Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

^ Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners-! ^ tag nnd Samstag, und kostet vierteljährlich hier j-

/Vo 1 ^ (ohne Trägerlohn) 80 4, in dem Bezirk 1^ 4,

! außerhalb des Bezirks 1 20 4. Monats­

abonnement nach Verhältnis.

Samstag den 15. Mtober

Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge°! wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 4,! ^ bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen! 1 spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der! _R.OO» » Herausgabe des BlatteS der Druckerei aufgegeben! sein.

Gestorben: In Stuttgart Oberstlieutcnant a. D. Julius v. Sonntag; der frühere Mitbesitzer der jetzigen Vereinsbrauerei Rittergutsbesitzer G. Zimmermann; zu Leonberg der in allen Teilen der Erde wohlbekannte Hunde­züchter Heinrich Essig, 79 I. a.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

* Nagold, 13. Okt. Auf den Höhen unse­rer Gegend und besonders im hintern Wald hatte sich gestern der erste Schnee eingestellt; in letzterer! Gegend hatte er bis 3 Zoll hoch die Fluren bedeckt. Uebrigens liest man in den Blättern aus vielen Ge­genden des Landes das gleiche Naturereignis.

Friedrichshafen, 10. Okt. Maschinenin­genieur Daimler aus Stuttgart-Cannstatt ist, nach demScebl.", hieher gekommen, um auf dem See Probefahrten mit Schraubendampfern auszuführen, die nach seiner Erfindung konstruiert sind und die durch Verbrennung von Petroleum getrieben werden. Schon am Samstag nachmittag wurde mit dem größer» der beiden Boote, das 10 Personen aufnehmen kann, eine Fahrt nach Langenargen unternommen und die 8 Kilometer lauge Strecke in 48 Minuten zurückge­legt; die Geschwindigkeit kann noch gesteigert und diejenige der großen Dampfer, deren Fahrzeit bis Langenargen 25 Minuten beträgt, erreicht werden. Und der Bctriebsaufwand stellte sich auf 7 Pfennig für verbrauchtes Petroleum! Gestern morgen beim herrlichsten Wetter wurde mit beiden Booten manö- veriert; in dem größeren hatten 5, in dem kleineren 2 Herren Platz genommen; schon nach 2 Minuten war die Lauffähigkeit hergestellt und wie Pfeile schos­sen die beiden Dinger zum Hafen hinaus gegen das K. Schloß. Am dortigen Hafen war der ganze Hof­staat versammelt und sah den interessanten Bewe­gungen mit sichtlichem Interesse zu; darauf aufmerk­sam geworden, erschien auch I. M. die Königin, ließ sich den Herrn Daimler vorstellen und seine Erfin­dung von ihm erklären. Vergnügt über die sehr ge­lungene Vorstellung kehrten die Teilnehmer der Probe­fahrt nach dem Hafen zurück. Es kann nicht fehlen, daß der neuen Erfindung eine bedeutende Zukunft bevorsteht: die Lauffähigkeit fast ohne Vorbereitung, die Raschheit der Bewegungen, die außerordentliche Billigkeit des Betriebs sind allzu einleuchtende Vorteile.

Brandfälle: In Schussenried (Waldsee) am 10. ds. ein von 5 Familien bewohntes Haus.

Berlin, 11. Okt. Sicherem Vernehmen nach wird die deutsche Regierung keine Schiffe nach Mar- rokko senden, sondern die englische Regierung bitten, Vorkommendenfalls dort den Schutz der deutschen Reichsangehörigen wahrzunehmen.

Berlin, 11. Okt. Heute Nachmittag 2 Uhr fand das Begräbnis des Generals v. Kirchbachauf dem Matthäi-Kirchhofe statt. Vor dem Sarge standen drei Tabourets mit Ordenskiffen. Der Kronprinz und die Kronprinzessin hatten Kränze gesandt. Im Auf­träge des Kaisers waren General v. Rauch und Ma- , jor v. Messen, im Austrage des Kronprinzen die Ma­jore v. Kessel, v. Lyncker und v. Rabe erschienen. Die Generalität war vollzählig erschienen. Hofpre­diger Frommel hielt die Trauerrede.

Berlin, 12. Okt. Das Berl. Tagebl. erhält aus London, wohin Dr. Mackenzie jetzt zurückgekehrt ist,authentische Nachrichten über den Dtsch. Kron­prinzen, dessen chronischer Kehlkopfkatarrh Neigung zu akuter Luftröhrenentzündung zeige, an welcher der Kronprinz zuletzt in Toblach litt. Daher sei ein südlicheres Klima nötig gewesen. Die Hauptaufgabe der Aerzte sei die Verhütung einer abermaligen Luft­

röhrenentzündung. Enthaltung vom Sprechen sei ge­boten. Das Allgemeinbefinden sei gut.

Berlin. Wie verlautet, soll Graudenz mit Rücksicht auf unsere Nachbarn im Osten wieder zur Festung erhoben werden. Eine Reihe von General- stabs-Ossizieren, sowie der Chef des Ingenieur-Korps und General-Inspektor der Festungen v. Stichle be­sichtigten kürzlich in eingehendster Weise die Umge­gend der Stadt. Um Graudenz soll ein Kranz von Fort? errichtet werden. In Thorn, bekanntlich eine Festung ersten Ranges, werden gegenMrtig 6 neue Forts bezw. Zwischenforts erbaut.

Der preußische Unterrichtsminister hat folgende Zirkularverfügung erlassen : Die ungewöhn­liche Steigerung der Pensionszahlung für Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen veranlaßt mich, der königlichen Regierung nachdrücklich zur Pflicht zu machen, die Versetzung der Lehrer in den Ruhestand nur bei vorliegender zwingender Notwen­digkeit eintreten zu lassen, da sonst nicht nur eine übermäßige Belastung der Staatskasse mit Pensions­zahlungen, sondern auch ernstliche Schwierigkeiten für die Besetzung frei werdenden Stellen erwartet wer­den müssen.

Ein Berichterstatter eines Hamburger Blattes hat jetzt auch den Reisebegleiter und Sekre­tär des Ministerpräsidenten Crispi, Herrn Pisani, in Rom interviewt und versichert, folgendes von ihm gehört zu haben:Herr Pisani teilte mir mit, daß er seinen Chef mit noch mehreren Beamten des Ministeriums des Auswärtigen nach Friedrichs­ruhe begleitet habe, daß er nicht Worte genug finden könne, um die Liebenswürdigkeit zu beschreiben, mit welcher Fürst Bismarck seine Gäste empfing:Ich habe mir, so erzählte Herr Pisani, in dem Fürsten Bismarck einen sehr ernsten, strengen Herrn vorge­stellt, dem es schwer fällt, seinen Mund zum Lächeln zu zwingen. Und wie ganz anders fand ich ihn. Er ist ein Menschenfreund im wahren Sinne des Wortes, welchem der Biedersinn aus den Augen ! leuchtet. Ich werde nie die schönen Stunden verges- ! sen, welche mir auf seinem Landschloffe zuzubringen ! vergönnt waren."

Arolsen, 9. Okt. Ihre K. Hoh. Prinz und ! Prinzessin Wilhelm von Württemberg weilen seit ! einigen Tagen zum Besuch am hiesigen fürstl. Hofe. Prinzessin Wilhelm hat morgen ihr Geburtsfest. Zur Feier desselben fand heute abend militärischer Zapfen­streich und Musikständchen vor dem Schlosse statt.

Die ungleiche SchreibweiseCoburg" undKoburg" ist nun durch herzoglich coburgische ministerielle Anordnung in Coburg" abgeändert worden.

Schweiz.

In der S ch w eiz sind noch immer rohe Aus- ! schreitungen gegen die Heilsarmee an der Tagesord- ! nung, ohne daß die Behörden ihre Pflicht und Schul- ! digkeit erfüllen würden. So brach in Waadtland in ' Saint-Croix am Sonntag den 2. d. eine Bande Betrun­kener in eine Versammlung der Heilsarmee ein, riß den Hauptmann Perrenoud unter Mißhandlungen ! und Schlägen aus dem Lokal, und verfolgte ihn auf der Straße, bis es ihm gelang, in ein Nachbarhaus ^ zu entkommen. Weder das zahlreich herbeigeströmte ^ Publikum, noch die Polizei oder sonstige Behörden ! sahen sich veranlaßt, gegen die Skandalszene einzu­schreiten.

Frankreich.

In der Affaire Caffarel werden immer neue Verhaftungen vorgenommen. Der Skandal scheint , noch lange nicht zu Ende zu sein. Der Polizeiagent

Kreittmayr sagt in einem Briefe, er habe bei der Limousin ein Schreiben Wilson's, des Schwiegersoh­nes des Präsidenten Grevy gesehen, in dem eS heißt, daß Wilson mit der Limousin nicht mehr Geschäfte machen wolle, da sie nicht genug Umsatz habe. Die Limousin habe darauf bemerkt, Wilson verlange für die Beschaffung des Ordens der Ehrenlegion 50000 Franken, ihr General thue es aber schon für 25 000. Die saubere Gesellschaft handelte auch mit tunesischen Orden. - Die Verhaftung des Generals Jung, des ehemaligen Gehilfen Boulangers im Kriegsministerium, soll aus dieser Angelegenheit ebenfalls bevorstehen. Auch Briese des Prinzen von Hanau finden sich bei der Limousin.

Paris, 10. Okt. Der General Caffarel ist 58 Jahr alt, Sohn des Generals Caffarel. Sein Aeußeres wird als klein und dick beschrieben. Caffa­rel hatte die Witwe eines reichen Papier-Fabrikanten geheiratet, die ihm eine Mitgift von 800000 Frks. mitbrachte. Die Summe war indessen rasch verzehrt. Der Gehalt des Generals betrug 15000 Franks. Er verfiel rasch in Schulden, spielte in den Klubs und an der Börse; bei mehreren Börsenagenten, die ! sich auf seine hohe Stellung verließen, hat er starke ! Dekouverts; den größten Teil der Gelder, die durch ! seine Hände gingen, nahmen ihm die Frauenzimmer, mit denen er Verhältnisse hatte. Er ging so weit, einer jungenSchönheit" Blankowechsel zu unter­schreiben, eine andere hielt er mit 15000 Franks jährlich aus. Die Blankowechsel waren in die Hände Limousin gefallen, die sie als kostbares Pfand be- ! wahrte. Caffarel hatte in den letzten Tagen einen i Wagen mit Pferden für 12 000 Franks auf Kredit i gekauft und alsbald für 6000 Franks baar weiter ! verkauft. Eine größere Anzahl von Militär-Liese- ! ranken hatten Wechsel des Generals acceptiert, der ! denselben bei Verfall nicht gerecht werden konnte.

! Dadurch wurde man höheren Orts auf Caffarel auf- ^ merksam; eine geheime Untersuchung wurde angestellt,

! welche den ganzen Skandal an den Tag brachte.

! DieFrance" beschuldigt als Grundursache des Uebels die deutschen Bierwirtschaften in Paris! durch welche harmlose Offiziere in das Garn deutscher Spione gelockt würden!! Ein Gendarmeriezahlmei­ster aus Meziäres, der mit der Kaffe durchgegangen ist, wird als von den Deutschen erkaufter Spion ne­ben Caffarel gestellt. Madame Limousin rühmt sich besonderer Intimität mit dem gewesenen Kriegsmini­ster Thibaudin.

Paris, 11. Okt. Die unter dem Vorsitz des Generals Saussier einberufene militärische Untersu­chungs-Kommission wird etwa in 3 Tagen ihr Urteil abgeben, ob General Caffarel gegen die militärische ! Ehre gehandelt habe. Ferron ließ alle Akten und ! Dokumente untersuchen, die Caffarell in Händen ge- ! habt; es wurde indeß keine Lücke entdeckt. Wilson ! erklärt, daß er für den Gatten der Limousin, der ! aus seinem Departement stammt, vergebliche Schritte ! für eine Anstellung gethan und dies der Frau Limou- ! sin in einer Audienz mitgeteilt habe.

! Paris, 12. Okt. Ein Mitarbeiter der Na- ! tion veröffentlicht einen Bericht über eine lange Un­terredung mit General Boulanger, der erklärt habe,

! seine Beziehungen zu Madame Limousin beschränkten ! sich darauf, daß er sie einmal empfangen habe, weil > sie wichtige Mitteilungen geben zu können, behauptet ^ hatte; er habe sich jedoch bald verabschiedet, weil sie : ihm nichts besonderes zu sagen hatte. Ferner erklärte ^ Boulanger, Kreittmayr und die übrigen Angeklagten ! niemals gesehen zu haben. Er tadelt die Haltung