Natur, sondern nur die, welche im allgemeinen Interesse liegen, berücksichtigt werden. Das sind die Thatsachen, so ist heute unsere innere Lage. Wer darin Verhältnisse sieht, die Gott weiß wohin führen müssen, der hat die Brille des Vorurteils vor den Augen, aber schaut nicht auf Thatsachen.
Berlin, 13. Febr. Dem „Reichsanz." zufolge beauftragte der Kaiser den Staatssekretär v. Bosse mit der Stellvertretung des Reichskanzlers im Bereich der Justizverwaltung.
Berlin. Ueber die bevorstehenden großen Anleihen macht die „Nat.-Ztg." folgende Mitteilungen: Die Reichs- und preußische Regierung werden unmittelbar nach der Mitte dieses Monats 3prozentige Reichs- und preußische Anleihen in ungefährem Betrage von 450 Millionen ^ ausgeben. Es dürfte auf jede der beiden Finanzverwaltungen die Hälfte kommen. Seit sehr langer Zeit ist es das erste Mal, daß die Regierungen direkt an das Publikum durch öffentliche Auflage der Anleihen appellieren werden. Die Anleihen sollen in Stücken bis auf 150 ^ herab bei einer großen Anzahl von Zeichnungsstellen aufgelegt werden und zwar zu einem Kurse, der unter 85 Prozent bleibt, so daß die Verzinsung der Anleihe sich über 3 ft- Prozent stellt. Es werden für die llebernahme von Zeichnungen außer der staatlichen Behandlung, den preußischen Regierungskassen, der Reichshauptbank, den Reichs- bankhauprstellen, Reichsbankstellen auch solche Nebenstellen der Reichsbank in Anspruch genommen werden, welche mit Kassenhaltung fungieren. Außerdem wird eine große Anzahl angesehener Banken und Bankhäuser in Berlin, in den Provinzen Preußens und in den deutschen Bundesstaaten, in letzteren natürlich nur für die Auflage der Reichsanleihe, herangezogen werden, um ihre Dienste der Subskription zu widmen, so daß etwa 70 solcher Emsionsstellen in Funktion trete. Es wird also dafür gesorgt, daß dem Privatkapital in allen seinen Schichten möglichste Bequemlichkeit in Bezug auf seine Beteiligung an der Subskription geboten wird. Auch die Fristen der Einzahlung werden so weit und aus solche Termine verlegt, daß sie die Geldmärkte nicht beengen. Angesichts der bevorstehenden Auflage der Anleihe ist auch versucht, derselben durch Verbreitung von allerlei Sensationsgerüchten Steine in den Weg zu werfen. Zu diesen Gerüchten gehört auch die lügenhafte Angabe, daß sich die bisherigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Dentschen Reiche und Rußland erheblich verschlechtert hätten. Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." in einem ersichtlich aus dem Auswärtigen Amt herrührenden Artikel konstatiert, ist an allen diesen Redereien kein wahres Wort, und es ist bedauerlich, daß solche müßigen Flunkereien überhaupt in Umlauf gesetzt werden.
Berlin, 4. Febr. Dem Reichstag ist die Berechnung der Matrikularbeiträge zugegangen. Danach ergiebt sich für 1891/92 eine Summe von 322 623505 Mark an Matrikularbeiträgen, d. h. gegen den Ansatz für 1890/91 ein Mehr von 20 451 078 Auf die einzelnen Staaten verteilt sich die Summe folgendermaßen: Preußen 188 611 473 ^ (ft-
12087316 Bayern 41 942 653^ (ft- 2277986 Sachsen 21 187 847 (ft- 1358192 .k), Württemberg 15 620 685 ^ (ft- 1 052 226 ^), Baden 11 859 391 (-s- 856 063 <4L), Hessen
6 371 722 -/A (ft- 408 000 ^), Elsaß-Lothringen 11 602 934 (ft- 785 200 ^), Hamburg 3 454 200 Mark (-s- 221 300 ^l), Mecklenburg-Schwerin 3 830 724 (ft- 245 000 ^l), Braunschweig 2 480 600 ^l(ft- 158000 ^l), Oldenburg 2 274 683 Mark (-s- 145 000 ^), Anhalt 1 652 877 (ft- >05 000 ,,/L), Sachsen-Weimar 2 090 997 ^ (ft- 134 000 u. s. w.
Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt eine neue Kundgebung über die Sperrgeldervorlage, in welcher ausgeführt wird, daß die Regierung in kleinen Dingen nachgeben könne, wenn sie nur in großen Fragen an den bestehenden Prinzipien festhalte. Die evangelische Kirche verliere bet Annahme der Sperrgeldervorlage nichts, verdrießlich sein könnten höchstens einige politische Rechthaber, welche den Triumph ihrer persönlichen Ansichten allen Erwägungen des Gemeinwohles voransetzcn.
Berlin, 14. Febr. Mit welch' freudiger Zustimmung die Sozialdemokraten auf die revolutionären Erhebungen in fremden Staaten blicken, zeigen folgende zwei Ltcllen aus der Wochenübersicht der
letzten Nummer der Berliner „Volks-Tribüne": „Aus allen Ecken und Enden kommen Nachrichten, welche darthun, daß das Volk es einmal mit etwas ande- rem, als der ewig zuwartenden Geduld versuchen will. In Portugal, und zwar in Oporto, einer Stadt, jedem durstigen Geldsack theuer, weil von dorther der schwere köstliche Portwein kommt, brach in den letzten Tagen des Januar ein republikanischer Aufstand los. Zwei Regimenter Linientruppen und eine Menge „Zivilisten,," marschirten nach dem Stadthause und besetzten es. Gleichzeitig sollte auch in anderen Städten die Bewegung losbrechen. Das war aber nicht der Fall, und so wurde der Aufstand in kurzer Zeit niedergeschlagen, den republikanischen Zeitungen des ganzen Landes das Lebenslicht ausgeblasen, das Kriegsgericht hat seine Thä- tigkeit begonnen. Noch einmal also hat die Monarchie in diesem Lande triumphiert; sie wird nie mehr in die Lage kommen, Jubellieder anzustimmen." — „In Belgien passierte etwas Aehnliches. Einige hundert eingezogene Milizsoldaten aller Waffengattungen fanden, daß man sie zu lange bei der Fahne halte und beschlossen kurzerhand, in ihre Heimat, zu ihrer Arbeit zurückzukehren. Als man ihnen auf den Brüsseler Bahnhöfen keine Fahrkarten ausfolgte, zogen sie demonstrierend durch die Straßen und begaben sich nach dem Versammlungslokal der Sozia-, listen. Die belgische Regierung läßt melden, daß sie diesen Frevel in sehr harter Weise bestrafen werde. Mag sein, sie hat ja noch vorläufig die Macht dazu. Wirb aber alles nichts helfen. Und wenn man die Straßen der Weltgeschichte auch noch so sehr mit Menschengebein pflastert und die Geldsäcke leimt mit Menschenblut und Menschenschweiß, die Bewegung, welche jetzt durch die Lande zieht, wird man nicht aufhalten. Den Kopf hoch, Proletarier, dein ist die Welt, trotz alledem."
Berlin. Zum Koch'schen Mittel schreibt die „Post": Innerhalb der letzten 4 Wochen hat sich in dem öffentlichen Urteil über dieses Heilverfahren ein Umschwung vollzogen, wie es krasser nicht gedacht werden kann. Wer hätte das wohl vermutet, daß dieses Heilverfahren, das mit so beispielloser Begeisterung von der ganzen zivilisierten Welt ausgenommen worden ist, in so kurzer Zeit eine so yerbe, eine so abfällige Kritik erfahren werde! Und diesen Verlauf der Dinge hat ein einziger Mann, Prof. Virchow, herbeigeführt. Obwohl noch keiner seiner engeren Fachgenossen seine Beobachtungen und seine Auffassung dieser Beobachtungen bestätigt hat, so hat diese es doch aber zu Stande gebracht, daß man seine Worte einfach als Thatsachen hingenommen und dementsprechend nun Schlußfolgerungen gemacht hat. Es ist soweit gekommen, daß die Ausübung des Koch'schen Heilverfahrens im Auslande nicht nur verschiedentlich von Aerzten öffentlich verpönt, sondern auch von behördlicher Seite verboten worden ist. Es ist nicht zu verwundern, daß, nachdem die Sympathien der Aerzte für das neue Heilverfahren auf den Gefrierpunkt herabgesunken sind, auch die Laien viel, von ihrem Vertrauen verloren haben und sich als Versuchsobjekte dafür — denn als solche betrachten sich bei dem jetzigen Stande der Angelegenheit alle darnach behandelten Kranken — nicht mehr hergeben wollen. Es ist auch That- sache, daß gegenwärtig in Berlin nicht nur mit weit weniger Eifer, sondern auch überhaupt viel weniger mit der Koch'schen Lymphe gespritzt wird, als vor wenigen Wochen. Mit Recht sagt daher Pro^. Fürbringer, daß man über einen gewissen Argwohn nicht hinauskomme. Der Vicchow'schen Auffassung hat bisher von ärztlicher Seite nur Pros. Weisser in Breslau zu widersprechen gewagt; oie nächste Zukunft wird ja zeigen, ob und inwieweit Vcrchow mit seinen Behauptungen Recht hat. Wie sich übrigens auch die Zukunft des Koch'schen Heilver ahreus ge- stellen mag, so viel stehr fest und wird unumwunden anerkannt, daß Prof. Koch als Erster ein Heilmittel gefunden hat, welches eine spezifische Wirkung auf das tuberkulöse Gewebe ausübt. Diese -rchatsache sichert ihm und seiner Entdeckung einen ewigen Ruhm, und wenn er auch das wirklich verwendbare Heilmittel gegen diese entsetzliche Geißel der Menschheit nicht gefundeu haben sollte, so ist er auf dem besten Wege dazu, welchen er selbst oder die künftige Generation in der Wissenschaft wird eifrig verfolgen müssen, wenn sic an jenes hohe Ziel menschlichen Strcbens gelangen wollen.
Berlin, 13. Febr. 'Nach einer Mitteilung des „Reichsanzeigers" sind bei den Vorständen sämtlicher Altersrenten-Versicherungs-Anstalten im Januar 27,897 Ansprüche auf Gewährung der Altersrente erhoben worden. Hiervon wurden im Laufe des Januar 5331 anerkannt, 238 zurückgewiesen.
Aus Spandau wird der Fr. Ztg. gemeldet: Die königliche Gewehrfabrik kündigte heute ca. 500 Arbeitern.
In Ko bürg, so berichtet die Dorfzeitung, soll den Amseln der Vernichtungs-Krieg angekündigt werden. Dies dürfte doch schnurstracks dem Reichsgesetz vom 22. März 1888 entgegenlaufen und noch mehr dem Wunsch aller, die sich am Vogelfang erfreuen! Schreibt doch Brehm in seinem Buch über das Leben der Vögel: „Die Amsel bringt uns keinen Schaden, sondern Nutzen; sie erhebt und erfreut jedes Menschenherz, schon ehe der Frühling über das Land kommt; sie belebt und schmückt Wald und Garten; warum sollte man sie also verfolgen? Hat sie doch ohnehin schon Feinde genug am Raubzeug, welches immer würgt und mordet." (Nach eigenen Erfahrungen können wir unsererseits Mitteilen, daß der Streit über die Nützlichkeit oder die Schädlichkeit der Amsel ungefähr ebenso weit gediehen st, wie der über die Nützlichkeit oder die Schädlichkeit des Dachses. Thatsache ist jedenfalls, daß die Amsel nicht nur die Eier, sondern auch die junge Brut kleiner Vögel als Nahrung liebt. In Gärten, in denen viele Amseln nisten, kommt kein anderer Singvogel auf.)
Der Streik der Zigarrenarbeiter in Hamburg, der Mitte Dezember begonnen hat, hat jetzt sein Ende erreicht. In einer großen Veisammlung wurde beschlossen, jedem Streikenden anheimzustellen, den Revers des Vereins der Zigarrenfabrikanten vom Jahre 1890 zu unterschreiben.
Delterreich-Angarn.
Professor Dr. Schröter in Wien hat sich jüngst so abfällig über das Koch'sche Mittel geäußert, daß er sich sogar zu dem Satze verflieg, er könne keinem Kranken gegenwärtig den Gebrauch anraten. Ganz entgegengesetzt lautet das Urteil des Professors v. Ziemssen in München, der mit dem Koch'schen Mittel sehr günstige Resultate erzielt hat. Anläßlich der Obduktion eines nach wiederholten Injektionen verstorbenen Schwindsuchtskranken erörterte derselbe auch die Frage, ob in der That in schweren Fällen von Lungenschwindsucht wegen der Gefahr der Verschleppung von Bazillen die Anwendung Koch'scher Lymphe nicht möglich sei. Nach seiner Ansicht liege eine Gefahr nicht vor, er habe im Gegenteil bei sehr schweren Fällen, so bei zwei Fällen von tuberkulöser Hirnhautentzündung, durch Anwendung des Mittels äußerst günstige Resultate erzielt. Die Herren Aerzte haben selbst jedenfalls noch lange genug an dem Koch'schen Mittel zu studieren, um die denselben inne wohnenden Rätsel zu lösen. — Professor Koch reiste nach Konstantinopel.
Wien, 14. Febr. Die italienische Regierung zeigt dem hiesigen Kabinette an, die neue Regierung wolle treu ihre Bundesverpflichtungen erfüllen. Eine ähnliche Note ist auch in Berlin eingetroffen.
Frankreich.
Paris, 6. Febr. Wie alles, so ist auch in Frankreich das Köpfen für den Staat sehr teuer. Das Kapitel, Hinrichtungen im Budget der Rechts- pflege beläuft sich auf 62 500 Fr. Von dieser Summe erhalten die Scharfrichter und ihre Gehilfen 42 500; die Hinrichtungskosten betragen 2000; ehemalige Scharfrichter, deren Witwen und Kinder erhalten Pensionen von zus. 18 000 Fr. Der Pariser Scharfrichter Deibler, sowie sein Kollege in Algier beziehen ein Jahresgehalt von je 12 000 Fr. Die ersten Gehilfen ein solches von 6000 Fr. Deibler hat ständig 4 Gehilfen, zu welchem bei Doppelhinrichtungen noch zwei weitere kommen, welche für ihre Hilfeleistung 20 Fr. erhalten.
Aus Paris: Die irische Parlamentspartei hat am Donnerstag Parnell in Acht und Bann erklärt, weil der letztere sich immer wieder weigert, auf die gemachten Ausgleichsverträge einzugehen. Parnell veröffentlicht ein heftiges Gegenmanifest, worin er erklärt, daß nur seine Anhänger allein Irlands Wohl im Auge hätten.
Italien.
Herr Crispi ist seit seinem Rücktritt wieder Advokat in Rom, da er großes eigenes Vermögen