zufolge, in warmen Worten beglückwünscht, daß er die Stimme des Kronprinzen und möglicherweise dessen Leben gerettet habe, indem er die fürchterliche Operation, an welche man gedacht, unnötig gemacht habe. Virchow bezeichnet die Neubildung als paoli^clermiu variocwa, das heißt als eine Warze, die infolge eines chronischen Entzündungsprozesses entstanden ist.

Berlin, 13. Juni. Die lronprinzliche Fa­milie verabschiedete sich heute Mittag von dem Kai­ser; die Abreise nach England erfolgt Abends. Ge­neral Loe begleitet das Kronprinzenpaar. Ebenfalls nach London reisen die Prinzen Wilhelm und Hein­rich am kommenden Donnerstag mit dem Aviso Blitz" von Wilhelmshafen aus.

DieKöln. Ztg." schreibt über das Befin­den des Kaisers: Zu einer Befürchtung, daß die mit dem Blasenleiden verbundenen Schmerzen, die in den letzten Tagen wie wiederholt bei frühern glei­chen Anlässen durch Morphium-Einspritzungen weni­ger fühlbar gemacht worden sind, eine bedenkliche Schwächung der Körpcrkräfte zur Folge haben könn­ten, ist jetzt kein Grund mehr. Doch konnte auch heute der Kaiser beim Vorüberziehen der Wachab­lösungen noch nicht am Fenster erscheinen. !

Berlin, 14. Juni. Aus zuverlässiger Quelle hören wir, daß der Gesundheitszustand des Reichs­kanzlers sich in den letzten Tagen verschlechtert hat. Durch die nervösen Schmerzen ist Fürst Bismarck jeder Nachtruhe beraubt. Seitens des behandeln­den Arztes wird auf der Forderung bestanden, daß der Fürst sich von Berlin und den Geschäften ent­ferne. Bisher hat eine Uebersiedelung aufs Land nicht stattsinden können, weil der Reichskanzler nicht reisefähig ist.

Berlin. 400 Neubauten sind gegenwärtig hier im Gange, so berichtete dieser Tage eine Lokal­korrespondenz, die zugleich in gewaltiges Erstaunen über diese riesige Bauthätigkeit ausbrach, und doch ist diese Thätigkeit noch lange nicht genügend, den Bedarf zu decken. Zu diesem Zweck müßten bis zum Jahre 1890 alljährlich mindestens 12000 Wohnun­gen neu beschafft werden.

DieGermania" schreibt:Der h. Vater hat einen Brief des Herzogs Paul von Mecklenburg- Schwerin erhalten, worin dieser seinen Gefühlen tiefster Ergebenheit und kindlicher Anhänglichkeit Aus­druck verleiht."

Breslau, 13. Juni. Die Spritfirma Gebr. Gutt- mann hier ist insolvent; die Passiva werden auf 1 Million Mark geschätzt.

Oesterreich-Ungarn. -

Szegedin, 13. Juni. Die Nachrichten aus ^ dem Ueberschwemmungsgebiet lauten günstiger. Die Gefahr für die bedrohten Städte scheint abgewendet zu sein. Die Theiß fällt.

Schweiz.

Bern, 10. Juni. Auf eine Eingabe des ber- nischen Tierschutzvereins um Verbot der Verwendung von Hunden als Zugtiere beschloß der Berner Ge- meinderat, dem Regierungsstatthalteramt eine neue Polizeivervrduung vorzulegen, welche das Einspan­nen dieser Tiere gänzlich untersagt. Verdiente auch in Deutschland Nachfolge, da der Hund einmal für den Dienst als Zugtier nicht organisiert, seine Verwendung für denselben also widernatürlich eine fortgesetzte Tierquälerei ist.

Frankreich.

Paris, 10. Juni. DerKreuztg." zufolge ^ bestätigt es sich, daß der Plan der Mobilisierung! eines Armeekorps aufgegeben worden ist. Der Mi- ^ nister Flourens war stets ein Gegner dieses Projekts.

Paris 10. Juni Mouvet, der Direktor der ^ Banque Parisienne," ist mit Hinterlassung eines Defizits von 2*/s Millionen Francs flüchtig gewor- ^ den. Es sind zur Aufsuchung des Direktors 3 Kri- > minal-Polizei-Jnspektoren seit 12 Tagen unterwegs.!

Paris, 10. Juni. DerTemps" rechnet aus, daß Frankreich im Jahre 1886 aus Korsika 5 761 198 Fr. gezogen und 18 682451 Fr. veraus­gabt hat. Die Insel kostet Frankreich also rund 13 Mill. jährlich. Ein Korse zahlt durchschnittlich 60 Fr. Steuer, die übrigen Franzosen durchschnittlich 75 Fr. Seit Anfang des Jahrhunderts hat Frankreich! über eine Milliarde in die Insel gesteckt, die heute halb unbebaut ist und 600 Räuber beherbergt.

Paris, 14. Juni. Der neue Handelsminister äußerte vor versammeltem Beamtenpersonal, daß die Auslassungen in den Blättern wegen Verschiebung

der Weltausstellung unrichtig seien. Die Weltaus­stellung ist gesetzlich bestimmt worden.

Paris. 800 Postbeamte haben beim Finanz­minister Rouvier, zu dessen Bereich jetzt das Post­wesen gehört, gegen eine Reihe (37) Ernennungen und Beförderungen Einspruch erhoben, welche der zurückgetretene Postminister Gianet noch in den letz­ten Stunden seiner Amtsthätigkeit vollzog und welche ! den Regeln der Anstellung und des Vorrückens zum Schaden der nicht begünstigten Beamten zuwiderlau- ! fen sollen.

s General Ferron, der Nachfolger Boulangers ! als Kriegsminister, hat sich eine neue Ketzerei in den Augen seiner Landsleute zu Schulden kommen lassen. Er hat erklärt, die französischen Soldaten würden ungenügend ernährt und das schwäche sie; sie kämen zur Fahne mit frischen, von Gesundheit strotzenden Gesichtern, wahren Bausbacken, und würden entlassen mit mageren und ermüdeten Gesichtern.

Von einem neuen Postdiebstahl auf der Eisenbahn berichtet dieJndependance": Es sei ein Packet mit Wertpapieren in Höhe von 250000Frks. auf der Eisenbahnstrecke Paris-Antwerpen gestohlen worden.

Italien.

Die Minister Zauardelli und Crispi erklärten in der Kammer, dem Papste könnten keine größeren Rechte gewährt werden, als die Garantie­gesetze von 1871 ihm gegeben hätten, die Regierung habe die höchste Achtung vor dem Papste, müsse aber auch die Prärogative des Staates wahren. Italien gehöre sich selbst und habe nur ein Oberhaupt, den König. Daß König Humbert diesen Standpunkt des Herrn Crispi nicht teilt, ist aber ganz sicher. Er für seine Person will gern Konzessionen machen, um endlich zum Frieden mit dem Vatikan zu kommen. Rußland.

St. Petersburg, 11. Juni. Das Erdbeben in Vernoji dauert in Zwischenräumen fort; es um­faßt einen Umkreis von 1000 Werst. Die Zahl der Verunglückten wächst tagtäglich; immer neue Leichen werden aufgefunden. Wie aus Omsk gemeldet wird, sind in der Stadt Dscharkend durch das Erdbeben viele Häuser zerstört worden, desgleichen in den An­siedelungen und Dörfern östlich von Vernoji.

Ein soeben erlassener Ukas des Zaren befiehlt binnen 14 Tagen alle im staatlichen Forstwesen in Polen Angestellten fremder Nationalität zu entlassen. Diese Angestellten sind fast alle Deutsche.

Türkei-

Die Botschafter Frankreichs und Ruß­lands machen die größten Anstrengungen, um das gegenwärtige türkische Ministerium zu stürzen, wodurch die Ratifikation der englisch-türkischen Kon­vention in betreff Egyptens verhindert werden soll.

Bulgarien.

Die bulgarische Regentschaft hat der Pforte mitgeteilt, daß diejenigen beiden Kandidaten, welche sie für den bulgarischen Thron vorzuschlagen habe, Prinz Alexander von Battenberg und Prinz Philipp von Coburg seien.

Australien.

Sydney, 29. April. Ein furchtbares Unglück hat sich, wie der Telegraph aus Perth berichtet, am 22. April an der Nordwestküste Westaustraliens zu­getragen. Die oberhalb des De Grey-Flusses von der sogenannten Neunzig-Meilen-Bucht vor Anker liegende Perlsischerflotte wurde plötzlich von einem Orkan erfaßt, der nicht nur sämtliche Boote schwer beschädigte, sondern auch nicht weniger als vierzig derselben in die offene See Hinaustrieb. Nach den bis jetzt eingetroffenen Nachrichten zu urteilen, ist der größte Teil dieser Boote sofort gesunken, einige! wenige sollen jedoch ohne Maste hilflos im offenen Meere Herumtreiben; da aber die Bemannungen kei­nerlei Proviant bei sich führen, gibt man sich schlim­men Befürchtungen hin. Die Zahl der Ertrunkenen wird bis jetzt aus 550 angegeben. Vom Ufer aus lassen sich die auf dem Wasser schwimmenden Leichen der Verunglückten deutlich erkennen. Eine größere Anzahl derselben sowie Schiffsteile sind von den Wellen ans Festland gespült worden. Es sind Boote zur Aufsuchung der Perlfischer abgesandt worden und die Regierung von Westaustralien hat auch den DampferAustralian" gechartet, welcher sofort an seinen Bestimmungsort abgehen soll. In Perth herrscht allge meine Bestürzung. _

Kleinere Mitteilungen.

Bei Göppingen hatte sich der ledige Gipser Wöhrle

von Plüderhausen auf die Schienen gelegt, so daß die Loko­motive ihm den Kopf total vom Rumpfe trennte. Verschmähte Liebe soll das Motiv dieses Selbstmords sein.

Wieder ein sprechendes Beispiel, wie gut es ist, daß nicht jeder sogleich geköpft wird, der zum Tod verurteilt worden ist. Der wohlhabende Barbier Ziethen in Elberfeld kam von einer Reise heim und traf seine Frau mit zerschmet­tertem Kopf und im Sterben, sie konnte nicht mehr sprechen. Er hatte nicht gut mit ihr gelebt und wurde des Mordes angeklagt. Der Hauptzeuge wider ihn war sein 17jähriger Lehrling Wilhelm, der erklärte, er sei dabei gewesen, als Ziethen seiner Frau mit einem eisernen Hammer den Kopf zertrümmert habe. Ziethen stellte seine Schuld beharrlich in Abrede, wurde aber zum Tod verurteilt und vom Kaiser zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Er sitzt nun 4 Jahre. Der hochbetagte Vater Ziethens in Berlin konnte nie an das Verbrechen seines Sohnes glauben, er setzte seine ganze Zeit und viele Tausende daran, den Zeugen Wilhelm überall zu verfolgen, zu beobachten und zu überwachen. Oft verlor er ihn aus den Augen, endlich entdeckte er ihn als Barbier­gesellen in Berlin, zog seinen Prinzipal und die Polizei in sein Interesse, und so gelang es, den jungen Menschen zum Geständnis zu bringen, daß er der Mörder sei. Er hatte der Prinzipalin freche Anträge gemacht und war bedroht worden, sie werde ihrem Mann Anzeige machen. Da schritt er zum Mord, lief zum Gericht und klagte seinen Prinzipal als Mörder an.

Erfurt, 13. Juni. Eine etwa ly? Zentner schwere, von Nürnberg angekommene und für einen hiesigen Schneider­meister bestimmte Kiste, deren Inhalt man mitStoffe" be­zeichnet hatte, wurde nicht ausgeliefert, sondern von der Polizei beschlagnahmt, da sie mit sozialdemokratischen Flug­blättern gefüllt war.

Krönung des Rosenmädchens. Bei der wie all­jährlich in Nauterre bei Paris stattgehabten Krönung des Rosenmädchens wurde eine Ballettänzerin an einer Pari­ser Bühne auserwählt; sie ernährt seit Jahren mit dieser Kunst ihre alten Eltern und hat 3 Brüder zu tüchtigen Men­schen erziehen lassen. Als man dem Rosenmädchen Alice Ebrant die Krone auf das Haupt setzte, brach das Publikum in tosende Bravorufe aus.

Erdbeben-Nachwehen. Auf merkwürdige Weise ist vor kurzem in Rom ein junger Deutscher, der in sehr nervös erregtem Zustand dort in einem Schweizer Hotel ab- gestiegen war, vom Tode gerettet worden. Er hatte das Erdbeben in Nizza miterlebt und seine Nerven waren durch den Schreck nachhaltig erschüttert worden, so daß er in be­ständiger Furcht vor neuer Gefahr schwehte. Eines Tages öffnete er sein Fenster und war im Begriff, sich hinauszu­stürzen, als ein gegenüber wohnender Schuhmacher ihn be­merkte und die große Geistesgegenwart besaß, ihm zuzurufen: Halt! halt! ich will Ihnen eine Leiter bringen!" Das geschah und der Gast kletterte nun ohne Schaden zum Fenster hinaus, wurde aber demnächst ins deutsche Hospital gebracht und ärztlicher Behandlung übergeben.

Handel K Verkehr.

Stuttgart, 13. Juni. (Landesprodukteubörse). Wider Erwarten war das Geschäft an heutiger Börse recht schwerfällig, da die Käufer teilweise höhere Forderungen der Eigner nicht bewilligen wollten. Wir notieren per 100 Klg.: Weizen, saxon. 21.70, russischer 21, ungarischerkl 21.90 bis 22, fränkischer ^ 21.4021.50.

Stuttgart, 13. Juni. (Mehlbörse.) Verkauft wur­den 1140 Sack, inländ. Mehle. Nr. 0 32.50-33., Nr. 1

^ 30-31, Nr. 2 ^ 28-29, Nr. 3 ^ 2627, Nr. 4 22

bis 23.50.

Konkurseröffnungen. Johann Kienzle, Rotgerber­meister in Backnang. Christian Pfleiderer, Rotgcrber in Backnang. Christian Reich, Schuhmacher in Heimsheim (Leon­berg). Georg Neuhäußcr, Goldarbeiter von Oehringen.

Gin Matador. 8°!^

Erzählung und Sittenbild aus Peru.

In strahlendem Glanze ging die Hochsommer­sonne über Lima, Perus glänzender, blumenbedeckter Hauptstadt, auf und bestrahlte mit wunderbar zar­tem, bläulichem Dufte die himmelhoch ansteigenden Gipfel der Cordilleras und das nur wenige Meilen entfernte Weltmeer, aus das sich von der Plaza mayor aus ein so wunderherrlicher Anblick öffnet. Es war ein Werktag und dennoch schien etwas Be­sonderes vorzugehen, das die Sonntagsstimmung der Bewohner weckte, die gegen alle Gewohnheit schon früh sich, festlich geschmückt, zahlreich auf den Straßen und dem Hauptplatze zeigten. Sonst be­merkte man um die Zeit des Sonnenaufgangs höch­stens Züge von dunkelbraunen Inka-Indianern, die mit ihren Mulas kamen, um ihre Erzeugnisse abzu­setzen, und nur nach und nach begannen unter den Collonaden um den weiten Platz die Schuhmacher, Schneider, Steinschleifer, Barbiere und andere Ge­schäfte sich für den Tag einzurichten. Heute fehlten letztere gänzlich, während die braunen Ureinwohner des Landes in größeren Scharen als sonst sich^un- ter die sich bereits drängenden Creolen, Neger, Spa­nier und Europäer aller möglichen Nationen misch­ten, wie sie eben im Hafen von Callao vor Anker lagen. Musik durchzog die Straßen und die Volks­massen wandten sich nach und nach dem westlichen Ende der Stadt zu, wo auf einem weiten Wiesen­raum eine Art Amphitheater erbaut war, um wel- ^ ches sich schon ganze Scharen drängten.