Konstanz, 9. Okt. Gestern abend um 8 Uhr rannte unweit des HafenS von Lindau der nach Bregenz auslaufende österreichische DampferHabs­burg" dem einlaufenden bayerischen DampferStadt Lindau" in die Flanke und schnitt dieselbe durch, so daß dieStadt Lindau" sofort sank. Von den (an­geblich 11) Passagieren derStadt Lindau" werden 3 (angeblich 1 Mann. 1 Frau und 1 Mädchen) ver­mißt. Das Schiff liegt in einer Tiefe von 56 Metern. DieHabsburg" trug erhebliche Verletzun­gen an der Schale davon, konnte aber heute früh nach Bregenz übergeführt werden.

München, 6. Okt. Die Plenarversammlung des General-Komite's des landwirtschaftlichen Vereins beschloß mit großer Mehrheit, eine Vorstellung an die Regierung umausgiebige" Zollerhöhung auf landwirtschaftliche Produkte, besonders Getreide. Der Referent hatte einemäßige" Erhöhung beantragt.

Wie aus Elsaß berichtet wird, ist der Bür­germeister von Saargemünd, der Großindustrielle Jaunez seines Amtes entsetzt worden. Derselbe war vom Statthalter v. Manteuffel sogar zum Staatsrat ernannt worden, ließ sich aber durch alle Ehren nicht zur deutschen Gesinnung bekehren; in seiner Gegend hieß er wegen seines Auftretens wie derMagdeb. Ztg." berichtet wird, der Vizekönig von Lothringen. Das Amt eines Staatsrats ist ihm schon früher vom Fürsten Hohenlohe entzogen.

Straßburg, 6. Okt. Wie dasEls.Journ." meldet, ist dasSiocle" in Elsaß-Lothringen verbo­ten worden; dieses Blatt zählte im Reichslande etwa 500 Abonnenten. Eine gleiche Maßregel ist auch gegen dieLanterne" ergriffen worden.

In Sachen des letzten Grenzkonfliktes ist jetzt das ganze Aktenmaterial dem allein zuständigen Militärgericht übergeben, welches den Jäger Kauf­mann abzurteilen haben wird. Bis zum Urteilsspruch wird mindestens noch eine Woche vergehen.

Hamburg, 8. Okt. Seitens einer Kame­runer Faktorei sind demHamburger Korresponden­ten" Nachrichten über eine militärische Expedition zu­gegangen. die gegen zwei Häuptlinge gerichtet war. Dieselben hatten sich verschiedene Unrechtmäßigkeiten zu Schulden kommen lassen. Der Expedition, aus 60 Mann vomHabicht" und vomCyklop" be­stehend, gelang es nicht, die Strafsumme einzuziehen, zu der die Häuptlinge verurteilt waren, deshalb wur­den zwei Dörfer zerstört. Nachträglich sollen die Häuptlinge sich zur Abzahlung der Strafsumme er­boten und bereits eine Anzahlung geleistet haben.

Ueber das Befinden des Kronprinzen geht demB. B. C." von einer ärztlichen Autorität die folgende, vom 5. ds. datierte Mitteilung zu: Der Kronprinz ist seit zirka sieben bis acht Wochen Gott­lob ohne Rezidiv der Geschwulst, die bekanntlich in einer gewöhnlichen Warzenbildung besteht, welche irr­tümlich für Krebswucherung angesehen ward, deren Natur aber durch die unvergleichlich zuverlässigen Untersuchungen unseres Virchow für gutartig erklärt worden ist. Die Behandlung Sr. kaiserlichen Hoheit besteht jetzt nur in Einblasungen von Wismut-Pul­ver, und es ist, wie schon gesagt, seit etwa zwei Mo­naten der Zustand gut geblieben, also wahrscheinlich ein Rückfall überhaupt nicht mehr zu befürchten. Der Kronprinz sieht vortrefflich aus, seine Stimme ist nicht so stark wie sie war, aber immerhin laut und hat einen gewissen Klang. Wenn noch Zweifel be­stehen über den zu wählenden Aufenthalt, so liegen diese begreiflicherweise nicht allein im Zustande des Kronprinzen; es soll ein mildes, gleichmäßiges feuch­tes Klima ausgesucht werden, ein Ort, wo dem hohen Patienten nicht viel zu sprechen Gelegenheit geboten wird und der auch keinen solchen Naturereignissen ausgesctzt ist. wie sie im vorigen Jahre die Riviera verwüsteten. Einstweilen ist für den Aufenthalt Ba- oeno, wie bekannt, in Aussicht genommen. Wenn das Wetter es erfordert, und die Zeit der Erdbeben vor­über ist, wird dann an der italienischen Küste ein Platz ausgcwählt werden. Hoffentlich ist dann im Mai die Reizbarkeit der Kehlkopfschleimhaut vollstän­dig gehoben, so daß der Kronprinz wieder nach Pots­dam übersiedeln kann.

Berlin. Wie von allen Seiten bestätigt wird, hat der Besuch Crispi's in Friedrichsruh in Paris wie Petersburg gewaltig verschnupft, da ein engerer Anschluß Italiens an Deutschland als abge- than betrachtet wurde. ,Jn England dagegen hat der Besuch um so angenehmer berührt, als die Ziele der mitteleuropäischen Mächte mit denen Englands zu­

sammenlaufen. DerStandard" spricht sogar die Hoffnung aus, der großartige Plan eines mitteleu­ropäischen Zollvereins, der die Nachteile, die dem Schutzzollsystem wie allem in der Welt anhafte und Rußlands Prohibitivsystem unschädlich machen werde, mit dem Bündnis seiner Verwirklichung um ein Gu­tes näher gerückt zu sehen. Es ist wohl möglich, daß die heutige deutsch-österreichische Staatskunst diese Zoll-Einigung im Auge hat, allein die Schwierigkei­ten, die sich einem derartigen Ziel entgegenstellen, sind so bedeütend, daß guter Wille allein nicht aus­reichend ist, sie zu beseitigen. Ob unter diesen Um­ständen Rußland bezüglich seiner bulgarischen Pläne sich der Auffassung der mitteleuropäischen Mächte anschließen wird, mag dahingestellt bleiben. Tat­sächlich sind die Aussichten auf den Frieden größer und dagegen Frankreichs Revanchehoffnungen kleiner geworden.

Berlin, 6. Aug. DieNordd. Mg. Ztg." feiert mit warmen Worten die Zusammenkunft des Reichskanzlers und Crispis als einen neuen Beweis der alterprobten Freundschaft der beiderseitigen Herr­scher und Völker und ihren friedlichen Bestrebungen. Der Besuch Crispis ergab die volle Uebereinstimmung der beiden Staatsmänner in der Entschlossenheit, ver­eint mit Oesterreich den Frieden zu erhalten, einen europäischen Krieg nach Möglichkeit zu verhindern und im Falle der Notwendigkeit gemeinsam abzu­wehren.

Crispi hat schon 1870, als der Krieg mit Frankreich vor der Thüre stand, Deutschland einen wichtigen Dienst geleistet. Viktor Emanuel, der mit Napoleon verschwägert war und große Sympathien für Frankreich hatte, war entschlossen, ihm zur Hilfe zu ziehen. Auch die Minister waren dafür. Da wandte sich Bennigsen (und einige andere) an Crispi, der schon damals großen Einfluß hatte, und ersuchten ihn, Italien vom Krieg zurückzuhalten. Und es ge­lang ihm, indem die ganze Linke des Parlaments aus dem Parlament auszutreten drohte, wenn die Regie­rung mit Frankreich gemeinschaftliche Sache mache. Als Deutschland siegte, marschierte das italienische Heer nach Rom und machte dieses zu seiner Hauptstadt.

Gerüchte wollen wissen, auch der englische Mi­nister Lord Salisbury werde Bismarckin Fried­richsruh aufsuchen.

Berliner Zeitungen vermuten, daß der abgesetzte König Malietoa von Samoa nach Deutschland werde gebracht werden, wie s. Z. der Zulu Ketsch- wajo nach England gebracht wurdeals lebendiger Zeuge der Macht des europäischen Landes, welches der kurzsichtige und schlecht unterrichtete Ausländer zu befeinden gewagt bat.

Görlitz, 6. Okt. General v. Kirchbachist gestorben. Im deutsch-französischen Kriege führte Kirchbach das 5. Armeekorps und eröffnete die Reihe der deutschm Siege mit dem glänzenden Gefechte bei Weißenburg, in dessen Verlaufe er selbst eine Schul­terverwundung davontrug. Die Erstürmung von Wörth (6. August) erfolgte ebenfalls unter seiner persönlichen Mitwirkung.

Zur Förderung der Germanisierung in den polnischen Landesteilen sind aus dem Liegnitzer Lehrer­seminar 11 Seminaristen nach dem Seminar zu Ra- witsch versetzt worden. Jeder von ihnen erhielt an Reise- und Equipierungsgeldern 125 Mark. Eine gleiche Versetzung hat auch aus dem Seminar zu Sagen stattgefunden.

Schweiz.

Unterm 5. wird der St. Galler Tagespresse berichtet: Gestern haben die Ortsbehörden vonStrau- benzcll und die Kantonspolizei angefangen, dem So- zialisten-Kongresse ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Wirt Niek habe den Herren Sozialisten erklärt, daß er die Geheimthuerei nicht weiter dulde und daß sie das Haus zu verlassen hätten. Daraufhin er­schlossen sich die Pforten des Versammlungslokales und es soll erklärt worden sein, Beamte, die sich als solche ausmeisen, hätten Zutritt.

St. Gallen, 7. Okt. Der Sozialistcn-Kon- greß schloß mit der Ankündigung eines internationa­len Arbeiterkongresses für 1888 und der Verurteilung des Anarchismus und der Theorie der Gewalt.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 7. Okt. Der König Milan ist heute früh inooAniro aus Gleichenberg in Baden augekom­men. Er wurde von der Königin Natalie und dem Kronprinzen am Bahnhof herzlich empfangen. Das

Königspaar umarmte und küßte sich und fuhr in die Billa der Königin. Abends trifft Milan in Wien ein, wo er einige Tage verbleibt. Man glaubt, daß eine Ausgleichung der Gegensätze im Zuge ist.

Wien, 8. Okt. Die WienerAllgemeine Zei­tung" erhielt eine Depesche, nach welcher Großfürst Nikolaus seine äußerste Entrüstung über seinen angeblichen Toast bekunde. DerFigaro" habe seine Worte stark übertrieben, (s. Paris.)

Frankreich.

Während einige französische Blätter ver­suchen, die Bedeutung der Reise Crispi's herabzusetzen, sind die meisten von ihrer großen Bedeutung über­zeugt. Auch gestehen sie jetzt, daß mau im Ernste nicht wohl annehmen könne, die Begegnung habe nur oder doch hauptsächlich wegen der römischen Frage stattgefunden. Im Gegensätze zu den Regierungs­blättern, die ihren Verdruß zu verbergen suchen, fal­len die Radikalen wütend über Crispi und Italien her, denen sie z. B. folgende Liebenswürdigkeiten widmen: Crispi treibt einvilain motisri«; Bismarck hat für Italien eine besondere Verachtung; er be­handelt dies Land alsMädchen für Alles" , ohne es zu bezahlen; er behandelt die gegenwärtigen Staatsleiter, wie sie es verdienen; er pfeift und sie eilen herbei und rufenwelche Ehre!" Das thut er nicht für die schönen Augen einer Militärmacht, die immer geschlagen wird und Crispi hat sein Va­terland gedemütigt.

Die französischen Kammern sollen am 25. Oktober wieder zusammentreten. An Schwierig­keiten und heftigen Auftritten wird es in der außer­ordentlichen Session nicht fehlen, dafür sorgt schon der Budgetausschuß reichlich. Um die Rechte zu är­gern, hat dieser Ausschuß die Posten für die Geist­lichen an den Kollegien und Lyzeen gestrichen; dies wird zu heftigen Kämpfen führen. Auch der Marine- minister ist mit seinen Kreditverminderungen so un­zufrieden, daß wieder stark von seinem Rücktritt die Rede ist. Die Radikalen werden sich aber schwerlich abhalten lassen, durch Ansturm gegen die Republik Grevy's sich aus ihrer jetzigen Verlegenheit zu be­freien undihre Macht zu zeigen".

Paris, 6. Okt. Die .BlätterSoleil" und La Paix" besprechen die marokkanische Frage und heben hervor, keine Partei Frankreichs beabsichtige, Marokko für Frankreich zu beanspruchen. Die ,,^e- publique franqaise" meint, Andere dächten vielleicht daran, dann werde aber Frankreich gezwungen sein, ein Wort mitzusprechen.

Paris, 7. Okt. Der deutsche Botschafter Graf Münster hat heute nachmittag dem Minister des Auswärtigen, Herrn Flourens, einen Cheque über 50000 Mark überreicht, welchen Betrag die deutsche Reichsregierung der Witwe der erschossenen Brignon als Entschädigung gewährt hat. Gleichzeitig hat Graf Münster eine Note übergeben, worin der Ausdruck des größten Bedauerns wiederholt und hinzugefügt wird, daß die Schuldfrage des Jägers Kaufmann der Entscheidung des Gerichtes unterliege.

Paris, 7. Okt. Die Journale bringen den angeblich authentischen Text des Toastes, welchen der Großfürst Nicolas Michaelowitsch bei dem Abschieds­essen an Bord des französischen SteamersUruguay" ausbrachte und worin der Großfürst Frankreich er­muntert, die.Revanche vorzubereiten, und schließlich erklärt, er werde selbst im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland in die Reihen der französischen Armee eintretcn. Es liegt auf der Hand, daß der Großfürst eine solche Unvorsichtigkeit nicht oder wenigstens nicht nüchtern gesprochen hat. (Siehe oben Wien.)

Paris, 8. Okt. DieAgence Havas" glaubt zu wissen, daß die Aeußerungen über die Beziehungen zwischen Rußland und Frankreich, welche die Zeitun­gen dem Großfürsten Nikolaus indem auf dem französischen Packetboote Uruguay ansgebrachten Toaste zuschrieben, unrichtig seien. Der Großfürst habe ein­fach auf Frankreich getoastet und den Offizieren des Packetboots gedankt.

Paris, 7. Okt. Die Witwe Brignon hat das Anerbieten Rochefort's, die deutsche Entschädigung durch den Ertrag einer Sammlung zu ersetzen, ent­schieden zurückgewiesen.

In Paris ist General Caffarel, der dem Generalstab des Kriegsministers angehörte, plötzlich abgesetzt worden, weil er mit dem Orden der Ehren­legion Handel trieb und in dringendem Verdacht steht,