Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

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Donnerstag den 2. Februar

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1888 .

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Laut Erlaß des K. Konsistoriums v om 27. Jan. haben im VollmachtSnameu Sr. Majestät des Königs der Prinz Wilhelm auzuordncu geruht, daß die erste Heiscrsstelle in Tübingen als 2. Stadtpfarramt bezeichnet werde, wonach dem jeweiligen Inhaber dieser Stelle derzeit Oberhelfer El süße r fortan der Titel eines Stadtpfarr ers z nkom mt.

Tages-Kerrigkeiten.

Deutsches Reich.

Calw, 28. Jan. Das Geschäft der Ausschei­dung des evang. Kirchenvermögens ist im hies. Bezirk im vollen Gang. In der Oberamtsstadt ist von Stiftungsrat, Stadtrat und Bürgerausschuß die Ausscheidung mit Einstimmigkeit beschlossen worden. Es mag dabei die Rücksicht auf methodistische und katholische Mitbürger mit in die Wagschale gefallen sein. Aber auch in den Landorten, wo, von der klei­nen Tempelsekte abgesehen, eine konfessionelle Mischung kaum vorhanden ist, wird von Stellung eines Antrags auf Zulassung der Ausnahmebestimmung des Art. 92 nur spärlich Gebrauch gemacht. Die Ueberzeugung dringt eben immer mehr durch, daß die durchs Gesetz dargebotene Gelegenheit für die evangelischen Gemein­den, in kirchlicher Stellung eine klare rechtliche Stel­lung zu gewinnen, den bisherigen unklaren und ver­alteten Zuständen gegenüber als eine Wohlthat zu betrachten ist.

Es bestätigt sich, daß für die Landtagsabgeord­netenstelle in Rottenburg Rechtsanwalt Hosmei- st er von Tübingen von einflußreicher Seite her auf­gefordert wurde, als Bewerber aufzutreten. Derselbe hat erklärt, daß er zwar bereit sei, sein Programm vor den Wählern zu entwickeln, zum Eintreten in eine Wahlagitation aber weder Zeit noch Lust habe. Die Volkspartei hat Gust. Holz Herr, Gem.-Rat in Rottenburg, als den Mann ihres Vertrauens bezeich­net. Von Klerikal-Konservativen ist Reg.-Rat Bel­li no von Reutlingen, welcher von Rottenburg ge­bürtig und Bürger daselbst ist, als künftiger Abgeord­neter ins Auge gefaßt.

Stuttgart, 26. Jan. (Landtag.) Die bei jeder Etatsberatung in den letzten Jahren zu Tage tretenden Kla­gen darüber, daß die württ. Militärverwaltung bei ihren An­käufen von Bespannungsmatcrial unsere einheimische Pferde­zucht vernachlässigt, fanden aufs Neue Ausdruck in einer heute von einigen Abgeordneten ans dem Oberland (Egger, Rapp, v. Bagnats, Rath, v. Uhl) an den Kricgsminister ge­richteten Interpellation, welche, gestützt auf die Thatsache, daß man neuerdings mit einigen Ankäufen einheimischer Pferde sei­tens der Militärverwaltung sehr wohl zufrieden ist, die Er­richtung von Depots für Militärpferde befürwortet, wo die jungen Pferde unter Leitung sachverständiger Militärs ange- kauft werden. Was die heutigen Beratungen anbelangt, so wurden die beiden Ausführungsgesetze zu den Reichsgesetzcn, betr. die Unfall- und Krankenversicherung der land- und forst­wirtschaftlichen Arbeiter, sowie der bei Bauten beschäftigten Personen ohne weitere Erörterungen erledigt und beide Ge­setze einstimmig angenommen. Der gestern von der Tages­ordnung abgesetzte Antrag der Kommission auf Einbringung eines Entwurfs, betr. die Einführung einer obligatorischen Krankenversicherung für land- und forstwirtschaftliche Arbei­ter, rief heute noch eine längere Debatte hervor. Der Abg. Hang gehörte zu den wenigen Mitgliedern des hohen Hau­ses, welche dem Antrag kühl gegenüber standen. Die ganze Sache, über welche man sich überhaupt noch nicht recht klar fei, habe keine große Eile, und man solle der Regierung, ohne sie zu drängen, das Weitere überlassen. Käme cs zu der Krankenversicherung der genannten Arbeiterkategorien, so solle man die Form der Gemcindekrankenkassen wählen. Sachs

! ist ein warmer Fürsprecher des Antrags und führte des Wci- i tercn aus, daß die Vorurteile der Arbeiter gegen die Kran- kenkasscn ganz im Schwinden begriffen feien, dabei die Er­richtung von Krankenhäusern in allen Bezirken empfehlend. Gegen seine Forderung, daß man, wenn einmal die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter den Gemeindekrankenkassen eingewiesen, auch die Dienstboten diesen Kassen zuteilen solle, macht der Minister v. Schmid gewisse Bedenken geltend, besonders mit Rücksicht darauf, daß, da der Lohn der Dienstboten auch während ihrer Krankheit fortlaufe, leicht Simulationen Vorkommen könnten. Den Wünschen nach Zu­sammenlegung der verschiedenen Arten von Krankenkassen will der Minister auch insoweit entgegenkommcn, als hier durch die reichsgesetzlichen Bestimmungen keine Schranken gesetzt werden. Im klebrigen verdienten die Krankenkassen alle För­derung, denn besonders auf dem Lande dienten sie dazu, die sozialdemokratische Bewegung fern zu halten. Schließlich ward der Antrag der Kommission mit 77 gegen die Stimmen der Abgg. Denthcr, Egelhaaf und Schürer angenommen. Die Kammer vertagte sich bis Dienstag Nachmittag, um dann die Beratung über die Zwangsenteigmmgsvorlage zu beginnen.

Stuttgart, 27. Jan. (Landrag.) Die Kammer der Abgeordneten trat heute in die Beratung des Ausführungs- gesetzcs zum Reichsgesetze betr. die Unfall- und Krankenver­sicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben be­schäftigten Personen ein. Zu einem Anträge der Kommission, welcher dahin geht, die Bitte an die kgl. Regierung zu richten, dieselbe möge einen die obligatorische Krankenversicherung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter regelnden Gesetzent- ^ Wurf einbringen, sprach sich der Minister des Innern v. Schmid in einer längeren Rede im Allgemeinen znstimmend aus. Er nannte die Krankenversicherung das Fundament der sozialpo­litischen Gesetzgebung, wie man derselben auch von Reichswe­gen eine hohe Bedeutung beilege. Sehr eingehend ventilierte der Minister sodann die Frage deS Verhältnisses der Landcs- gcsctzgcbung zum Reichsgesctze. Die Frage, ob die landesgc- sctzliche Krankenversicherung auf sämtliche Dienstboten, länd­liche wie städtische, auszudehnen sei, bejaht der Minister, wel­cher sodann noch verschiedene Mitteilungen über die Durch­führung der verschiedenen Zweige der Reichskrankenversicherung in Württemberg machte und dabei zu dem Schluß kommt, daß die Krankenversicherung noch nicht in wünschenswerter Weise in Württemberg dnrchgeführt sei. Wenn in dem vor­liegenden Gesetzentwurf von der reichsgesetzlichen Befugnis der Einführung der Krankenversicherung kein Gebrauch gemacht worden ist, so rühre dies daher, daß man früher der Ansicht war, man solle weder einen direkten oder indirekten Zwang auf die Krankenversicherung ausübcn. Der Minister läßt es dahin gestellt, ob dieser Standpunkt der richtige war, jeden­falls wiesen die Verhältnisse früher auf die Notwendigkeit der Krankenversicherung noch nicht so notwendig hin. Die Ungleichheit der Durchführung der Krankenversicherung in den einzelnen Bezirken führt der Minister auf innere Gründe zu­rück. Was die Stellung eines neuen Krankenversicherungsge­setzes für die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter zu den vorhandenen reichsgesetzlichen und landesgesetzlichcn Bestim­mungen anbelangt, so müsse dieselbe eine rein subsidiäre sein. Am Schlüsse seiner auf allen Seiten des hohen Hauses lau­ten Beifall hervorrufendcn Ausführungen betonte der Mini­ster noch, daß Württemberg, welches auf dem Felde der christ­lichen Charitas an der Spitze der deutschen Bundesstaaten stehe, auch in der vorliegenden Frage seinen Beruf erfassen werde. Um den Fraktionen Zeit zu lassen, die Ausführun­gen des Ministers in Erwägung zu ziehen, wird die Kran­kenversicherungsfrage von der Tagesordnung abgesetzt. Die Einzelbcratung der oben genannten Vorlage rief im Allge­meinen keine besonders lebhaften Erörterungen hervor. Sei­tens des Abg. Hang ward der Wunsch geäußert, es möchte nur eine Berufsgcnoffenschaft für das ganze Land mit Sek­tionen für je einen Obcramtsbczirk gebildet werden; doch ent­schied sich die Majorität für die Bildung von vier Berufsge­nossenschaften (für jeden Kreis eine). Während der Ent­wurf aussprach, daß der Vorsitzende einer Berufsgenossenschaft (ein vom Ministerium ernannter Beamter) aus der Genossen­schaftskasse für seine Dienstleistung belohnt werden soll, hatte die Kommission beantragt, daß die Belohnung aus derStaats­kasse" zu erfolgen habe. Das Plenum fand die Begründung dieses Antrages jedoch nicht stichhaltig und lehnte ihn jedoch zu Gunsten des Entwurfes ab. Morgen wird die Beratung des Unfallvcrsicherungsgesetzes zu Ende gehen.

Stuttgart, 28. Jan. Nach dem an die Ständc- kammcr erstatteten Bericht betrug auf Grund einer am 16. Jan. d. I. vorgenommenen Kassenrevision an diesem Tage die Staatsschuld 424070018 74 -4. Bei der Umwandlung

des 4pzproz. .Anlehens im Jahre 1876177 im Betrag von 19209500 -6 in ein 4proz. wurde ein Köursgewinn von 278142 .6 erzielt.

Bon der badischen Grenze, 28. Jan. Der Mörder Greiner, welcher am 19. November in Jm- mendingen mehrfachen Mord verübte, ist vom Schwur­gericht zu Konstanz zum Tode verurteilt worden.

In Würzburg haben die Sattler von der Militärbehörde die Anfertigung von 80000 Sattel­taschen und einigen 1000 Tornistern erhalten. Ab­lieferung 1. April.

Straß bürg, 28. Janr. Wegen Verdachts des Landesverrats sind gestern der hiesige Färberei- besitzer Appel und der Apotheter Giraed in Schirmeck verhaftet worden. Beide beschäftigten sich mit Brief­taubenzucht. Die Tauben wurden in Beschlag ge­nommen.

(Deutscher Reichstag). Am Donnerstag hatte der Reichstag einen weiteren Teil des Militäretats unverän­dert nach den Kommissionsvorschlägcn angenommen. Am Freitag wurde die erste Beratung des Sozialistengesetzes be­gonnen. Abg. Singer fSoz.f behauptete in einer leiden­schaftlichen Rede, die Sozialisten hätten keinen Grund zur Schaffung des Gesetzes gegeben, welches höchst ungerecht aus­geführt werde. Das Sozialistengesetz habe nur den Anarchis­mus hervorgcbracht. Die Regierung unterhalte Polizeispitzel, welche zu anarchistischen Verbrechen aufreizten. Zwei Agen­ten, besonders Haupt und Schröder, hätten in Zürich dies zugcstanden, der dortige Polizeihauptmann Fischer hätte Be­bel und ihm dies brieflich mitgeteilt. Wohin sollten denn die aus dem Reiche Ausgewicsenen hingehen? Kein Staat ^ werde sie aufnchmen. Eine solche Gesetzgebung fei eine ! Schande. Redner wird für diese Aeußerung vom Präsiden- ! ten zur Ordnung gerufen. Minister von Puttkamer erklärt l sehr entschieden, die Regierung müsse Leute zur Aufspürung ! anarchistischer Verbrechen haben. Diese Leute möchten, bc- ! sonders im Anslande, nicht immer Gentlemen sein, sie wür- i den bezahlt und leisteten ihre Dienste. Von einer Aufhetzung i zu Verbrechen fei aber absolut keine Rede, das sei eine fixe ' Idee der Sozialisten. Der Agent Haupt habe seine Mittci- ! langen unter dem Druck von Drohungen gemacht, er sei von ! einem Haufen Sozialdemokraten überfallen worden. Uner- I hört sei es, daß der Untersuchungsrichter in Zürich vor Schluß ^ der Untersuchung Mitteilungen gemacht. Er werde den Rcichs- > kanzler ersticken, bei der Schweiz deshalb ernste Beschwerde zu erheben. Das Sozialistengesetz habe seinen Zweck erfüllt, in- ! dem cs alle Ausschreitungen verhinderte. Auf dem Kongreß iu St. Gallen sei der revolutionäre Charakter der Sozialde- ^ mokratie unverhüllt zu Tage getreten, man könne sich ihr ! doch nicht mit gebundenen Händen überliefern. Die Sozial­demokratie nehme eine so ausnahmsweise Stellung ein, daß , auch außerordentliche Mittel geboten wären. Um allgemeine ^ Gefahren zu verhüten, seien einige Härten nicht nur nötig, sondern sogar nützlich. Abg. Reichenspcrger (Zentrums er­klärt, er werde gegen die Verlängerung des Gesetzes stimmen, das eine dauernde Einrichtung nicht werden dürfe. Vielmehr ^ sei zum gemeinen Gesetz zurückzukehren. Darauf wird die Ver­handlung auf Sonnabend 11 Uhr vertagt. (Sonnabends. Die erste Beratung des Sozialistengesetzes wird fortgesetzt. Abg. v. Hclldorf (kons.s hält den revolutionären Charakter der Sozialdemokratie für erwiesen, außerordentliche Maßre­geln seien mithin auch gerechtfertigt. Redner verteidigt die Sozialreform des Reiches, die trotz der Angriffe der Sozial­demokraten immer mehr Anerkennung gewinne. Die Sozia­listen seien anerkannte Gegner des Reichs, das also auch vol­les Recht habe, seinen Feinden entgegen zu treten. Sächsi­scher Bundesbevollmäcktigtcr Geh.-Rat Held verteidigt die Vorlage, welche sich nicht gegen die Person der Sozialdemo­kraten, sondern gegen deren Umsturzbestrebungcn richte. Die vorgeschlagene Reichsausweisung sei durchaus keine ungerechte Maßnahme. Wenn die Sozialdemokraten nichts vom deutschen Reiche wissen wollen, könnten sie sich auch nicht beklagen, wenn sic darnach behandelt würden. Abg. Bamberger (freis.s er­klärt sich gegen das Ausnahmegesetz, es müsse zur ordentlichen Gesetzgebung zurückgekehrt werden. Kein einziger anderer Staat habe auch eine solche Gesetzgebung für notwendig ge­halten. Die Sozialrcform werde nichts gegen die Sozialde­mokraten ausrichtcn, die ganz andere Ziele habe. Minister v. Puttkamer antwortet, der Vorredner habe die Sache nicht mit dem Ernste behandelt, den sie verdiene. Daß die freisinnige Partei gegen die Vorlage sei, sei erklärlich; ohne die Sozial­demokraten würde sie einem Baume gleichen, von welchem die letzten Blätter fallen. (Abg. Richter ruft: Was sind Sie ohne den Reichskanzler?j Er, der Minister habe keinen an­deren Ehrgeiz, als der Mitarbeiter an einer so großen na­tionalen Politik, wie der des Reichskanzlers, zu sein. (Bravo rechts!) Der Minister befürwortet die Vorlage unter Hin-