. April. Das Frankfurter Journal meldet aus Men: Die Zahl der Zechen, auf denen ein partieller Streik ausgebrochen ist, beträgt 43; ausständig find ca. 20 000 Mann. Die Üage bleibt zweifelhaft.

Berlin, 28. April. Die Trauerfeier für den Generalfeldmarschall Moltke im Generalstabsgebäude, die im engsten Kreis stattgefunden hat, war um b/412 Uhr beendet. Zunächst erschienen aus dem Haus die drei Fahnen des Colbergischen Regiments und die des Seebataillons, kurz darauf folgte der Sarg. Derselbe wurde unter dem üblichen Cere- moniell nach dem Leichenwagen gebracht, welchem sechs Rappen aus dem kgl. Marstall vorgespannt waren. Vor dem Leichenwagen schritt Oberstlieute- uaut v. Goßler mit dem Feldmarschallstab, sowie andere Offiziere des Generalstabs, welche OrdenS- insignien und Kränze trugen. Hinter dem Leichen­wagen ging der Kaffer mit dem König von Sachsen und den anderen deutschen Fürsten. Der Zug be­wegte sich um die Siegessäule herum nach dem Lehr­ter Bahnhof, wo er gegen 1 Uhr eintraf.

Berlin, 28. April. Die Tranerfeierlichkeiten zu Ehren Moltke's waren vom schönsten Wetter be­günstigt. Feldprobst Richter hielt, anknüpfend an den 90. Psalm:Sein Leben ist köstlich gewesen,

weil es Mühe und Arbeit war, sein Sterben köstlich,weil er zum Sterben bereit", ferner an die Stelle im 5. Buch Mose:Josua ward erfüllt mit dem Geiste der Weisheit, denn Mose hatte seine Hände auf ihn gelegt", die Trauerrede. Dieselbe besagt u. a.: Der Kaiser hat eine Armee verloren, aber er hat ihn in der Armee behalten für immer. Schließlich soll der große Ver­storbene noch einmal selbst zu uns reden; er schrieb zu seinem 80. Geburtstage:Ich stehe nahe am Ende meiner Lebenswege. Aber welcher ganz andere Maßstab als hier wird in einer künftigen Welt an unser irdisches Wirken gelegt werden! Nicht der Glanz des Erfolgs, sondern die Lauterkeit des Strebens und das treue Beharren in der Pflicht auch da, wo das Ergebnis kaum in die äußere Er­scheinung trat, wird den Wert eines Menschenlebens entscheiden. Welche merkwürdige Umrangierung von Hoch und Niedrig wird bei der großen Musterung vor sich gehen, wissen wir doch selbst nicht, was wir uns, was wir Andern oder einem höheren Willen zuzuschreiben haben. Es wird gut sein, äußeren Beziehungen nicht zu viel in Rechnung zu stellen." So denkt ein Weiser, ein Mann, ein Christ. Wer so stirbt, der stirbt wohl!

Kreisau, 29. April. Der Sonderzug mit Moltke's Leiche ist soeben hier eingetroffen. Das Wetter ist unbeständig. Eine große Zuschauermenge hatte sich eingefunden. 20 Reichstagsaba. geleiteten den Sarg. Es sind dies u. a. von der Reichspartei Frhr. v. Gültlingen; vom Zentrum Graf Adel­mann; von den Nationalliberalen die Abgg. v. Ben­nigsen, Dr. v. Marquardsen und Holtzmann.

Berlin. Den Neffen des Feldmarschalls Moltke, der lange Jahre sein Adjutant war und jetzt sein Erbe ist, hat der Kaiser heute zu seinem Flügelad­jutanten ernannt.

Das erhebende Schauspiel vom 26. Okt. 1890, wo Fürsten und Vvlk ihrer Verehrung und Dank­barkeit für den 90jährigen Generalfeldmarschall Moltke den höchsten Ausdruck gegeben haben, hat sich an der Bahre des Heimgegangenen wiederholt : Die höch­sten Ehren, welche das Deutsche Reich zu erweisen vermag, sind dem großen Toten zu Teil geworden, die Trauer des ganzen Volkes hat ihn zur Gruft geleitet. Wohl nie in der Geschichte ist ein Soldat aus dem Leben gegangen , an dessen Sarg sich in solcher Weise die ausnahmslose Verehrung des eige­nen Volkes, die bewundernde Huldigung des Aus­landes und die Achtung des Feindes vereint haben. Der Platz, welchen er im Leben wie im Bewußtsein des Volkes eingenommen hat, wird in so ruhmvoller Weise schwerlich je wieder ausgefüllt werden.

Moltke und Bismarck unwillkürlich denkt man bei dem Tode Moltkes an das Verhältnis beider. Einzelne Stimmen haben es dem Fürsten Bismarck übel genommen, daß er seinem großen Genossen zum 90. Geburtstag nicht persönlich gratuliert hat. Moltke gehört nicht zu den Uebelnehmern; es ist ja bekannt, daß die Bismarcksche Glückwunsch-Depesche die einzige war, die der Jubilar mitten im Jubel und Trubel auf der Stelle beantwortet hat. Und als man 1885 in Berlin zu der unvergleichlichen Geburtstagsfeier Bismarcks rüstete, da sagte Bis­marck im Reichstag:Wollen Sie den Mann sehen, dem wir die Wiederherstellung des Deutschen Reiches verdanken, dann blicken Sie dorthin!" Er wies auf Moltke, dessen Bescheidenheit fast in Verlegenheit kam.