verhaftet. Das Militär sperrte die Hauptstraßen bis nach Mitternacht ab. Es herrscht große Erregung in der Stadt.

In Braunschweig betrugen die Kosten für die Trauergeläute nach dem Tod des Herzogs 19000 ^ Nach langem Streit, ob der Staat oder die Gemeinden die Kosten zu tragen haben, ist in diesen Tagen die Zahlung durch das Staatsministerium erfolgt.

Berlin, 28. Febr. Alterspräsident des Reichstags ist jetzt Generalfeldmarschall Graf v. Moltke; er waltete dieses Amtes schon vor drei Jahren, obwohl der damalige Abgeordnete Dollfuß aus Elsaß einen Monat älter war: Herr Dollfuß war jedoch nicht im Reichstag erschienen und so trat Graf v. Moltke an seine Stelle.

Berlin, 28. Febr. An den Bundesrat sind verschiedentliche Eingaben behufs Verbots der öffent­lichen Ankündigung von Geheimmitteln gelangt. Der Bundesrat hat dieselben dem Reichskanzler überwie­sen. Wie man hört, widmet die Regierung dieser Angelegenheit besondere Beachtung, und es steht zu erwarten, daß man dem Verlangen, die Ausschrei­tungen bezüglich des Geheimmittelschwindels zu be­schränken, näher treten wird.

Berlin, 1. März. Der Kongreß deutscher Landwirte nahm einstimmig eine Resolution an, welche sich gegen die Einschränkung der Produktion, aber für angemessene Erhöhung der landwirtschaft­lichen Schutzzölle ausspricht, welche unbeschadet ande­rer volkswirtschaftlicher Maßnahmen wesentlich zur Hebung der landwirtschaftlichen Krisis beitragen würden. i

Berlin, 2. März. Die erste Sitzung des! Reichstags ist auf morgen mittag 1 Uhr anberaumt. Die Präsidentenwahl dürfte Freitag stattfinden und ' der Reichstag am Montag in die erste Lesung der! Militärvorlage eintreten. Daß die letztere in kürze-! ster Zeit ohne Verweisung an eine Kommission An- j nähme findet, gilt zweifellos.

Berlin, 2. März. Das Armeeoerordnungs-; blatt veröffentlicht einen Allerhöchsten Erlaß vom 24.! Februar, welcher bestimmt, daß im Jahre 1887 das I erste und zweite Armeekorps, jedes für sich, große Herdstübungen (Parade- und Korpsmanöver gegen markierten Feind, dreitägige Feldmanöver der Divi­sionen gegen einander vor dem Kaiser) abhalten, welchen zehntägige Hebungen sämtlicher Kavallerie- Regimenter dieser Armeekorps im Brigade-Divisions- verbande vorhergehen sollen.

Berlin, 3. März. (Reichstags-Eröffnung.) Anwesend etwa 250 Abgeordnete, zumeist National­liberale, darunter Bennigsen und Miguel. Minister v. Bötticher verlas die Thronrede.

Berlin, 3. März. In der Gewehrsabrik in Spandau fanden mehrere Arbeiter-Entlassungen statt; der Betrieb soll binnen kurzem eine weitere Einschränkung erfahren.

Berlin. 3. März. Bis jetzt sind 29 Stich­wahlen bekannt, davon 3 Konservative, 1 Reichspar-! teiler, 4 Nat.-Lib., 3 Zentrumsmänner, 11 Freisin­nige, 5 Sozialdemokraten (in Frankfurt a. M. Sa- bors und 2 Welfen. Die nationalen Parteien zählen jetzt 206 , 7 mehr als die absolute Mehrheit, die gesamte Opposition 154.

Berlin, 3. März. Die Thronrede kündigt die dem letzten Reichstage gemachten Vorlagen wieder an, betont die Notwendigkeit der Beschaffung neuer Einnahmequellen und hofft auf eine Verständigung über die Reform des Steuersystems, wozu die Vor­arbeiten sosorr in Angriff genommen worden seien. Die auswärtigen Beziehungen Deutschlands seien die­selben, wie bei Eröffnung des letzten Reichstags. Die Thronrede drückt ihre Genugthuung über die Kundgebung des Papstes aus, welche das Interesse desselben für den innern Frieden des Reiches bestä­tige. Die Politik des Kaisers sei beständig auf die Erhaltung und Pflege des Friedens, namentlich mit unseren Nachbarn, gerichtet; der Reichstag werde die Friedenspolitik durch schnelle, freudige und einmütige Annahme der Hceresvorlage unterstützen, indem er dadurch den Willen der Nation bekunde, gegen jeden Angriff die ganze Fülle der nationalen Kraft aufzu­bieten. Schon durch solche Beschlüsse allein und noch vor deren Ausführung werden Friedensbürgschaften wesentlich gestärkt und die Zweifel beseitigt werden, welche durch die bisherigen Reichstagsverhandlungen hervorgerusen worden seien.

Aus dem Reichslandc war gemeldet, ca. 20 Prozent der zu den Repcüergewehr-Uebungen einbe- rufenen Reservisten hätten sich dem Dienst entzogen.

! Die Zahl der nicht Erschienenen beträgt aber nur ! ein dreiachtel Prozent, ein so günstiges Resultat, wie es im alten Deutschland nur selten erreicht wird.

Bei einem beim chinesischen Gesandten in Ber­lin abgehaltenen Balle war auch der französische Botschafter in Berlin, Herr Herbette, zugegen, der über die allgemeine politische Lage sprach. Er sagte lächelnd:Das Gewitter ist vorbei, man kann die Regenschirme zumachen."

Für die Reichstagssession wird ein Zusatz zum Dampfer-Subventionsgesetz angekündigt, wonach die Dampfer der Mittelmeerlinie nicht mehr Alexandria, sondern nunmehr Port Said anlaufen sollen.

Die Deputierten Boy er und Passy hatten kürzlich Anträge -auf Entwaffnung und Einrich­tung internationaler Schiedsgerichte eingebracht. Diese Anträge wurden zur Begutachtung der parla­mentarischen Jnitiativkommission überwiesen. Der Referent der Kommission hat gestern seinen Bericht eingebracht, worin er empfiehlt, die Anträge der Ab­geordneten Boyer und Passy nicht in Betracht zu ziehen und eine unverzügliche Diskussion darüber zu verlangen. Der Bericht schließt folgendermaßen: Die Richtung unserer Politik ist unverändert ge­blieben. Alle aufrichtigen Leute wissen, daß wir den Frieden wünschen und daß wir denselben mit Ent­schiedenheit wollen. Beweis dafür ist, daß, was in Frankreich geschieht, nichts ist im Vergleich zu dem, was draußen vorbereitet wird. Wenn wir aber alles aufgeboten haben, um gefährliche Verwickelungen zu beschwören, und uns dies nicht gelingen sollte, so würden wir im Bewußtsein unseres guten Rechtes, im festen Vertrauen auf den Wert unserer Armee, der ihre Chefs das unbedingteste Vertrauen einflößen, ferner in der Ueberzeugung, daß alle Franzosen einig sein würden, wie sie es stets angesichts der Gefahr gewesen sind, nur die Ereignisse abzuwarten haben, ohne uns durch das Fieber der Ungeduld oder der Unruhe aufregen zu lassen." Die Kammer lehnte indessen die Verlesung des Berichts und der Diskussion ab.

Die amerikanischen Sozialisten haben ihren Parteigenossen in Deutschland zu den Agitationsko­sten bereits zum drittenmale 10 000 Francs über­sandt.

Auf das neue Gesetz betr. die Verwendung ge­sundheitsschädlicher Farben legt, wie man hört, die Regierung besonderes Gewicht. Man hat bei Auf­stellung des Entwurfs in weitem Umfange das Ma­terial benutzt, welches aus früheren Verhandlungen des Reichstags über diesen Gegenstand gewonnen war. Im Bundesrat ist die unveränderte Annahme des Entwurfes als sicher anzusehen und auch im Reichstage dürften der Annahme schwerlich Bedenken entgegentreten.

DieNordd. Allg. Ztg." schreibt offiziös: Die Thatsache, daß Elsaß-Lothringen Protestler gewählt, beweise nicht, daß man sich nach einer Wiedervereinigung mit Frankreich sehne; sie zeige im Gegenteil, daß man im Elsaß au einen Kriegsaus­bruch glaube und sich vor den ehemaligen Landsleu­ten fürchtet. Das Gefühl sei berechtigt; denn wenn Frankreich uns angreift, Werde Elsaß-Lothringen zu­nächst den Kriegsschauplatz bilden. Die Bevölkerung habe dann von den Franzosen doppelt und dreifach die Leiden von 1870/71 zu erwarten, habe daher durch Wahlstimmen die Franzosen, die es nächstens im Lande zu sehen fürchtet, milde stimmen wollen. (?)

Einen wahrhaft babylonischen Sprachrcich- tnm liefert das Vorlesungsverzeichnis der Berliner Uni­versität. Es werden im nächsten Sommerscmcster die fol­genden toten und lebenden Svrachen gelehrt: lateinisch, grie­chisch, französisch, englich, italienisch, spanisch, dänisch, altgcr- manisch, polnisch, russisch, altilovenisch, Sanskrit, syrisch, assy­risch, babylonisch, altsemitisch, aramäisch, arabisch, türkisch, äthiopisch, egyptisch und endlich chinesisch. Das neu zu er­richtendeOrientalische Seminar" bringt vielleicht noch einen Zuwachs.

Herr Fritz Gocreki, Stadtverordneter von Berten und Sozialdemokrat vom reinsten Wasser, hat sich am vori­gen Mittwoch in den Stand der hl. Ehe begeben. Seine Frau ist die Tochter eines nunmehrigen Rentners Boigt. Die Braut erschien bei der Trauung auf dem Standesamt nicht etwa in das Weiß der Unschuld, sondern in knallrote Seide, die Lieblings- und Parteifarbe der Sozialisten, gekleidet.

Nach einer neuerlichen Entscheidung des Reichsgerichts kann Derjenige, der ans^ Restauration Streichhölzer mit fortnimmt, auf gestellten Antrag hin wegen Diebstahls verurteilt werden.

Es laufen Gerüchte um, nach welchen im Reichstage von konservativer Seite Anträge auf Zollerhöhungen eingebracht werden sollen.

Der in Berlin tagende Kongreß deutscher

Landwirte sprach sich am Mittwoch zu Gunsten der Doppelwährung aus.

Oesterreich Ungarn.

Wien, 1. März. Die Delegationsvorlage be­ansprucht einen Kredit von 25 ^/s Millionen Gulden. Hiervon wurden 16^/ro Millionen Gulden für be­reits durchgeführte militärische Vorsichtsmaßregeln verwendet; 8*/ia Millionen Gulden sollen für weitere dringende Maßnahmen und die restlichen 28 Millio­nen für den Bedarfsfall zur Verwendung kommen. Die Begründung betont, daß diesen außerordentlichen Anschaffungen und Ausgaben jeder offensive Gedanke feruliege.

Schweiz.

Zürich, 26. Fcbr. Bei Untereggen, Kanton St. Gal­len, ermordete ein 22jähriger Appenzeller, Joh. Alder, einen fremden Schlossergesellen, der ihn nach dem Weg fragte, aus reiner Mordlust, mit vielen Stichen. Er hat sich in seiner Zelle in Rorschach erhängt.

Italien.

Rom, 2. März. Der König hat dem hiesigen Gemeinderat, welcher zuerst einen Aufruf an die Nation zur Unterstützung der von den jüngsten Erd­beben betroffenen Provinzen erließ, die Summe von 150000 Fr. zugehen lassen.

Rom, 2. März. Die Vertreter der Mächte brachten Papst Leo XIII. zu seiner Krönungsfeier am 21. Febr. ihre Glückwünsche dar, wobei derselbe wiederholt die Annahme des Septennats als eine sriedenverbürgende Handlung des deutschen Reichs­tags betrachtete.

In Nizza eingelaufene Nachrichten melden, daß der Aetna Feuer speit. Man bringt die Er­scheinung mit dem Erdbeben in Zusammenhang und glaubt, die unterirdische Bewegung habe sich nunmehr einen natürlichen Ausweg gebahnt.

Der Papst sandte 20000 Franks für die vom Erdbeben Betroffenen.

Allmählich erholen sich die Leute, die den Bo­den der Riviera bewohnen, von dem namenlosen Schrecken. Aber der Schrecken hat einer verzweifel­ten Mutlosigkeit Platz gemacht, was allerdings nicht zu verwundern ist, denn der Schaden und das Elend sind ungeheuer. Ganze Orte in Trümmern, man muß sich überlegen, was das heißt. Und da, wo die Mauern noch stehen, sind Decken und Gewölbe ge­borsten, Treppen losgerisfen, die Kamine eingestürzt. Die meisten dürfen es nicht wagen, das Notwendigste zu ihrem Unterhalt und zu ihrer Bekleidung aus den einsturzdrohenden Ruinen zu holen. Ueberall unter­suchen Kommissionen von Sachverständigen die Häu­ser, inwieweit sic noch brauchbar sind. Begreiflicher­weise haben die Herren ein hartes Amt und werden oft genug mit Verwünschungen begrüßt. Die LeuLe wollen sich nicht gern sagen lassen:Du darfst nicht mehr in dein Haus zurück; jetzt suche dir anderswo ein Dach!"

Frankreich.

Paris, 1 März. DiePatrie" meldet ans Petersburg, daß auf einer Soiroe bei Hrn. v. Giers, auf welcher der Zar und die Zarin« erschienen, kein deutsches Stück gegeben werden durste. Auch auf Italien wird stark gebaut und wir finden einmütig die Meinung in der Presse vertreten, daß König Humbert bloß deshalb so lange kein Kabinet finde, weil er gegen den Willen seines Volkes an Deutsch­land festhalte; die Italiener mit ihrem politischen Instinkt fühlen, daß dies ein Fehler der Krone sei. Thatsache ist, daß gegenwärtig in Rom auf diplo­matischem Wege dem deutschen Einfluß stark entge­gengearbeitet wird.

Paris, 1. März. Im Ministerrat legte Bo ulanger eine in den Straßen feilgebotene ver­gleichende Karte der deutschen und französischen Streit­kräfte vor. Der Ministerrat stellte fest, daß cs ge­setzlich unmöglich sei, den Straßenverkaus dieser Karte zu verhindern. Dieselbe trägt fälschlich die Bezeich­nungnach offiziellen Daten", ist aber in Wahrheit dem LondonerGraphic" entlehnt. Bemerkens­wert und kennzeichnend ist, wie die französischen Blätter sich zur italienischen Ministerkrisis stellen. Sobald die Aussichten eines Ministeriums Depretis oder Robilant im Steigen begriffen scheinen, spielt man den Italienern übel mit und veröffentlicht An­griffe mit der UeberschriftEin Bündnis dem Meistbietenden". Meldet aber der Graf, daß diese Ministerbildung auf Schwierigkeiten stößt, so wird Italien die liebe Schwestcrnation, die ihr nationales