Stuttgart, 14. Mai. In der Kammer der Abge­ordneten wurden gestern bei Beratung des landwirtschaftlichen Nachbarrcchtsgesetzes zu Art. 21 im wesentlichen der Kom­missionsanträge, wonach entgegen dem Entwurf die Waldungen hinsichtlich der Grenzbäume im allgemeinen denselben Bestim­mungen unterworfen werden Zollen, wie jedes andere Grund­stück, angenommen; dann wurde die Beratung des Gesetzes vollends rasch zu Ende geführt. Am Dienstag beginnt die Beratung über die Steuervertcilungsfrage.

Stuttgart, 14. Mai. Der König ist heute aus Nizza in die Heimat zurückgekehrt und ward von der Bevölkerung bei der Fahrt zum Schloß mit ju­belnder Begeisterung begrüßt. Die Stadt ist reich geschmückt. Auf dem Bahnhof fand großer Empfang durch die Königsfamilie, die Stände, das Diploma­tenkorps und die Würdenträger statt.

Da sich zum Unterrichtskursus an der Huf­schmied-Lehrwerkstätte in Reutlingen nicht die genügende Zahl von Teilnehmern gemeldet hat, ist die Nichtabhaltung dieses Kurses angeordnet worden.

Heilbronn, 11. Mai. Den Gläubigern des in Kon­kurs gekommencnen, flüchrig gewordenen Lederhändlers Lud­wig von Backnang scheint an der Haftnahme desselben außer­ordentlich viel gelegen zu sein. Der Gläubiger-Ausschuß hat in einer Sitzung vom 2. Mai beschlossen, denjenigen Personen, die die Verhaftung des Ludwig oder seines Buchhalters Wiedenmann von Nördlingen bewirken, je 1000 ^ für die Ergreifung jedes einzelnen auszuwcrfen. Der Konkursver­walter ist beauftragt, den Betrag anszubezahlen, sowie die Haftnahme des einen oder Andern vollzogen ist.

Zur Beachtung! Mit Gefängnisstrafe bis zu 14 Tagen oder Geldstrafe bis zu 90 vkL wird bestraft, wer beim Töten oder Fangen der Singvögel, dem Nesterzerstören oder Eierausnehmen erwischt wird. Bei der bevorstehenden Vrütezeit unserer gefiederten Sänger dürfte sich dieser Hinweis besonders den Lehrern in allen Schulen für ihre Schüler empfehlen.

Von der badischen Regierung verlautet, daß sie sich gegen eine weitere Erhöhung der Korn- zölle ausgesprochen habe. In Baden sei nur ein sehr geringer Teil des Grund und Bodens (2 pCt.) im Großbesitz, der größte Teil dagegen von 1015 Morgen im Besitz von kleinen und mittleren Land­wirten, die nur selten Getreide verkaufen und meist selber kaufen müßten, daher keine Hilfe durch höhere Zölle erhalten würden. Aehnlich sei es im König­reich Sachsen und in Thüringen.

Frankfurt a. M., 11. Mai. Der Frkf. Ztg. wird aus Pest gemeldet: In Budaoeres bei Pest fand gestern ein antisemitischer Tumult statt. Die Angreifer wurden erschossen; es wurde Militär requiriert.

Minden, II. Mai. Der langjährige Kas­senbote einer Wittener Zeche ist mit annähernd 10 000 Mark, die er zur Post bringen sollte, durchgebrannt. ^

Kiel, 12. Mai. Die Kanalbau-Feier ^ wird nach endgiltiger Bestimmung schon am 3. Juni d. I. stattfinden. Im Gefolge Sr. Majestät des ^ Kaisers, des Kronprinzen, der Prinzen Wilhelm und Alexander werden sich etwa 30 Personen befinden.

Berlin, 10. Mai. Zur Frage der Beschik- kung der Pariser Weltausstellung wird denBerl. Pol. Nachr." von industrieller Seite geschrieben: Ob die Pariser Wagner'sche Musik hören wollen oder nicht, kann uns Deutschen ziemlich gleichgiltig sein, bedenklich bleibt indessen, daß der Mob von Paris es fertig gebracht hat, auch bei dieser an und für sich politisch nicht ins Gewicht fallenden Ange­legenheit der Regierung gegenüber seinen Willen durchzusetzen. Dieselbe französische Regierung ladet für 1889 alle Länder der Erde zur Beschickung der Pariser Industrie-Ausstellung ein. Wenn diese Re- gierung nicht im Stande ist, die Aufführung einer j deutschen Oper vor Beschimpfung zu sichern, welchen > Schutz will sie dann den deutschen Erzeugnissen ver- ! sprechen, welche Garantie will sie leisten, daß die Jury, welche eine ausgezeichnete deutsche Leistung ! etwa zu prämiieren wagte, nicht persönlich bedroht, daß die deutschen Ausstellungsprojekte nicht verun­staltet oder gar zerstört, daß die deutschen Aussteller nicht beschimpft werden? Nach dieser letzten Glanz­leistung des Pariser Pöbels wird der französichen Regierung vielleicht selbst darüber ein Verständnis aufgehen, warum die deutsche Industrie mit seltener Einmütigkeit eine Beteiligung an der Pariser Aus­stellung abgelehnt hat, ohne zuvor die voraussichtlich gleichlautende Entscheidung der deutschen Negierung abzuwarten."

Berlin, 13. Mai. Im Reichstag« fand gestern die erste Lesung der Innungsvorlage statt. Durch dieselbe sollen bekanntlich die Verwaltungsbehörden ermächtigt werden, zu Beträgen für gewisse Jnnungscinrichtungen (Arbeitsnach­weis, Herbergswcsen, Anstalten zur Ausbildung der Lehrlinge,

gewerbl. Schiedsgerichte) auch Nichtmitgliedcr der Innungen s heranzuziehen. Im allgemeinen äußerten sich alle Parteien, j mit Ausnahme der Freisinnigen und der Sozialdemokraten,

1 der Vorlage günstig. Herr Miqucl, welcher Namens der ! Nationalliberalen sprach, erkannte au, daß die Vorlage an

sich nicht dem Jdeenkreise der Zünftler angehört, aber er ver- > langte eine klare Auskunft darüber, nach welchem Ziele die j Regierung bei den einander folgenden Novellen hinstrebt, und ' behielt die Prüfung der Einzelheiten, namentlich betreffs der Fortbildungsanstaltcn und Schiedsgerichte der Innungen, den ^ Gemeinden vor. Den Forderungen auf weitergehende Be- - günstigungen der Innungen trat auch der Regierungsvertreter ! entschieden entgegen. Das Ergebnis der Beratung war die Verweisung der Vorlage an die Arbciterschutzkommissiou.

Berlin, 13. Mai. Die Kaiserin reist mor­gen früh von hier nach Baden-Baden ab.

Berlin, 14. Mai. Der preußische Landtag ^ wird heute abend geschlossen werden.

Fürst Bismarck macht, wie aus Berlin ge- ^ meldet wird, auf ärztliches Anraten jetzt täglich grö­ßere Ausritte im Tiergarten, den er. auf seinem Gold­füchsen im schärfsten Galopp nach allen Richtungen ! hin durchstreift. Daß ihm diese Reitübungen gut be- ! kommen, zeigt sein frisches und gesundes Aussehen.

Der Verdacht, daß der Anarchist Lieske, der vor einigen Jahren den Polizeirat Rumpf in Frank- ! furt ermordete und im Zuchthaus Wehlheiden hinge­richtet wurde, Mitschuldige und Mithelfer gehabt habe, hat sich fast zur Gewißheit gesteigert. Viel­fache Verhaftungen und Verhöre in neuester Zeit in Frankfurt sollen damit Zusammenhängen und zu wich­tigen Ergebnissen geführt haben.

Die zweijährige Dienstzeit beschäftigt nicht nur unsere deutschen Fortfchrittsleute, sondern auch die französischen, nur mit dem Unterschied, daß unsere Fortschrittler in der 2jährigen Dienstzeit das Heil des Volkes, die französischen dagegen den Ruin der ^ Armee und somit der Sicherheit des Vaterlandes erblicken. DieRepublique Francaise" greift Bou- ^ langers Heeresvorlage mit folgenden praktischen Be- ! ) denken an:Die Vorlage läuft auf Einführung einer ! faktisch zweijährigen Dienstzeit hinaus. Das hat : man bis 1848 in Preußen versucht und dafür die! Demütigungen der 50er Jahre einstecken müssen. ! Mit der dreijährigen Dienstzeit hat man Königgrätz! und Sedan gewonnen. Das Entscheidende ist, daß man mit zweijähriger Dienstzeit keine Unteroffiziere bildet, denn gerade die guten Soldaten sollen nach

2 Jahren entlassen werden, in eben dem Augenblicke,

wo man ihnen die Tressen geben sollte." Man kann ^ auch von dem Gegner lernen! )

Dem Bundesrat ist gestern die Znckerstenervor- ! läge zugcgangen. Nach derselben soll (in Bestätigung des ! bereits mitgeteilten) die Rübcnsteuer bestehen bleiben, aber j von1.80 auf 1 für den Doppelzentner herabgesetzt, > die Exportvergütnng nach einem Ansbenteverhältnis von S anstatt bisher lOY« Ztr. Rüben zu 1 Ztr. Rohzucker herabge­setzt werden. Ncb«, der Rübensteuer aber soll von dem im Jnlande konsumierten Zucker eine Verbrauchssteuer von 10 pro Doppelzentner erhoben werden. Der Ertrag der Vorlage, ; welche erst am 1. August 1888 in Kraft treten soll, wird auf i 40-50 Millionen Mark berechnet. Die Kommission des ! Reichstages hat gestern die zweite Lesung des Gescheut- ! Wurfes, bctr. die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftig- j ten Personen erledigt. Das Gesetz wird somit wohl in dieser ! Session noch zu Stande kommen, von dem Gesetz über die ) Unfallversicherung der Seeleute glaubt man das nicht. ^

Ems, 14. Mai. Der Kronprinz hat im be­sten Wohlsein seinen hiesigen Kurgebrauch beendet! und ist mit Gefolge mittags 12 Uhr nach Potsdam ^ abgereist. !

Die Unterstützung der bulgarischen Kandidatur - des Prinzen von Nassau durch Fürst Bismarck wird dementiert. Bismarck acceptiere jeden zwischen Ruß­land und Bulgarien vereinbarten Kandidaten.

Von den Privatpostanstalten haben, wie der Reichsanzciger meldet, kürzlich wieder 3, die in Altona, Krefeld und Mannheim, ihr Ende erreicht. Der Inhaber der Anstalt in Krefeld ist unter Hinterlassung von Schulden entflohen, ebenso ist der Mitinhaber der Kreselder Expreß- Kompagnie nach Unterschlagung von Zeitungsgeldern entwi­chen. In Altona wurde das Ende dadurch herbeigeführt, daß die Briefkästen - gepfändet wurden. Auch aus anderen Städten werden Mitteilungen gemacht, welche das baldige Aufhörcn der dortigen Privatpostnnternehmungen voraussehen lassen. So wird es kommen, daß ein Jahr nach dem Ent­stehen der ersten Stadtbriefbeförderungsanstalt nur noch wenige von den inzwischen pilzartig aufgeschossenen Instituten existieren werden. Ob diese sich vermöge ihrer kräftigeren Organisation halten werden, ist eine Frage, welche allein die Zukunft beantworten kann.

Metz, 11. Mai. In den letzten Tagen ist eine Anzahl von Dienstmädchen aus Frankreich hier­her gekommen, welche infolge des bekannten Boulan- ger'fchen Erlasses stellenlos geworden sind.

Deutsch-Avricourt, 10. Mai. Heute abend 8'/, Uhr trafen mit dem Zuge aus Frank­reich zehn deutsche Arbeiter hier ein, welche aus

! Frankreich ausgewiesen worden waren. Nach deren ' Aussagen kam ihnen um 5 Uhr der Ausweisungs­befehl zu und um 8 Uhr mußten sie schon dem Lande ^ Lebewohl sagen! Es sind dies Arbeiter aus der vor einigen Monaten neu errichteten Kinderwagenfabrik eines Herrn Sch. in Marainville, welcher sich bei Gründung seiner Fabrik die Arbeiter aus Rothenburg , mitgenommen hatte. Morgen kommen die andern deutschen Arbeiter nach, da in Zukunft nur noch französische Arbeiter dort beschäftigt werden dürfen. Wie erzählt wird, soll das gleiche Schicksal auch den Arbeitern der Puppenfabrik in Embermenil (eben­falls nahe den Forts) bevorstehen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 14. Mai. Oesterreich lehnte die Be­schickung der Pariser Weltausstellung ab, indem es einerseits auf die Ausschreitungen bei der Aufführung desLohengrin" , andererseits auf den historisch- politischen, die Dynastie Habsburg schmerzlich berüh­renden Charakter der Ausstellung hinwies. (Bekannt­lich soll die Ausstellung zur Jubelfeier der großen französischen Revolution stattfinden, die für das österreichische Kaiserhaus darum so schmerzliche Erin­nerungen weckt, weil eine Tochter desselben, die Kö­nigin Marie Antoinette, im Verlauf der Revolution hingerichtet wurde.)

Italien.

König Humbert von Italien hat dem Ausstellungs-Komitee in Venedig eine derbe Lektion erteilt. Als er mit seiner Gemahlin die Kunstaus­stellung besuchte, sah erkein Volk".Wo sind die Leute?" fragte er die Herren vom Komitee.Sie sind heute, um die Majestät nicht zu stören, nicht zugelassen worden."Was? Das bedauere ich sehr, der König gehört zu seinem Volk, wie das Volk zu seinem König". Er verließ sofort die Ausstellung und sagte beim Abschied:Hoffentlich wird man nicht glauben, daß ich der bin, der das Volk scheut. Ich habe gar keinen Grund dazu."

Bon der französisch- italienischen Grenze kommen Meldungen, wonach dort der französische Spionagedienst genau so organisiert ist, wie an der deutschen, indem auch die dort stationierten Spezialkommissare" zu allerlei Spionagediensten a 1a Schnebele benutzt werden. Wie die öfsiziöse Gazz. del Popolo" bemerkt, hätte die deutsche Re­gierung die italienische von diesem Unwesen zuerst in vertraulicher Weise benachrichtigt und dabei voll- giltige Beweise der Wahrheit geliefert, so daß auch in Rom gegen dies Verfahren der Republik berechtigte Verstimmung herrsche. Hierzu bemerkt dieGazz. d'Jtalia": Man sieht, die Luft ist nicht blos schwül am Rhein, sondern allerorts, und cs wäre verwegen, unter solchen Verhältnissen auf einen dauerhaften Frieden zu zählen. Auch derOsservatore Romano" ist der Meinung, daß es beim französischen Grenz­dienst nicht mit rechten Dingen zugehe, und daß die französische Reigerung gut thue, recht bald eine radi­kale Reform in der Beobachtung des internationalen Rechts vorzunehmen.

Frankreich.

Paris, 11. Mai. DerParis" ist voll des Lobes des Kriegsministers.Einer unserer Freunde", schreibt das Blatt,versichert uns der Genauigkeit der nachstehenden Details: Vor etwa 8 Tagen soll der Kriegsminister sich nächtlicher Weile auf den Ost­bahnhof begeben und dort unversehens alle Operatio­nen angeordnet haben, welche eine Gesamt-Mobil­machung auf den dortigen Schienen erheischen würde. Die Militär-Waggons und die Spezialzüge wurden gebildet, die Maschinen vorgespannt, die Apparate zur Einwaggonierung des Kriegsmaterials aufgestellt. Binnen 2 Stunden war die Ostlinie für den Feld­zug gerüstet. Dieser Besuch mit seinen Experimenten soll auch auf dem Nordbahnhofe wiederholt worden sein. Wir wünschen dem Kriegsminister zu seiner Rührigkeit Glück und hoffen, neue Experimente wer­den sich an die bereits gemachten reihen."

Paris, 12. Mai. Zur Ministerkrisis äußert

sichFigaro" in seiner gestrigen Ausgabe u. a. also:

Die allgemeine Ansicht ist die, daß das Ministerium nächstens zusammenbrechen wird, und zwar erstens, weil es ungenügend ist, sodann weil niemand ein Interesse hat, es zu verteidigen oder seine Existenz zu verlängern. Es hat weder Grundsätze, noch An­sichten) noch Vorurteile; es ist entstanden, weil es keinen andern Ausweg gab, und es wird sterben an einem Pasenstüber; endlich und das ist