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Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberautts-Bezirk Nagold.

ZS 6«

Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 1 20 ^t. Monats­

abonnement nach Verhältnis.

Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge-! j wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9-1,! .

! bei mehrmaliger je 6 -1. Die Inserate müssen 1 LO'T DlMSlag oen /. -ZUNi spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der LOOß .

Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

Die niedere Jnstizdicnstprüfung haben u. a. bestanden: ! Karl Wilhelm Gcrlach von Herrcnberg, Johann Baptist ^ Gramer von Horb, Karl Hcberle von Horb, Christian Friedrich Kober von Stammheim, Karl Wilhelm Malms- ! hcimer von Neuenbürg, Ernst Heinrich Marquard von Ober- . jesingcn, August Friedrich Reichert von Altensteig Stadt/ Ernst Gottlicb Seeg er von Rohrdorf, Johann Witzemann von Unterjesingen. " ^

Das Selbständigkeitsfieber.

Ueber diese soziale Krankheit der Neuzeit schreibt ein Gewcrbtreibendcr: Unter den mannig­fachen sozialen Nebeln, an denen unser Erwerbs- u. Geschäftsleben krankt, sieht ohne Zweifel jener un­gezügelte und über die Grenzen der Berechtigung weit hinausgehende Drang nach Selbständigkeit und ^ Unabhängigkeit, wie er als Begleiterscheinung der schrankenlosen Gewerbefreiheit in unseren Tagen sich ! allenthalben zeigt und damit leider das Pfuschertnm und die Unrccllität befördert, im Vordergründe. Niemand will heutzutage mehr eine untergeordnete Stellung einnehmcn, dem Willen eines Anderen sich s fügen, Niemand will dienen, sondern Jedermann will s Herrschaft spielen. Nun wird Niemand das Streben! nach einer besseren Lebensstellung, nach geschäftlicher! Unabhängigkeit tadeln, aber es müssen hierzu die nötigen Vorbedingungen und Kenntnisse da sein. Gerade da aber fehlt es zumeist. Junge, unerfah­rene Leute, ohne genügende Borkenntnisse, ohne die nötigen Mittel, machen sich selbständig und etablieren ein Geschäft, kommen aber damit auf keinen grünen Zweig, weil sie nur Pfuscharbeit liefern, und schädi­gen die anderen Gcwerbs- und Geschäftsleute ihrer Branche. Die Erfahrung aus dem täglichen Leben zeigt uns ja fast alltäglich Beispiele, wie das Selb­ständigkeitssieber um sich gegriffen hat und welche Schäden es mitbringt. Wer in Stadt und Land wüßte nicht von gar Vielen zu erzählen, die ehedem als Dienstboten, Gesellen, Handlungsgehilfen, Buch­halter w. ein schönes Auskommen hatten, und mit ihrer Stellung, obwohl sie eine dienende war, sehr wohl zufrieden und glücklich sein konnten, nun aber auf einmal vom Selbständigkeitssieber erfaßt, ihrem guten Posten Valet sagten und unter Daransetzung, ihrer kleinen Ersparnisse und ohne Gewähr für ein > sicheres Fortkommen sich selbständig machten? Wie Wenigen gelang es, sich im schweren Kampf ums Dasein bei der heutigen übergroßen Konkurrenz zu behaupten; wie Viele aber gingen im Strome unter, nachdem sie Kummer und Sorgen genug durchzu­machen hatten und sich materiell weit schlechter befan­den, als zur Zeit, da sie noch in dienender Stellung waren. Es waren oft recht brave und tüchtige Leute darunter, aber die Geschäfte gingen eben schlecht, die betreffenden Branchen waren übersetzt, die Ansprüche des Lebens zu groß, sie hatten ihre Selbständigkeit gegen einen beständigen Kampf mit dem Mangel und widrigen Lebensverhältnissen eingetauscht, und sie sehnten sich später nach der glücklichen Zeit zurück, wo sie als gutbezahlte Bedienstete sich keine Sorgen um das Geschäft zu machen brauchten. Wie schlimm steht es aber erst mit solchen Leuten, die ohne ge­nügende Kenntnisse ihres Faches und ohne die nöti­gen Mittel auf's Geradewohl sich etablierten! Sie waren und blieben Pfuscher, und nachdem sie das solide und tüchtige Gewerbe geschädigt und den Un­willen der Kunden wachgerufen, folgte der unver­meidliche Bankerott. Wir sehen da nur zu oft, wie Gesellen, die noch recht wohl eine tüchtige Lehrzeit notwendig hätten und sich erst ausbilden müßten in ihrem Gewerbszweig, wie Kaufleute, die noch sehr viel an merkantilen Kenntnissen sich aneignen sollten,

sich selbständig machen und glauben, daß ihnen nun > die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Das! Ende vom Liede ist ein schlimmes. Man schafft eine - große Konkurrenz, erschwert den soliden und tüchtigen Meistern das Geschäft, bringt sich selbst an den Rand des wirtschaftlichen Verderbens und versetzt sich in ein Abhängigkeitsverhältnis, das ungleich drückender er- scheint, als das des einfachen Gesellen. Mit Recht ! schrieb neulich eine gewerbliche Fachzeitung:Der! irregeleitete Drang nach Selbständigkeit verleitet all- ^ jährlich Hunderte von Gehilfen, ihre lohnende Ar- ' beit aufzugeben und Meister auf eigene Hand zu ^ werden. Ohne die geringste Aussicht auf eine sichere Existenz schließen sie leichtfertig eine Ehe, mieten irgendwo eine kleine Wohnung mit einemLaden" , und etablieren sich als Meister in der Hoffnung, die Kunden würden sich schon haufenweise von selbst einsin- den. In wenigen Wochen ist das bischen Kapital, die paar Hundert Mark, die der Mann als geschick­ter Gehilfe, die Frau als fleißige Dienerin oder Ar­beiterin zusammengespart hatten, ausgegebcn, und nun blickt die hohläugige Not in die armselige Werkstätte. Die Bestellungen, aus die man so sicher gerechnet hatte, bleiben aus, während die Ansprüche des Le­bens sich unerbittlich Tag für Tag mit gleicher Kraft ' einstellen, ja durch die Wahrscheinlichkeit, daß die ! Familie bald einen Zuwachs erhalten werde, sich noch vermehren. Was soll nun derMeister" ma­chen? Er muß jede Beschäftigung annehmen, auch die elendeste Flickarbeit, er muß Geld und Rohma­terialien borgen, und endlich muß er für den Groß- ! Unternehmer arbeiten. Das ist das trostlose Bild von vi elen H a ndwerkern." _

Tages-Neuigkeiten.

T Deutsches Reich.

. ** Nagold, 6. Juni. Die Investitur des

^ckienernannten Dekans Schott vereinigte am gestrigen ^Trinitatisfeste die hiesige und Jselshauser Kirchen­gemeinde nebst vielen Gästen von unserem und dem Herrenberger Oberamt im schönen Gotteshause. Nach­dem der Kirchengesangverein den Choral:Treuer Heiland re." und die Gemeinde das Lied:Allein Gott in der Höh' ic." gesungen hatte, bestieg der neue Prediger die Kanzel und sprach unter Zugrund- legnng des Festevaugeliums von dem Geheimnis des Reiches Gottes, wobei er die Fragen aufstellte: 1)

! Welche Stellung hat der Prediger des Evangeliums ! für seine eigene Person zu diesem Geheimnis einzu­nehmen? 2) Wie hat er es vor der Gemeinde dar­zulegen!? Mit ruhigem Ernst und überzeugender ! Klarheit wurden diese Fragen beantwortet. Die zahl­reiche Zuhörerschaft vernahm auch an entfernteren Plätzen die wichtigen Worte und freute sich über das günstige Organ des neuen Geistlichen. Die hierauf folgende feierliche Investitur wurde durch den Herrn Generalsuperintendenten, Prälaten v. Georgii aus Tübingen, vollzogen. In seiner einleitenden Rede wendete sich derselbe an den neuen Seelsorger und an die Gemeinde und legte beiden mit kräftigen, ein­dringlichen Worten ihre gegenseitigen Pflichten ans Herz, worauf Dekan Schott seinen bisherigen ziem- l:ch bewegten Lebensgang in einfacher Weise schil­derte. Bei der hierauf folgenden Einsegnung waren als Zeugen gegenwärtig Herr Oberamimann Günt- ner und Herr Helfer Finckh, welche zu diesem Akte passende Ansprachen hielten. Möge die gestern voll­zogene Verbindung zwischen dem neuen Seelsorger j und der Gemeinde beiden Teilen zu bleibendem Segen ! gereichen. Das walte Gott!

> Druckfehler: In dcm Artikel über den Ausflug

des hiesigen Liedcrkranzes in letzter Nummer hat der Setzer den Rheinfall statt bei Schaffhausen nach Basel verlegt, wel­chen Irrtum nicht Geographiekundigc korrigieren wollen.

Stuttgart, 26. Mai. Nach siebentägigen Debatten sind heute die Würfel in der Steucrverteilungsfrage gefallen- Daß die Regierungsvorlage mit 64 gegen 24 Stimmen an­genommen worden ist, haben wir bereits mitgeteilt. Die Landwirtschaft ist aus dcm Kampfe siegreich hervorgcgangen, wie es von vornherein nicht zweifelhaft war. Um die Steuer­summen, die von ihr abgewälzt worden sind, ist das Gewerbe und die Gebäude mehrbelastet worden; das erste um 738707 ^ die Gebäude um 259007 ^ mehr gegen früher. Die Ge­werbe werden sich in ihr Schicksal ergeben müssen, denn M der ersten Kammer wird sich auch nicht eine Stimme gegen den heutigen Beschluß erheben und man darf auch wohl die sichere Hoffnung hegen, daß die Mehrbelastung die Konkurrenz­fähigkeit der Gewerbe nicht in Frage stellen kann, so trübe die Bilder auch waren, welche die Gegner der Vorlage M dieser Bcziebung ausmalten. Sic müssen eben der nicht zu bestreitenden Thatsache eingedenk bleiben, daß sie nn Verhältnis zur Landwirtschaft seit 50 Jahren im Vorteil gewesen sind. Und dieses Bewußtsein wird auch dazu bei­tragen, das bittere Gefühl, welches unsere Gewerbetrei­benden über die ihnen auferlegte große Last beschlichen, me- dcrzukämpfen. Hoffentlich werden die Gegensätze zwischen Stadt und Land, welche der gegenwärtige Jnteressenkampf ; hervorgenifcn, ihren Ausgleich finden und sich die Befürchtung j nicht bestätigen, daß die Kämpfe zwischen Agrariern und ; Nicht-Agrariern in unfern Landtag einziehen werden und eine ! bleibende Störung des Einvernehmens nicht verursachen.

Stuttgart, 27. Mai. Die zweite Kammer hat heute das zwischen der württembergischcn Regierung und dem Reich getroffene Abkommen über die Herstellung der beiden im In­teresse der Landesverteidigung zu bauenden Bahnlinien Crails- Hcim-Eppingcn (zweites Geleise) und Sigmaringen-Tuttlingen einstimmig genehmigt. An der erstgenannten Strecke trägt das Reich 5575360 an den Kosten bei, während auf Württemberg 1393840 kommen. An den Kosten für Tutt- lingcn-Sigmaringcn beteiligt sich das Reich mit 7506900 Württemberg mit 4625000 Preußen mit 500000 Wie schon im Reichstag, so kam auch in der württcmbergischen Kammer zur Sprache, ob nicht an Stelle des zweiten Ge­leises (CrailShcim-Eppingen) eine Parallelbahn durch das cisenbahnlosc Kochcrthal gebaut werden könne von Eckarts­bausen über Künzelsau nach Kochendorf. Der Minister von Mittnacht wies diesem Ansinnen gegenüber daraufhin, daß es bei der Dringlichkeit der Sache der württembergischen Regierung nicht mehr anheimgegebcn war, ihrerseits Vor­schläge zu machen, und daß von zuständiger Seite betont worden sei, eine zweigelcisige Bahn sei für militärische Mas­sentransporte wegen ihrer zuverlässigen Betriebsleistung stets zwei eingcleisigcn Balmcn vorzuziehcn. Gegen die Kochcrthal- hahn spricht auch, daß sic zirka 23 Millionen kosten würde, während das zweite Geleise Crailsheim-Eppingen nur auf 6969200 ^ komme. 'Das Abkommen wegen der Lime Tuttlingen-Sigmaringen bemängelte als einziger der Frhr. Edmund v. Ow, welcher die Bcitragsleistung Preußens zu gering fand und bemängelte, daß Baden, dessen Territorium auch berührt wird, gar nichts zahlt. Man hätte das Reich bauen lassen sollen. Dcm letzteren Einwand gegenüber hob Minister v. Mittnacht, die Reichseisenbahnfrage streifend, her­vor, daß es für Württemberg von Bedeutung sei, den Betrieb der Bahn selbst in die Hand zu nehmen, und was die Bei- tragslcistung anbelangt, so sei daran zu erinnern, daß man im Reichstage darüber geklagt habe, den süddeutschen Staaten seien finanziell zu große Konzessionen gemacht. Die Interes­sen Preußens an der Linie seien sehr gering, cs gebe nur Ehren halber seinen Beitrag, und was Baden anbelangt, so habe dessen Vertreter erklärt, er würde eher etwas bezahlen» wenn die Strecke nicht gebaut würde, da sie der Linie Sin- gcn-Sigmaringen Konkurrenz macht. Die Genehmigung der beiden Abkommen erfolgte, wie oben gesagt, einstimmig. Zur Bestreitung der Baukosten nimmt Württemberg ein Anlchen von 4500000 ^ auf. Das Haus vertagte sich bis zum 1. Juni. Ter Schluß des Landtags ist bis zum 7. oder 8. Juni in Aussicht genommen.

Stuttgart, 28. Mai. Der Entscheid der Kammer in der Stcuerfragc hat durch die Stärke der Mehrheit ver­blüfft. Noch wenige Tage vorher hatte man auf das Ver­hältnis von 50 zu etwa 40 gerechnet, und nun stellten sich 64 zu 24 heraus. Man kann sagen, daß die Rede des Frei» Herrn v. Varnbülcr nicht wenig zu diesem Gang der Dinge beigetragen hat. Er sagte, und das war wahr, daß über 5V Jahre lang, seit 1821, die Landwirtschaft »stre der direkten Steuern hat tragen müssen, während die Gewerbe sich in dieser Zeit außerordentlich entwickelten und trotzdem nicht schärfer angelegt wurden. Sie sollten also nicht murren.