wenn endlich einmal die Ungleichheit beseitigt werde. An die Klagen über schlechten Gcschäftsstand versicherte der Frei­herr nicht viel zu geben; kein Kaufmann gestehe zu, daß es ihm jetzt gut gehe. Alles das mit ziemlich leiser Stimme vorgctragcn, wie es Varnbülcr seit Jahren thun muß, aber mit. einer Fülle praktischer Erfahrungen ausgcstattet es mußte ziehen. Dazu kam die trostlose Witterung, welche einen Hauptgrund der Landwirtschaftsfreunde wuchtig wirken ließ: das Gewerbe steht annähernd überall fest, cs bringt immer etwas, aber der Bauer ist den Elementen unterwor­fen, die das Gebild der Menschenhand hassen. Ist es gerecht­fertigt, ihn zu verkürzen, hinter den Wortlaut des Gesetzes zu seinem Schaden zurückzuweichcn? Mehr und mehr neigte sich das Zünglein der Wage auf die Seite der Vorlage, und die siebentägige Debatte endigte mit dem glänzenden Sieg derselben.

Stuttgart, 30. Mai. In Sachen der Rathausbau-Fragc macht sich nun auch eine Anzahl Stimmen ans der Bürgerschaft für den Platz der jetzigen Legionskascrne geltend. Als besonders schwer dürste für diesen Platz in die Wagschale fallen, daß derselbe einen Bau ermöglicht, in welchem weitaus der größte Teil der städtischen Kanzleien unterge­bracht werden kann, was beim Bauplatz am Markt nicht möglich ist. Ueberdies erfordere der Bau am letzteren Platz einen viele Millionen betragenden Auf­wand zur Erbreiterung rc. der angrenzenden Straßen. Die Entscheidung kann täglich erwartet werden, üb­rigens dürfte man nicht fehlgreifen, wenn man an­nimmt , daß der Platz der Legionskaserne gewählt wird, für welchen nicht nur der Stadtvorstand, son­dern auch eine weitere sehr hohe Persönlichkeit sich interessiert.

Stuttgart, 2. Juni. Auf die Ergreifung des oder der Thäter, die den Mord auf dem Bopser verübt, ist eine Belohnung von 500ausgesetzt.

Stuttgart, 2. Juni. Die Heilsarmee hält jetzt Heilungs-Versammlungen, in die nur Gläubige und deren Offiziere zugelassen werden. Man darf mit Recht daraus gespannt sein, wie lange der Unfug noch dauern wird.

Brandfälle: In Stuben (Saulgau) am 1. Juni das Wohn- und Oekonomiegebäude des Anton Birkenmaier, wobei auch drei Stücke Vieh verbrannten; der Schaden beträgt etwa 26 000 doch ist der Beschädigte versichert.

Aus Sachsen, 30. Mai. Nach den amtli­chen Erhebungen sind durch das Unwetter in der Nacht vom 17. zum 18. Mai in der sächsischen Ober­lausitz mehr als 300 Häuser beschädigt worden. In Wittgendorf bei Zittau wurden 2 Häuser von dem sonst unbedeutenden Dorfbach weggeschwemmt, wo­bei sieben Menschen ihren Tod fanden. Im Bezirk Zittau sind 49 feste Brücken weggerissen worden. Die Schäden an Wegen und Brücken, deren Wieder­herstellung den Gemeinden obliegt, werden auf 200 000 Mark geschätzt, während auf Schäden an Privatei­gentum gegen 300000 Mark entfallen. Hierbei sind die in der Stadt Zittau selbst entstandenen Schä­den nicht in Ansatz gebracht.

Die allgemeine Deutsche Lehrcrversamm- lung inGotha erklärte sich mit erdrückender Mehr­heit für die Abschaffung der öffentlichen Schulprü­fungen.

Frankfurt, 3. Juni. Die Fr. Ztg. meldet aus Budapest: Bei Szegedin wurden 8000, bei Vaserhely 20000 Joch überschwemmt: die Einwohner flüchten; die Ernte ist vernichtet.

Kiel, 1. Juni. Es ist eine sehr glückliche Idee der leitenden Behörde, daß die Arbeiter am Nordostseckanal nach militärischem Muster in Barak- ken untergebracht und dort verpflegt werden sollen. Die Arbeiter werden dort gleichsam eine Familie unter Aufsicht eines Beamten bilden, für alle Be­dürfnisse wird bestens gesorgt werden, so daß die Ueberschüsse, welche sich aus der inneren Verwaltung ergeben sollten, den Arbeitern wieder zufließen wür­den. Das private Kantincn-Unwesen soll in den ein­zelnen Baracken nicht Platz greifen, desgleichen wird s jede Zufuhr von Spirituosen von außen in die Ba- ^ racken, sowie auch der Verkauf von Nahrungsmittelnl außerhalb der Barackenlager strengstens verboten sein. > Alles, was die Arbeiter nötig haben, soll ihnen von: der Barackenlager-Verwaltung geliefert werden. ^

Kiel, 3. Juni. Der Kaiser traf gestern abend ! auf derPommerania". begleitet von der Großher­zogin von Baden, den beiden Prinzen Wilhelm und Leopold von Preußen und den Mitgliedern des ^ Bundesras, unter Geschützsalven und Glockengeläute ! hier ein. Die Stadt ist festlich geschmückt.

Kiel, 3. Juni. Der Kaiser, begleitet vonl Prinz Wilhelm, Prinz Heinrich, Prinz Leopold und

einem glänzenden Gefolge, fuhr soeben im Wagen vom Schlosse über Bellevue und Belvedere nach dem Festplatz zu Holtenau, unterwegs mit endlosem Jubel begrüßt. Am Hafen hatte sich zwischen 8 und 9 Uhr bereits ein wunderbar prächtiges Bild entfal­tet. Sieben große Dampfer mit 800 offiziellen Fest­gästen, darunter die Staatsminister, die Bundesrats­bevollmächtigten, Reichs- und Landtags-Abgeordnete, hohe Militärs und sonstige notable Persönlichkeiten, drei Dampfer, an deren Bord sich die Studenten­schaft und die Sängerchöre befanden, und fünf weitere Dampfer mit mehreren Tausend sonstigen Festteilneh­mern stachen in See. Patriotische Weisen tönen übers Wasser. Von der Flotte donnern hundert­fache Salutschüsse. Wir haben Kaiserwetter, doch ' kommt eine starke Prise aus Ost. Der Kaiser traf kurz nach 10 Uhr auf dem Festplatze ein, empfangen vom Staatssekretär v. Bötticher und der Kanalkom­mission. Herr v. Bötticher, in Vertretung des Reichs­kanzlers, verlas die Grundstein-Urkunde. Der baye­rische Gesandte in Berlin, Graf v. Lerchenfeld-Köfe- ring, überreichte dem Kaiser die Kelle, der Präsident des Reichstages, Herr v. Wedell-Piesdorf, den Ham­mer. Der Kaiser that drei Hammerschläge, dann folgten die Prinzen, die Minister, die stimmführenden Mitglieder des Bundesrates, die Präsidenten des Reichstags und des Landtags, die Chefs der Reichs­ämter re. Nachdem Hofprediger Kögel die Weiherede gehalten und ein Chor HändelsHallelujah" ge­sungen, brachte Herr v. Bötticher ein Hoch auf den Kaiser aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Darauf wurde die Nationalhymne ge­sungen. Nach Beendigung der Feier fuhr Se. Ma­jestät trotz des hohen Seeganges auf derPomme­rania" nach Kiel zurück, wo er bei dem reichgeschmück­ten Schuhmacherthor unter jubelnden Zurufen der dichtgedrängten Menschenmenge landete.

Kiel, 3. Juni. Die Grundsteinlegung in Holtenau verlief in überaus erhebender Weise. Lei­der waren die Worte des Kaisers und der anderen Redner auf der Journalisten-Tribüne total unver­ständlich. Die Rüstigkeit und Frische des greisen Monarchen wurden allgemein bewundert. Der Kai­ser wohnte dem ca. eine halbe Stunde dauernden Akt stehend bei und befand sich auch bei der Flot­tenrevue stets auf der Commandobrücke derPom­merania". Um 2 Uhr fand ein glänzendes Galadi­ner auf Bellevue statt, wobei der Kaiser auf das Wohl Schleswig-Holsteins toastete. Um 4Us Uhr trat der Kaiser unter den enthusiastischen Zurufen einer zahlreichen Menge die Rückreise nach Ber­lin an.

lieber die wirtschaftliche Bedeutung des Nord- ostseekanals in Kürze nur soviel, daß der See­weg zwischen Ost- und Nordsee dadurch über mehr wie 200 Seemeilen abgekürzt wird. Für Segel­schiffe somit: eine 3tägige Zeitersparnis, für Fracht­dampfer eine solche von 24 Stunden.

Berlin, 2. Juni. Wie mehrfach berichtet wird, haben die Bewohner unserer Grenzdistrikte im Westen jetzt seit Wochen das Schauspiel einer eigen­tümlichen Rückwanderung zu beobachten. Erst kamen die deutschen Dienstmädchen, die General Boulanger seinen Offizieren verboten hatte, und jetzt wird ei­nem pfälzischen Blatte aus der Gegend am Glan ge­meldet, daß dort in letzter Zeit vielfach Leute ans Frankreich eintreffen, die dort das Musikgewerbe ausübten und brodlos wurden, indem die Zirkusdi­rektoren u. s. w. genötigt waren, der Volksstimmung nachzugebcn und diePreußen" zu entlassen. Of­fenbar ist es gegenwärtig für einen Deutschen weni­ger denn je geraten, das gastliche Frankreich aufzu­suchen.

Berlin, 2. Juni. Der englische Spezialarzt Mackenzie wird anfangs nächster Woche zu erneu­ter Konsultation mit den Aerzten des Kronprinzen hier eintreffen, wonach die Entscheidung über des Letzteren Reise nach London erfolgen soll. (Das Londoner Hofjourual schreibt in seiner vorgestrigen Nummer:Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Deutschland kommen zum Jubiläum der Königin herüber. Die gegenteiligen Meldungen entbehren der Begründung.")

Die Spandauer Gewehrfabriken sollen eine fieberhafte Thätigkeit entwickeln. Nach mehr­fachen Meldungen arbeiten daselbst schon seit gerau­mer Zeit bei Tage und bei Nacht mehr als 3000 Personen, während ungefähr 1000 Frauen und Mäd­chen mit der Anfertigung von Patronen und 300

Frauenspersonen in der Pulverfabrik des genannten Waffenplatzes beschäftigt sind. Es wird sich bei dieser Fabrikthätigkeit um die möglichst rasche Her­stellung von Repetier-Gewehren für die ganze deutsche Armee handeln.

In der Wettbewerbung um den Ausbau der Westfatzade des Domes in Mailand errang der Architekt Ludwig Becker in Mainz den Preis.

Bischof Kopp von Fnkda, der bei Bei­legung des Kulturkampfes eine große Rolle gespielt hat, wird wahrscheinlich Fürstbischof von Breslau. Bei dem Kaiser und dem Papst ist er gut angeschrie­ben. Er wird damit kein ganz kleiner Fürst, abge­sehen davon, daß Breslau als die beste Pfründe gilt. Die Regierung geht aber mit der Besetzung dieser Stelle vorsichtig vor, weil sie mit den Vorgängern böse Erfahrungen gemacht.

DemReichsboten" schreibt man aus Pe­tersburg: Nicht nur die Gesetzgebuugsmaschiue ist ^ eifrig am Werk, die verhaßtm Ausländer alias Dcut- : schcn in ihrem Erwerbsleben zu zermalmen, auch die ' russischen Generäle rasseln wieder gewaltig mit dem Säbel. So Hai General Dragomirafs in Odessa l einem Kreis höherer Offiziere bei Gelegenheit eines Festmahls erklärt, er sei überzeugt, daß das Heer in Kürze aufgerufen werde, um neue Lorbeeren auf dem Schlachtfelde zu pflücken. Ferner hetzt General Tschernajeff, serbischer Exkommandeur unseligen An­denkens, als Nachfolger Skobeleffs, offen zum Krieg ^ mit Deutschland. Weder solle man einer Rückkehr des Battenbergers nach Bulgarien entgegentreten denn der preußische Lieutenant sei es nicht wert, daß sei­netwegen auch nur eine einzige russische Kompagnie ausrücke, noch aber solle man Bulgarien Rußland einverleiben; es wäre das noch schlimmer als einst die Teilung Polens.Nein", so schreibt der serbi­sche Exkommandierende, unsere ganze Aufmerksamkeit muß eben jenen beiden Fronten zugewandt werden:

^ an der Oder und am Rhein, auf daß auf diese : Weise unser Hauptgegner zwischen Hammer und Amboß gebracht würde, ohne daß man dieses Mal, des Berliner Kongresses eingedenk, irgend schwanke,

^ zweifle, zurückweiche. Die Umstände sind uns günstig.

^ Der Köln. Volksztg. zufolge hat Kardinal Rampola ein Schreiben des Papstes empfangen, welches ihm seine Ernennung als Staatssekretär anzeigt.

Oesterreich-Ungar».

Szcgedin, 2. Juni. Soeben vom Schau-

> platze der Katastrophe zurückkehrend, muß ich berich­ten, daß die gehegten Hoffnungen, den Schlcusen- bruch schließen zu können, sich als trügerisch erwiesen. Während meiner Anwesenheit wurde versucht, durch ein großes, mit Steinen beladenes Theißschiff, wel-

i ches versenkt wurde, die Wogen aufzuhalten. Der ! Versuch mißlang gänzlich. Das um 10000 fl. er- ! kaufte Schiff wurde in wenigen Sekunden in Splitter zerrissen, und die Ladung desselben verschwand spur- ^ los. Zwanzigtausend Joch der fruchtbarsten Weizen- ! selber Ungarns sind bereits überschwemmt und weitere ^ dreißigtansend Joch sind kaum zu retten.

! Ält-Czechen und Jung-Czechen geraten sich in lPrag in die Haare. Die Jungen haben dem Füh- l rer der Alten, Rieger , sogar eine Katzenmusik ge- ^ bracht und ihm die Fenster eiugeworfen. Wenn's aber gegen die Deutschen geht, sind sie immer ein ^ Herz, eine Seele und eine Faust.

Frankreich.

Paris, 2. Juni. Rochefort bringt einen von Beleidigungen strotzenden Artikel gegen das Kabinet; er sagt, in demselben sitzenein Badenser, ein Ton- kinese und selbst ein halbschwarzer Singhalese namens Heredia, Sohn eines Sklaven und selbst Sklave"; wenn das die Regierung Frankreichs sein solle, so bleibe nichts übrig,als auszuwandern, nachdem l wir Hrn. v. Bismarck gebeten haben, am Arme sei-

> ncs Landsmannes Spuller seinen feierlichen Einzug ! in seine gute Stadt Paris zu halten." Und dann

! folgt eine Reihe von schmutzigen Enthüllungen über langebliche Privatverhältnisse Rouvier's, Heredia's ! und Wilson's, des Schwiegersohnes des Präsidenten j der Republik.

! Aus Paris, 2. ds., wird uns geschrieben: l Gestern begannen vor dem Untersuchungsrichter ' Guillot die Verhöre der Augenzeugen bei dem Brande ^ der Kölnischen Oper. Die Ergebnisse für mehrere Beteiligte, am allermeisten aber für den Direktor Carvalho sollten schwer belastende sein. Nach Allem, was man hört, hatte er zur Vermeidung der Kosten die elementarsten Vorsichtsmaßregeln vernachlässigt