Stuttgart, 26. Sept. Bei dem heutigen zweiten imd letztmaligen öffentlichen Aufstreich wurde das Charlottcn- bad, das zu 251960 «6 veranschlagt ist, von dem Schwager des bisherigen Besitzers, Wollfabrikant Nothwanger in Pforzheim, um 163300 Mark erworben. Auf dem Anwesen haften 215 910 Mark Schulden. Auf das im Sonnenberg gelegene Landhaus des Kaufmanns Wilhelm Reichardt, das zu 72 500 ^ veranschlagt ist, bot ein auswärtiger Pfand­gläubiger 10 000 -^l.

Bekämpfung derTrunksucht durchdie Gesetzgebung. Eine der ersten Aufgaben, welche sich der deutsche Verein gegen den Mißbrauch geisti­ger Getränke nach seiner Entstehung gestellt hat, die höhere Besteuerung des Branntweins, ist durch das im Oktober d. I. in Kraft tretende Gesetz für eine Reihe von Jahren in befriedigender Weise gelöst und damit auch die Möglichkeit, gesundheitsschädliche Branntweine aus dem Verkehr zu beseitigen, eröffnet worden. Die Bestrebungen des Vereins auf gesetz­liche Beschränkung der Zahl der Branntweinschänken haben schon in dem vorigen Reichstage insofern einen günstigen Boden gefunden, als der Bericht der Pe­titionskommission entschieden sich für dieselben ausge­sprochen hat und darf auf eine befriedigende Lösung auch dieses Punktes in den nächsten Jahren gehofft werden. Anders verhält es sich mit der Bestrafung der Trunkenheit. Der erste von der Reichsregierung vorgelegte Gesetzesentwurf wurde, wie damals ge­meldet worden ist, von dem Reichstage mit einer ge­wissen Heiterkeit als nicht ernstlich gemeint ausgenom­men. Und doch bestehen sowohl in Holland als in Frankreich, also bei zwei Völkern, welche die per­sönliche Freiheit hochachten, solche Strafbestimmungen. Die öffentliche Meinung in Deutschland hat sich ge­ändert, und die Forderung der Bestrafung öffentlich Aeraerniserregender Trunkenheit wird immer mehr in chtigung anerkannt, um so mehr als die ! irderung, daß Trunkenheit künftig bei Ber- ^ Verbrechen, soweit sie nicht eine unver- , >,t, keinen Strafmilderungsgrund mehr bil- ! den soll, damit in engem Zusammenhänge steht. Der ! Zentralausschuß für innere Mission der deutschen evangelischen Kirche hat deshalb eine Aufforderung ergehen lassen, das deutsche Volk soll sich in möglichst zahlreichen Petitionen an die gesetzgebenden Faktoren wenden. Diese Bewegung ist auch in Württemberg in Fluß gekommen, mehr als 300 Exemplare sind in den letzten Wochen aus allen Landesteilen ver­langt worden und bereits ist eine größere Anzahl derselben mit zahlreichen Unterschriften bei der Sam- melstelle in Stuttgart wieder eingelaufen. Bis jetzt sind es hauptsächlich die Vertreter der bürgerlichen und kirchlichen Körperschaften, aber auch aus den Kreisen der übrigen Bevölkerung sind solche einge­gangen. Hinsichtlich der weiteren Forderung, der Möglichkeit Trunkenbolde rechtzeitig entmündigen zu können, hat sich auf den Verhandlungen des Vereins gegen Mißbrauch geistiger Getränke in Darmstadt! ein Gegensatz zwischen der Doktrin und der Forde-! rung des praktischen Lebens herausgestellt. Weil! das römische Recht nur eine Entmündigung wegen i Geisteskrankheit und wegen Verschwendung gekannt hat, so wurde es als zweifelhaft bezeichnet, ob unsere neue Zivilgesctzgebung überhaupt auf Schaffung eines neuen Grundes der Entmündigung, wegen Trunk­sucht, eingehen werde. Jedenfalls könne es, so wurde von einem Redner geäußert, noch 78 Jahre an-, stehen, bis diese Forderung, durch welche dem Ruin - von zahlreichen Familien vorgebeugt werden soll, durch die Gesetzgebung werde anerkannt werden. Wahrlich hätte dieser Redner recht, es wäre eine nie-, derschlagende Aussicht. Um so erfreulicher und er- s mutigender mußte es dagegen sein, daß der Vize-j Präsident des Vereins, Herrn Oberbürgermeister Miguel die Hoffnung aussprach, der gegenwärtige! Reichstag werde einem von der Reichsregierung vor- ! gelegten, hierauf bezüglichen Gesetzesentwurf keinen ^ Widerstand entgegensetzen, wenn er sich überzeuge, « daß es der feste Wille des Volkes sei, daß dieser schreiende Notstand ohne Verzug beseitigt werde. So ! liegt es lediglich in den Händen derjenigen Männer! und Kreise, welche ein Herz für die Klagen der! Tausende von Frauen und Kinder haben, welche un- j ter der rohen Behandlung, ja Mißhandlung von « Trunkenbolden, die, ihre Pflichten als Ehegatten und Väter vergessend, sich und die Ihrigen zu Grunde richten und an den Bettelstab bringen, leiden, bal-! dige Hilfe zu bringen. Da der Reichstag jedenfalls nicht vor November zusammenkommt, so haben diesel­ben noch den ganzen Oktober frei, sich un der Agi- !

tation zu beteiligen, die Petition zu unterschreiben und andere zur Unterschrift zu veranlasfen. Als im letzten Winter von Württemberg allein nahe 800 Petitionen mit über 50000 Unterschriften für die Annahme der Militärorganisation binnen weniger Wochen beim Reichstag eingegangen waren, verstummte der Spott der Gegner und nach einigen Monaten standen wir am Ziel unserer Wünsche. Erfüllen wir auch jetzt Jeder und alle unsere Pflicht, so werden wir mit Gottes Hilfe sicher wieder einen ähnlichen Erfolg erzielen.

Die Nachrichten aus dem Lande über die Wir­kung der Nachtfröste in den letzten Tagen bekla­gen den an den weicheren Gewächsen und namentlich ^ an den Kartoffeln entstandenen Schaden. Glücklicher- ! weise scheint bis jetzt der Weinstock noch verschont ! zu sein.

, Kaiser Wilhelm wird heute Montag 9 Uhr in Baden-Baden eintreffen, wo am 30. der Ge- ! burtstag der Kaiserin begangen wird.

München, 26. Sept. Der Reichsrat hat die ^ Branntwein st euer einstimmig angenommen.

Eine Erinnerung an die bayerische Königskatastrophe bringt die Köln. Volks- Zeitung. Es wurde damals mitgeteilt, dem Könige Ludwig II. seien von Frankreich 40 Millionen Fran­ken unter der Bedingung angeboten, daß sich Bayern in einem etwaigen neuen deutsch-französischen Kriege neutral verhalten werde. Das genannte Blatt kon- statiert jetzt, der Schreiber jenes Briefes sei ein gei-! steskranker französischer Mechaniker gewesen. Auf > dies Schreiben ist übrigens bei den bezüglichen Ber- ; Handlungen in den bayerischen Kammern nur ganz > geringer Wert gelegt worden.

Die Nachricht, Statthalter Für st Hohen- ^ lohe werde seinen Posten im Reichslande niederle- ! gen und durch den preußischen Minister v. Puttkam- i mer ersetzt werden, wird direkt für unbegründet! erklärt. ^

Der junge Schnebele wird sich in den nächsten Tagen schon vor dem Gericht in Metz zu l verantworten haben. doch dürfte eine Verurteilung > kaum erfolgen. Die Sache wird allgemein als ein ! Bubenstreich aufgefaßt, der nicht vor Gericht, sondern in drastischerer Weise abgestraft zu werden pflegt. Frau Schnebele, welche ihren Sohn in Metz be­suchte. hat übrigens diese Strafe, die der Vater Schulmeister wohl zu applizieren verstehen wird, ih­rem Jüngsten in Aussicht gestellt.

Ein bedauerlicher Zwischenfall an der deutsch­französischen Grenze, der sich bei Raon sur Plaine (in der Nähe von Nancy) am vorigen Samstag er- « eignet hat, setzt in Paris die Gemüter in gewaltige Aufregung. Auf einen französischen Offizier und einen Piqueur, die bei der Jagd unmittelbar an der « Grenze postiert waren, sind von deutscher Seite drei ^ Schüsse abgegeben worden, durch welche der Offizier ^ schwer verletzt und der Piqueur getötet wurde. Der Vorfall ist noch nicht genügend aufgeklärt, das Wahr- ! scheinlichste ist jedoch, daß deutsche Forstschutzbcamte auf die Franzosen als vermeintliche Wilddiebe ge- > schossen haben. Die Unterstellung französischer Be-! richte, daß von einem deutschen, an der Grenze pat- > roullierenden Soldaten die «Schüsse abgegeben seien, > ist offenbar unzutreffend, sie trägt aber dazu bei, dem Zwischenfall eine hochpolitische Bedeutung zu verleihen. ! Daß eine solche dem Vorgänge nicht beizumessen sei, ! wird indeß die eingeleitete Untersuchung wohl bald! ergeben, und dann wird durch Bestrafung der Schul- ^ digen auch der Anlaß zu weiteren aufregenden Er- ! örterungen aus dem Wege geräumt sein. ^

Metz, 20. Sept. Die Meldung desTemps" , von der Verletzung eines französischen Dragonerlieu- > tenants bestätigt sich. Ein im Dienst befindlicher! Jäger gab nach dreimaligem Anrufen drei Schliffe ^ auf die vermeintlichen Wilddiebe ab; er tötete mit! dem ersten einen Piqueur, während die beiden andern ! Schüsse den Lieutenant streiften. !

Berlin, 24. Sept. DerReichsanzeiger" « meldet: Dr. Mackenzie, welcher sich auf einer Erho-! lunzsreise befindet, besuchte den Kronprinzen in Tob- > lach und konstatierte ein erfreuliches Forlschreiten der ! Besserung des Halsleidens. Vor seiner Rückkehr nach ! England stellte Dr. Mackenzie einen nochmaligen Be- , such in Aussicht. !

Berlin, 26. Sept. Dem Reichskanzler Für- « sten Bismarck sind aus Anlaß seines 25jährigen ^ Minister-Jubiläums aus allen Teilen Deutschlands, ^ sowie aus dem Auslande, namentlich aus Oesterreich, ^

Italien und England, zahlreiche wohlwollende Be­grüßungen zugegangen. Die Zahl der Telegramme beläuft sich auf viele Hunderte, an deren Spitze sich Glückwünsche der Kaiserin, der kronprinzlichen Herr­schaften, verschiedener deutscher Souveräne und Mi­nister befinden. Besonders fymphatische Kundgebun­gen hat der Reichskanzler von dem Könige von Ita­lien und dem italienischen Ministerpräsidenten Crispi erhalten.

DerReichsanzeiger" publiziert eine kai­serliche Verordnung bezüglich der Einführung des neuen Branntweinsteuergesetzes in Württemberg.

Es ist nun sicher, daß sich der Reichstag in der nächsten Session mit dem Gesetzentwurf über die Unterstützung von Familien in den Heeresdienst ein­getretener Mannschaften zu beschäftigen hat. Der Gesetzentwurf behandelt jedoch nur die Unterstützun­gen für den Kriegsfall.

Der nachträglich überreichte Glückwunsch des Kaisers von China zum Geburtstage Kaiser Wilhelms lautet in der deutschen Uebersetzung:Der > Kaiser des großen chinesischen Reiches entbietet dem ! deutschen Kaiser und Könige von Preußen seinen ! Gruß. Am achtundzwanzigsten Tage des zweiten ! Monats dieses Jahres begingen Eure Majestät das ! freudigsegenvolle Fest des 90. Geburtstages. Als l ich hiervon Kenntnis erhielt, war ich darüber hoch- « erfreut. Im Hinblick auf das sehr freundschaftliche ! Verhältnis und die ausgezeichneten Beziehungen zwi­schen China und dem Reiche Eurer Majestät sende ich dieses Glückwunschschreiben nebst einigen Geschen­ken. Ich gebe mich der angenehmen Hoffnung hin, daß Eurer Majestät Regierung zu allen Zeiten von Glück und Segen begleitet sein und zum Heile unse­res beiderseitigen aufrichtigen Friedens gereichen werde." Die Geschenke, welche mit dem Schreiben übergeben wurden, bestehen aus kostbaren Gegenstän­den aus Jade, einer chinesischen Steinart, Porzellan­vasen , Wandgehängen von Seide mit Stickereien, Theekislen u. dergl.

Nach derKöln. Ztg." soll die gegenwärtige Reise des Dr. Mackenzie nicht sowohl eine neue Operation zum Zwecke haben, als vielmehr dem eng­lischen Arzte Gelegenheit geben, sich nach erneuter Untersuchung darüber auszufprechen. ob der gegen­wärtige Zustand des Kronprinzen eine sofortige Rück­kehr nach Deutschland möglich macht oder ob für den Winter ein Aufenthalt im Süden vorzuziehen ist. Kaiser Wilhelm würde es gern sehen, wenn der Kronprinz recht bald nach Deutschland zurückkommen könnte, natürlich nur soweit das mit seinem Gesund­heitszustände verträglich ist, während die Frau Kron­prinzessin sich von einem Winteraufenthalt in Ita­lien besonders gute Folgen verspricht. Welche Ent­scheidung getroffen wird, dürfte von dem Gutachten abhängen, das Mackenzie jetzt abzugeben hat.

Berlin, 27. Septbr. Laut Kabinetsordre wird, wie dieKrzztg." meldet, mit 1. Oktober in allen Volksschulen der Provinz Posen der polnische Sprachunterricht auf allen Stufen bedingungslos aufgehoben.

Danzig, 26. Sept. Bei Koppalin (Halb­insel Hela) ist gestern bei schwerem Sturm die deut­sche BarkeHelene" aus Stettin, nach Memel be­stimmt, gestrandet und total zerschlagen. Von der Mannschaft wurden sieben gerettet, ein Mann ist er­trunken.

Der verstorbene Professor u. ehemalige Reichs­tagsabgeordnete Möller hat feiner Vaterstadt Kö­nigsberg zu wohlthätigen Zwecken 30000 ^ vermacht.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 24. Sept. DasFremdenblatt" sagt: Wir Oesterreicher gratulieren unserem großen Freunde, dem Leiter der Politik des uns engverbündeten Rei­ches und Mitbegründer der Allianz, welche den Frie­den Europas wahrt." Der Artikel rühmt dann des Fürsten Bismarck innere reformatorische Thätigkeit und unerschöpfliche Arbeitskraft; cs wäre nicht leicht, einen Staatsmann zu nennen, der, init so großer Machtfülle ausgestattet, seinen höchsten Ehrgeiz darin suchte, die Ruhe der Nationen zu wahren.

Die heute publizierte Enthebung des Erzherzogs Johann vom Divisionskommando in Linz erregt allgemeines Aufsehen. Der Erzherzog, bekannt als Militär-Schriftsteller, bereist seit Wochen schon das Ausland. Die plötzliche Enthebung wird mit seinen Beziehungen zum Prinzen Ferdinand von Koburg in Verbindung gebracht: er war für die bulgarische Kan-